Der Leverkusener Anwalt Guido Lenné macht Sportwetten-Anbietern das Geschäft wenigstens ein bisschen schwer – denn verzocktes Geld der Spieler ist oft gar nicht verloren.
Online-GlücksspielWie ein Leverkusener Anwalt Spielverluste zurückholt
Je komplizierter ein Gesetz ist, desto mehr potenzielle Lücken können versteckt sein. So ist es mit dem schwer durchschaubaren Glücksspielstaatsvertrag, der Städten, auch Leverkusen, eine Menge Probleme bereitet, wegen der viel zu vielen Wettannahmestellen und Wettbüros. Zunehmend setzt sich in der Branche ein allgemeiner Trend durch: Die Geschäfte laufen übers Internet.
Da setzt der Leverkusener Anwalt Guido Lenné an. Er kennt ein paar Hebel, wie man verlorenes Geld zurückholen kann. Spielschulden sollen zwar „Ehrenschulden“ sein, aber wenn die Anbieter im Netz illegale Spiele offerieren, was oft geschieht, kann Lenné die verlorenen Piepen zurückholen. 133.000 Euro habe er neulich von Tipico (offizieller Bundesliga-Sponsor) für einen Spieler zurückgeholt, schreibt der 42-jährige Lenné in seinem Anwalts-Newsletter. Ungefähr ab 5000 Euro Verlust lohne sich ein Verfahren.
Anwalt: Vor dem 1. Juli 2021 waren viele Online-Glücksspiele illegal
In Deutschland waren vor dem 1. Juli 2021 Online-Casino-Glücksspiele in fast allen Bundesländern juristisch zweifelhaft, sie wurden aber dennoch angeboten, oft illegal. Der jeweilige Standort des Spielers lässt sich ziemlich genau mit der IP, der Internet-Adresse seines Rechners, nachweisen.
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Gute Chancen haben Spieler, die mehr als 1000 Euro im Monat verdaddelt haben und der Anbieter im Netz die Kohle einfach so angenommen hat. Mehr als 1000 Euro dürfen nämlich nur Leute verspielen, die zuvor dem Spieleanbieter nachgewiesen haben, dass sie finanziell flüssig sind, zum Beispiel mit einem Verdienstnachweis. „Das tun die Anbieter aber oft nicht“, sagt Lenné, „damit kommen wir vor Gericht dann durch.“
Zocker, die in der offiziellen Sperrdatei stehen, weil sie sich als Süchtige dort selbst eingetragen haben oder weil verzweifelte Angehörige sie sperren ließen, dürfen eigentlich nicht spielen. Nicht selten lassen die Anbieter sie trotzdem daddeln, das ist allerdings ein Risiko – für den Anbieter. Denn sie sind in der Pflicht, die Identität des Spielers zu prüfen.
Das verlorene Geld dieser Kunden vor Gericht zurückzuholen, ist dann recht einfach. Die Sperrdateien müssen nach Auffassung Lennés übrigens auch Spielhallen beachten, was oft nicht geschieht. Deshalb hat Lenné auch Kunden aus der Offline-Welt. Nur sind da die Nachweise schwieriger – denn meist wird dort bar gezahlt.
Fast alle Anbieter von Online-Wetten sitzen in Malta
Fast alle Anbieter von Onlinewetten sitzen in Malta und dahin schickt Lenné auch seine Schriftsätze und die Rückforderungen für seine Mandanten. Weshalb sich Anbieter ausgerechnet in Malta ihre Briefkästen aufhängen, da hat auch Lenné keine eigenen Erkenntnisse, außer, was bekannte Recherchen ergeben haben. Stichworte sind: Steueroase und anonymisierte Geldflüsse und dass die Betreiber einfach an Lizenzen kommen.
Als europäischen Schurkenstaat will er die Insel nicht gleich bezeichnen. Er selbst hätte keine Bedenken, dorthin zu reisen, obwohl er die gut gehenden Geschäfte schon oft gestört hat. Er sagt: „Auch wir wissen nicht, wer hinter diesen Firmen steckt.“
Die Glücksspiel-Anbieter in Malta liefern selbst die Beweise
Die Beweise, welcher Spieler, wann, wie viel, wo verspielt hat, müssen die Wettanbieter übrigens selbst liefern. Die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verpflichtet die windigen Firmen auf Malta dazu, Spielern auf Antrag eigene Daten zu übermitteln. „Seltsamerweise halten sie sich daran und liefern die Daten zuverlässig, das hat uns in der Kanzlei sehr gewundert“, sagt Lenné.
Am komplizierten Glücksspielrecht hat maßgeblich die FDP als Lobby mitgewirkt, das sieht auch Lenné so, der in der Partei früher selbst engagiert war. Als Leverkusener Kreisvorsitzender hörte er 2011 auf, dann trat er ganz aus der Partei aus.
Dass die Wettbranche innerhalb weniger Jahre immer präsenter in den Medien geworden ist, können ältere Menschen beurteilen. Kaum ein Sportereignis im privaten Fernsehen kommt mehr ohne Werbung für Sportwetten aus, alle Ligen, besonders die Bundesligaclubs haben solche Sponsoren, Bayer 04 hat gleich zwei Premium-Werbepartner aus der zweifelhaften Branche: „Tipwin“ und den asiatischen Anbieter „Kaiyun.com“. Die Logos werden im Stadion offen gezeigt, gegen diese vermeintliche Normalität des Glücksspiels gibt es vielfältige Vorbehalte, aber kein Verein will auf das Geld verzichten.
„Schockierend“, sagt Lenné, „es sollte nicht selbstverständlich sein, um Geld zu spielen.“
In Leverkusen 384 Personen gesperrt
Das für die Spielersperrdatei zuständige Regierungspräsidium Darmstadt teilt auf Anfrage mit, dass in Leverkusen 384 Personen unter einer aktiven Sperre stehen. In Leichlingen sind es 30, in Burscheid 39. 2216 Kölner haben sich sperren lassen oder wurden von Angehörigen gesperrt (alle Zahlen Stand: 1. Juni 2023). Umgerechnet auf die Einwohnerzahl hat Leverkusen somit gegenüber Köln eine höhere Quote.