Museum MorsbroichFranz Erhard Walthers Obsession für Schrift und Stoffe

Lesezeit 4 Minuten
Franz_erhardt_walther_RLE_leverkusen25062021ALF_3976

Das Objekt wird erst durch die Benutzung seitens der betrachtenden Menschen zum Kunstwerk: Franz Erhard Walther vor einer seiner Stoff-Arbeiten.

Leverkusen  – Natürlich: Nur eine Etage tiefer, im mittleren Geschoss des Museums, geht es derzeit um Joseph Beuys und somit einen ganz Großen der Kunst-Zunft. Dennoch steht das, was nun in der Grafiketage gleich unterm Dach des Morsbroicher Hauses zu sehen ist, dieser Schau in nichts nach: Mit „Manifestationen – Grafische Entwürfe 1958-2021“ des in Fulda geborenen Franz Erhard Walther zeigt nämlich der nächste Akteur seine Arbeiten, der die deutsche und später auch internationale Kunstlandschaft einst auf links drehte. Und das sogar eine gute Dekade vor dem übergroß bis ins Heute wirkenden Beuys.

Aufregender als alle anderen

Walther war nicht zuletzt in seinen frühen Jahren, in denen er sich den Platz im Reigen der Relevanten erkämpfte, aufregender als alle anderen – was im wörtlichen Sinne zu verstehen ist, denn: Der heute 82-Jährige wurde in vielen Dingen nicht nur nicht verstanden als Beschreiter neuer Wege.

Walther wurde gar angefeindet für das, was er tat. Beispielsweise im Falle seiner Nähungen, seiner Stoff-Werke, die nun den großen Ausstellungsraum im Herzen der Grafiketage füllen. All das sei doch lediglich Kunsthandwerk, keine Kunst, schallte es ihm seinerzeit entgegen.

„Die Leute warfen mir Scharlatanerie vor“, erinnert er sich selbst. Dabei hatte das, was Walther mit all diesen seltsam anmutenden Arbeiten – sie gemahnen an Kissen, an Mäntel, an Roben, an aus Stoff gemachte Geometrie-Objekte – zeigen wollte, diesen alles entscheidenden tiefen Sinn: Sie rührten an der Quelle des Kunstbegriffs. Denn der Betrachter oder die Betrachterin sollten seine Objekte anfassen, sich davorstellen, hineinstellen, sie anlegen, sie berühren, Teil von ihnen werden. Durch diese Körperlichkeit, durch das Miteinbeziehen des Menschen, der vor dem Kunstwerk steht, wurde das Objekt zur Kunst. Werde es erst vollständig.

Chicago, San Diego, New York

Walther dachte Formen und Objekte neu. Radikal anders. Und all dieses radikal Andere plante er dezidiert im Voraus. Er entwarf Skizzen und Vorlagen. Zeichnete wie ein Verrückter. Was auch daran lag, dass er die Schrift als Leidenschaft entdeckte. Nicht im kalligrafischen Sinne. Das wäre tatsächlich Kunsthandwerk gewesen. Sondern im ästethischen Sinne. Er spielte auf Plakaten mit Buchstaben, mit Schrifttypen, mit Schriftfarben – zahlreiche Beispiele für diese beinahe obsessive Zugewandtheit zur Schrift sind nun in Morsbroich zu sehen als Skizzen, als Poster, als Bucheinbände, als Papiervorlagen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Wenn es darum ging, Ausstellungen zu planen, zeichnete er detaillierte Übersichts- und Lagepläne jener Räumlichkeiten, die er bespielen sollte. Bis hin zu Ausstellungen in Lissabon, San Diego, Chicago und nicht zuletzt im New Yorker Museum Of Modern Art, in das er gar als international noch unbekannter Künstler 1969 eingeladen wurde.

Flucht in den Big Apple

Überhaupt New York: Irgendwann siedelte er über in den Big Apple. Er flüchtete, weil er hierzulande kein Bein auf die Erde bekam. Und in den USA wurde Walther dann frei von jeglichen Ressentiments zu jenem Akteur, dem sie heutzutage beinahe überall – auch in der Heimatstadt Fulda, wo er einst nicht gut gelitten war – den Teppich ausrollen.

Besonders beeindruckend im Schloss ist letztendlich jene Arbeit, in der Walther sein Faible für Stofflichkeit mit dem für Schrift verknüpfte: „Das neue Alphabet“ – eine Darstellung aller Buchstaben mittels geometrischer Stoff-Objekte. Skizziert in den 90er Jahren, zeigte er dieses umfassende Werk später mehrfach – und setzte ein weiteres Ausrufezeichen intensiver Kunst, das bis heute strahlt und wirkt. Wer erfahren will, wie Kunst einst alles veränderte und bis heute maßgeblich seine kann, der kommt an einem Besuch der Grafiketage Morsbroichs in den kommenden Wochen nicht herum.

„Manifestationen – Grafische Entwürfe 1958-2021“ ist bis zum 29. August im Museum zu sehen. Öffnungszeiten sind dienstags bis sonntags sowie an Feiertagen von 11 bis 17 Uhr. Alle Informationen zur Ausstellung und vor allem zum Einlass vor dem Hintergrund der Corona-Regelungen gibt es Internet sowie telefonisch unter ☎ 0214/4 06 45 15.

www.museum-morsbroich.de

KStA abonnieren