EnergieCurrenta-Chef, Gewerkschafterin und Leverkusens OB wollen Brückenstrompreis

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Wollen Zukunftssicherheit für den Standort Leverkusen: Oberbürgermeister Uwe Richrath (r.), Frank Hyldmar, CEO Currenta (l.), und Ina Melches, Bezirksleiterin Leverkusen IGBCE.

Wollen Zukunftssicherheit für den Standort Leverkusen: Oberbürgermeister Uwe Richrath (r.), Frank Hyldmar, CEO Currenta (l.), und Ina Melches, Bezirksleiterin Leverkusen IGBCE.

Nach der großen Demo am Donnerstag positioniert sich auch die Leverkusener Verwaltungsspitze.

So viel Einigkeit zwischen einer Gewerkschafterin und dem Boss eines Großkonzerns sieht man nicht alle Tage. An Freitagmorgen stehen aber Ina Melches (IGBCE Leverkusen), Frank Hyldmar (neuer CEO von Currenta) mit Oberbürgermeister Uwe Richrath buchstäblich Seite an Seite an Werktor 4 des Chemparks. Am Kiosk dort machen alle drei deutlich: Sie wollen den Brückenstrompreis für energieintensive Betriebe.

Tags zuvor waren an Tor 2 rund 2500 Beschäftigte der Leverkusener Industrie dem Aufruf der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie gefolgt und für den Standort Leverkusen auf die Straße gegangen. Hintergrund ist die Sorge der Industrie und insbesondere der Unternehmen, die viel Energie verbrauchen, vor zu hohen Preisen, insbesondere für Strom. Und im Chempark, einem energieintensiven Industriestandort, arbeiten rund 33.000 Menschen. 

Currenta musste Teile der Sondermüllverbrennung vom Netz nehmen

Betreiber des Parks ist Currenta, das Unternehmen selbst hat nach Aussage von Frank Hyldmar mehr als 5000 Beschäftigte. Das Konzept des Chemparks ist, dass die dort ansässigen Unternehmen voneinander profitieren. Verkürzt gesagt: Was der eine Betrieb abgibt, kann der andere vielleicht gebrauchen. Davon hängt auch die Ansiedlung eines Unternehmens dort ab. „Eine Perlenkette“, nennt Bürgermeister Uwe Richrath das. Und was genau das bedeutet, merkt Currenta: Wegen der aufgrund der „schlechten konjunkturellen Lage an unseren Standorten“, wie es vor Kurzem von Currenta hieß, werde weniger produziert und der Chempark Betreiber musste einen Teil der Sondermüllverbrennung vom Netz nehmen.

„Es ist wichtig, dass wir die Jobs in Deutschland halten“, sagt Currenta-Chef Hyldmar. In den USA liege der Strompreis um ein Vierfaches unter dem in Deutschland. „Wir brauchen Planungssicherheit“, sagt er. Damit meint Hyldmar nicht nur Currenta, sondern auch alle anderen Unternehmen, die an seinem hingen – die Kunden. Er wolle hier auch keine Klagemauer errichten und den Strompreis nicht dauerhaft gedeckelt haben. Aber in der derzeitigen Lage spreche er sich dafür aus. „Ich will auch noch in fünf oder zehn Jahren durch den Chempark laufen und Hunderte junge Menschen sehen, die eine Ausbildung angefangen haben.“

Dafür bekennt sich Hyldmar an diesem Freitagmorgen klar zum Standort Leverkusen. Das Unternehmen will einen hohen dreistelligen Betrag investieren – in die Digitalisierung, neue Technologien, in Wärmepumpen und längerfristig in Wasserstofftechnologien. Und wenn der Brückenstrompreis nicht kommt? Dann werde man auch investieren, könne das aber nicht mehr in dem Maße. Und letztlich würden die Produkte von Currenta teurer, berichtet der CEO über dieses Szenario.

Leverkusen: Aufschrei durch Belegschaften

Auch Oberbürgermeister Uwe Richrath (SPD) spricht sich deutlich für einen übergangsweisen Strompreisdeckel aus. „Ich frage: Was passiert, wenn man es nicht macht?“ Richrath befürchtet die Auslagerung von Produktionen ins Ausland, den Verlust von Arbeitsplätzen. Ihm geht es um die Existenz des Wirtschaftsstandortes Deutschland und explizit auch um Leverkusen. „Denn das, was hier vielleicht nicht mehr passiert, passiert woanders.“ Er sei zwar kein Freund von dauerhaften Subventionen, man müsse aber sehen, dass der Weltmarkt häufig derzeit von Subventionen lebe.

In der Sozialen Marktwirtschaft sei es die Aufgabe des Staates, einzugreifen, wenn der Markt nicht mehr funktioniert. Und das sei jetzt der Fall, „weil die Welt aus dem Gleichgewicht geraten ist“, sagt der Oberbürgermeister.

Ina Melches war am Donnerstag natürlich auch auf der großen Demo am Chempark. „Viele wussten vorher nicht, wie ernst die Lage ist“, sagt sie. Es habe aber einen regelrechten „Aufschrei“ in den Belegschaften gegeben. Der Chemie-Standort Leverkusen sei nach wie vor attraktiv, sagt sie, auch wenn die Bewerberzahlen rückläufig seien. Die Jobs seien gut bezahlt, sie als Gewerkschafterin wolle weiterhin für gute Gehaltsstrukturen verhandeln. „Wir sind hier grad keine Klassenfeinde mehr“, sagt sie, „sondern wollen den Standort gemeinsam nach vorne bringen“.

Aus Sicht der Stadt habe man dafür geliefert, sagt der Oberbürgermeister. Nun gelte es, dass Land und vor allem Bund nachzögen. „In NRW hat man das verstanden“, berichtet Frank Hyldmar über seine Erfahrungen mit der Politik. Auf Bundesebene weniger, sagt der Currenta-CEO und spielt damit auch auf den sogenannten Chemiegipfel an, „auf den wir ...“, sagt Hyldmar und zögert lange, bevor der den Satz beendet: „... nicht gerade bauen können“.

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