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Leverkusener DauerbaustellenVollbremsung bei der Feuerwache Nord

6 min
Das Landschaftsschutzgebiet auf den Heunen

Unweit des Hofs von Wilfried und Matthias Schlieper will die Stadtverwaltung die Feuerwache Nord bauen: Dazu braucht sie auch Land der Schliepers. 

Seit dreieinhalb Jahren wird um die neue Wache für den Norden der Stadt gestritten. Das Baudezernat plant, der Stadtrat verordnet jetzt einen Stopp.

Dreieinhalb Jahre wird nun schon über die neue Feuerwache im Norden der Stadt gestritten. Für den Bau von 1926 an der Kanalstraße muss dringend ein Ersatz her, und dafür wurde in der Stadtverwaltung von Beginn an groß gedacht. Die neue Wache soll mehr als 15.000 Quadratmeter Nutzfläche haben. Das bedingt ein Baufeld, das ursprünglich 40.000 Quadratmeter groß sein sollte.

Aber dass so groß gedacht werden musste, ist auch gleichzeitig das größte Problem: Platz genug ist aus Sicht des Baudezernats einzig auf einem Terrain unweit der A 3, Auf den Heunen. Zuvor hatten die Fachleute zwölf Grundstücke in der Stadt unter die Lupe genommen, fünf in der engeren Wahl gehabt, aber am Ende blieb nur eines übrig. Der Haken bei der Sache: Das Land liegt zum Teil im Landschaftsschutzgebiet.

Mai 2022

Kaum waren die Pläne in der Welt, erhob sich Protest von Umweltschützern. Gründe dafür hatte die Stadtverwaltung selbst liefern müssen. Im Boden auf den Heunen schienen wertvolle Braun- und Parabraunerden zu liegen. Eine Annahme, die sich später nicht bestätigte: Zumindest Parabraunerden wurden nicht gefunden. Allerdings muss ein Stück Wald abgeholzt werden.

Im Frühjahr 2022 hatte die Verwaltung noch aufs Tempo gedrückt: Der Stadtrat sollte schon am 20. Juni das Go geben für die weitere Planung. Sicherlich auch, weil das sehr aufwendig ist: Es muss nicht nur ein Bebauungsplan her, sondern auch der Flächennutzungs- und sogar der übergeordnete Regionalplan müssten angepasst werden. Dazu kommen acht Umweltgutachten. Aus Sicht der Feuerwehr hat der Standort große Vorteile, weil die Feuerwache Nord eben nicht nur Opladen, sondern auch Rheindorf und Hitdorf versorgen muss. Diese beiden Stadtteile seien viel besser zu erreichen.

September 2022

Nachdem es über den Sommer 2022 ein politisches Hin und Her gegeben hatte, schien Ende September die Sache klar. Die Grünen hatten sich zu einem Ja durchgerungen. Das reichte für eine Mehrheit im Stadtrat. CDU und SPD waren von Anfang an für den Standort, FDP, Opladen Plus, Bürgerliste, Linke und Klimaliste dagegen.

Umweltverbände treffen sich zur Pressekonferenz, sie protestieren gemeinsam gegen die Bebauung Auf den Heunen.

Ende Mai 2023 versammelten sich Umweltverbände am geplanten Standort der Wache im Landschaftsschutzgebiet.

Mai 2023

Außerhalb der politischen Gremien ließ der Protest nicht nach. Ende Mai 2023 demonstrierten Umweltverbände auf den Heunen. Unterdessen wurde im Baudezernats weiter geplant. Im Frühjahr 2024 lag eine Studie vor. In der wurden erstmals auch mögliche Baukosten beziffert. Sie liegen zwischen 108 und 150 Millionen Euro.

Die Experten äußerten sich auch zu der heiklen Frage, wie die Stadt an das Grundstück kommen soll. Dafür müsste nämlich die Landwirtsfamilie Schlieper enteignet werden. „Bei der Errichtung einer Feuerwache muss das bestehende, die Belange des Enteignungsbetroffenen überwiegende öffentliche Interesse nicht aufwendig begründet werden“, hieß es in dem Gutachten.

Es gibt nichts, was das Vorhaben unmöglich machen würde.
Maria Kümmel, Baudezernat

Im April lagen dann die wesentlichen anderen Gutachten im Baudezernats vor. Maria Kümmel aus dem Baudezernat fasste sie im Stadtentwicklungsausschuss so zusammen: „Es gibt nichts, was das Vorhaben unmöglich machen würde.“ Erstmals war nicht nur vom Boden und vom Klimathema Frischluftschneise die Rede, sondern auch von Tieren: Schleiereule, Mäuse, Bussard und Star wären betroffen. Sie müssten sich andere Habitate suchen.

Um den Flächenverbrauch der Wache einzudämmen, wurde erstmals der Bau einer Parkpalette mit 90 Plätzen ins Spiel gebracht. Die benötigte Grundstücksgröße schrumpfte auf 30.000 Quadratmeter. Vor eineinhalb Jahren gab es auch eine erste Einschätzung, wann die Feuerwache Nord in Betrieb gehen könnte: 2030.

Genau das ist inzwischen ein Problem. Weil die Verhältnisse an der Kanalstraße einfach nicht mehr stimmen, muss eine Interimswache gebaut werden. Platz dafür wäre in der neuen Bahnstadt in Opladen. Für das Provisorium standen Anfang dieses Jahres Baukosten von 17 Millionen Euro in Rede. Seitdem schwenken die Grünen im Stadtrat nach und nach auf diesen Neubau um. Sie glauben, dass er mit Ergänzungsbauten die Feuerwache Nord im Landschaftsschutzgebiet ersetzen könnte. Mehrheitsfähig ist das allerdings nicht, und aus Sicht des Baudezernats auch fachlich nicht gedeckt.

Der Standort für die Interimswache in Opladen am südlichen Zipfel der Bahnstadt-West neben der Europaallee

Der Standort für die Interimswache in Opladen liegt am südlichen Zipfel der Bahnstadt-West neben der Europaallee.

August 2025

Vor einigen Tagen ergaben sich ganz neue Probleme aus einer ganz anderen Richtung: Die CDU stellte im Stadtrat den Antrag, alle weiteren Planungen für die Feuerwache Nord aufzuschieben. Weder soll am Bebauungsplan weiter gearbeitet werden, noch soll die Stadtverwaltung weitere Schritte unternehmen, um an die Grundstücke zu kommen. Auch Ausschreibungen, Vergaben und ähnliche Planungsleistungen sollten nicht weiter verfolgt werden.

Hintergrund dafür ist das Desaster um die Finanzierung des Rettungsdienstes in Leverkusen. Bekanntlich ist ein Schaden von mehr als 78 Millionen Euro entstanden. Baudezernentin Andrea Deppe war im Zuge der Affäre vom Dienst suspendiert worden.

Ein Problem bei der Gebührenberechnung war auch die Tatsache, dass die Feuer- und Rettungswache an der Edith-Weyde-Straße kein städtisches Gebäude im engeren Sinne ist. Vielmehr ist es im Rahmen einer Public-Private-Partnership entstanden. Wie sich das auf die Berechnung der Kosten für den Rettungsdienst auswirkt, muss erst noch geklärt werden.

Und weil die Stadtverwaltung die Feuerwache Nord ebenfalls In Public Private Partnership errichten lassen will, stellen sich dort dieselben dringenden Fragen. Dass tatsächlich eines Tages auf den Heunen die neue Feuerwache Nord steht, ist also unsicherer denn je.


Leverkusener Dauerbaustellen

Leverkusens Dauerbaustellen sind die Themen, die die Stadtgesellschaft schon lange beschäftigen. Im Vorfeld der Kommunalwahl stellen wir sieben dieser Baustellen vor. Alle Kandidaten für das Oberbürgermeisteramt sind von uns gefragt worden, wie sie die Probleme angehen wollen. Unten stehen die Antworten, die wir erhalten haben.


Feuerwache Nord: Neubau auf den Heunen oder Interim als Dauerlösung?

Uwe Richrath (SPD): Neubau Auf den Heunen. Auch die östlichen Stadtteile müssen bestmöglich, auch im Fall einer Katastrophe, Beispiel Flut 2021, versorgt sein. Die Interimslösung wird die Anforderungen des Feuerwehrbedarfsplans auf keinen Fall erfüllen. Die Defizite für den Bevölkerungsschutz wären unverantwortlich hoch.

Stefan Hebbel (CDU): Rein fachlich gesehen: Neubau auf den Heunen. Der Standort war unter mehreren geprüften Standorten derjenige, der die Anforderungskriterien für einen Standort der Berufsfeuerwehr für den abzudeckenden Bereich der Stadt am besten erfüllt. Der Interimsstandort dient übergangsweise der Entlastung der Kanalstraße. Bei Finanzierungsproblemen und sonstigen Hindernissen müssen wir aber selbstverständlich auch über Alternativen nachdenken. Klar ist, es muss was geschehen.

Sven Weiss (Grüne): Wir haben uns für ein „erweitertes Interim PLUS“ starkgemacht. Das bedeutet: die Prüfung für die Flächen rechts und links des jetzigen Interimsstandorts plus weitere dezentrale (Verwaltungs-) Flächen. Leider wurde diese Prüfung von primär CDU und SPD verhindert.

Valeska Hansen (FDP): Der Standort „Auf den Heunen“ ist keine Option – aus Naturschutzgründen und wegen hoher Kosten. Die geplante Interimslösung soll vorerst weiter genutzt werden. Gleichzeitig setzen wir uns für eine funktionale, wirtschaftliche und städtebaulich sinnvolle Feuerwache ein. Unsere Feuerwehr verdient eine moderne und verlässliche Perspektive.

Benedikt Rees (Klimaliste): Leverkusen kann sich weder ökologisch noch ökonomisch eine zweite Hauptfeuerwache im Landschafts- und Hochwasserschutzgebiet leisten. Einsatzzeiten von Rettungs- und Feuerwehrdienst können nicht eingehalten, wertvolle Ackerflächen müssten enteignet werden, Baurecht und Erschließung im Gegensatz zu anderen geeigneteren Standorten erst geschaffen werden. Aus manch einem Provisorium ist nicht selten schon eine dauerhafte Lösung geworden.

Angelo Deckert (Die Partei): Die Feuerwehr ist in Leverkusen sehr wichtig. Die Kameraden kommen aus der Mitte der Gesellschaft, also gehören sie auch in die Mitte der Gesellschaft und nicht an den Stadtrand!