ChemparkWarum Teile der Leverkusener Sondermüllverbrennung vom Netz gehen

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Blick auf die Klärschlammverbrennung von Currenta in Bürrig

Currenta will seine Klärschlammverbrennung in Bürrig wieder vom Netz nehmen.

Zunächst drang Currenta darauf, die Klärschlammverbrennung wieder anzufahren. Jetzt macht der Chempark-Betreiber eine Rolle rückwärts. 

Vor eineinhalb Jahren machte Currenta  es dringlich: Ein Abfall-Notstand der besonderen Art drohe, würde die Verbrennungsanlage (VA) 3 in Bürrig nicht sehr bald wieder in Betrieb gehen. Sie steht in einer Reihe mit zwei Öfen für Chemie-Abfall und schräg gegenüber jenes Tanks, der am 27. Juli 2021 explodiert war und die Katastrophe mit sieben Toten und 31 Verletzten ausgelöst hatte.

In der VA 3 wird Klärschlamm verbrannt. Nicht nur aus der großen Anlage nebenan, die Currenta gemeinsam mit dem Wupperverband betreibt, sondern auch aus dem Dormagener Chempark und von weiter her. Jeden Tag fielen rund 200 Tonnen Klärschlamm an, die wegen des Stillstands der Anlage umständlich im ganzen Land verteilt werden müssten, hieß es vom Chempark-Betreiber. Dazu seien jeden Tag acht Lastwagen notwendig. 

Leverkusen: Bezirksregierung bittet um Informationen von Currenta

Nach diversen technischen Prüfungen genehmigte die Bezirksregierung den Betrieb der Klärschlammverbrennung in diesem Frühjahr. Die Anlage wurde alsbald angefahren. Jetzt soll sie aber wieder vom Netz genommen werden. Aus wirtschaftlichen Gründen erklärte auf Anfrage Maximilian Laufer, Sprecher des Chempark-Betreibers. Derzeit werde „aufgrund der schlechten konjunkturellen Lage an unseren Standorten weniger produziert. Das bedeutet: Es fällt weniger Abwasser und infolgedessen weniger Klärschlamm an. Dies nutzen wir in bestimmten Fällen zum Beispiel, um geplante Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten vorzuziehen.“

Die Bezirksregierung wusste bis Donnerstag nichts von Currentas Plan, doch das sei nicht ungewöhnlich, so Sprecher Dirk Schneemann auf Anfrage: „Da Betreiber von Anlagen nicht verpflichtet sind, uns vorübergehende ‚Betriebsunterbrechungen‘ (zum Beispiel wegen Revision, Störung ohne Außenwirkung) zu melden, kann ich Ihnen nichts Konkretes antworten.“ Die Behörde fragt nun bei Currenta nach., am Mittwochmorgen in einer ersten Stellungnahme. Weitere Erläuterungen gab es bis Donnerstag nicht, trotz vielfacher Versuche, nachzufragen.

Es muss zugefeuert werden

Das Problem, sagen Kenner der Anlage: Der Ofen braucht eine Zufeuerung, weil Klärschlamm trotz vielfältiger Trocknungsprozesse noch immer viel Wasser enthält. Das brennbare Material kommt idealerweise aus dem Bürriger Entsorgungszentrum selbst: in Form von dort angelieferten Chemie-Abfällen, die sehr viel Lösemittel enthalten. Indes sieht es damit offenbar nicht gut aus. Nach der Explosionskatastrophe ist der Katalog der Stoffe, die Currenta verbrennen kann, ziemlich dünn geworden. Mit dem Effekt, dass es an preiswertem brennbaren Material auch für den Klärschlammofen fehlt.

Heilen lässt sich das nur, indem man Lösemittel durch Heizöl ersetzt. Das ist offenkundig geschehen, kann aber nicht immer weiter so gemacht werden: Der Brennstoff ist schlicht zu teuer.

Zuletzt hatten sich die Klärschlamm-Zulieferungen so verteilt: 62.000 Tonnen im Jahr kamen aus Bürrig selbst, wo nicht nur das Abwasser aus dem Chempark behandelt wird, sondern auch das aus rund 275.000 Haushalten in Leverkusen, Leichlingen und Burscheid sowie Teilen der Städte Solingen, Bergisch Gladbach und Wermelskirchen. Weitere 10.700 Tonnen Klärschlamm wurden zuletzt aus Dormagen angeliefert, 2700 aus anderen Anlagen. Womit der Ofen, der direkt neben den beiden für Sondermüll steht, noch nicht einmal ausgelastet ist: 120.000 Tonnen Klärschlamm pro Jahr können laut Datenblatt verarbeitet werden.  

Die Genehmigung kam vorigen April

Es dauerte dann aber noch bis zu diesem Frühjahr – erst dann konnte die Klärschlammverbrennung wieder angefahren werden: Neben dem Tüv untersuchte auch Chemie-Sicherheitsexperte Christian Jochum, der im Auftrag von Currenta die gesamte Sondermüllverbrennung nach der Explosion unter die Lupe nahm und nimmt, mit seinem Team den dritten Bürriger Ofen. Sicherheitsmanagement, Anlieferung und Abnahme des Klärschlamms wurden ebenso gecheckt wie die Technik der Jahrzehnte alten Anlage.

Luftbild des explodierten Tanklagers neben der Sondermüllverbrennungsanlage im Entsorgungszentrum Leverkusen

Das Luftbild des Tanklagers kurz nach der Explosion in Bürrig zeigt auch Tank 8: Es ist der unbeschädigte weiße Behälter in der Bildmitte.

Zum Wiederanfahren des Klärschlammofens gehörte auch, einen Vorratsbehälter in der Nähe wieder in Betrieb zu nehmen. In Tank 8 werden jene Abfälle gebunkert, die viel Lösemittel enthalten. Im vorigen April hatte die Bezirksregierung auch die Tankanlage zu Ende überprüft. In Behälter 8 dürfen vorerst nur „sortenreine“ Lösemittelabfälle gelagert und dann als Brennstoff verwendet werden. Ende April gab die Kölner Aufsichtsbehörde Currenta grünes Licht. Offenbar für eine erstaunlich kurze Zeit.    


Unterdessen geht in Bürrig die Suche nach der Quelle für die üblen Gerüche weiter, die seit Wochen die Anwohner quälen. Nachbar Benjamin Roth hatte mit wiederholt mit Currenta Kontakt, später mit der Bezirksregierung, die ja die Aufsicht über das Entsorgungszentrum hat. In Erinnerung an die Zeit, in der Currenta Klärschlamm auf seinem Bürriger Gelände bunkerte, was zu Gestank in der Nachbarschaft geführt hatte, richtet sich Roths Verdacht inzwischen auf die VA 3.

Zum Schluss fragte er deshalb beim Sicherheitsexperten Christian Jochum an, ob er sich vorstellen könne, woher der penetrante Gestank kommen könnte und ob mit Gefahren für die Gesundheit zu rechnen sei – schließlich kenne der die Anlage aus dem Effeff. Doch auch der Professor konnte Roth nicht helfen: „Unser Gutachtenauftrag (und unsere Expertise) ist die Verhütung von schweren Unfällen. Zu der von Ihnen angesprochenen Thematik können wir daher leider nichts sagen“, war seine Antwort. Sie kam immerhin am selben Tag.   

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