NRW-WahlDie FDP hat mit Christian Lindner beide Wahlziele erreicht

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Wahlgewinner in Düsseldorf: Christian Lindner feiert mit seinen Parteifreunden.

Wahlgewinner in Düsseldorf: Christian Lindner feiert mit seinen Parteifreunden.

Düsseldorf – Als der Spitzenkandidat den Raum betritt, wird der Jubel frenetisch. „Oh, wie ist das schön“, singen die FDP-Parteimitglieder bei der Wahlparty am Düsseldorfer Zollhafen. „Wer hätte diesen Abend im Herbst 2013 für möglich gehalten?“, ruft Christian Lindner von der Bühne. Man habe aus den eigenen Fehlern gelernt und womöglich das beste Ergebnis erzielt, das die Freidemokraten jemals in NRW erreicht haben. „Ein Ergebnis, das wir aus eigener Kraft erreicht haben.“

Die FDP hatte für die Wahl in Nordrhein-Westfalen ein klares Ziel: Die Partei wollte nicht nur zur Abwahl der rot-grünen Regierung beitragen, sondern drittstärkste Kraft im bevölkerungsreichsten Bundesland werden. Das sollte weiteren Schub für ein Bundestags-Comeback im September geben. „Mission erfüllt“, jubelt ein Parteimitglied. „Rot-Grün ist mit dem heutigen Tag Geschichte“, ergänzt Lindner: „Und das Ergebnis zeigt auch, die Menschen wollen ein Comeback der FDP im Bund.“

Lindner hat vor der Wahl an eine große Koalition geglaubt. Dann würden die Freien Demokraten eine starke Opposition „aus der Mitte des Parlaments“ anführen. Am Abend, als die Linke etwa eineinhalb Stunden nach Schließung der Wahllokale in den Hochrechnungen mit 4,9 Prozent erstmals unter fünf Prozent rutscht, wird es zwischenzeitig stiller auf der Wahlparty. „Wahnsinn, wenn wir das jetzt auch noch schaffen sollten“, sagt ein langjähriges Parteimitglied, Wenn es die Linke nicht in den Landtag schafft, wäre eine Regierungskoalition aus CDU und FDP möglich.

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FDP will sich nicht an eine Partei ketten

Spitzenkandidat Lindner jedoch lässt sich von den Werten nicht beeindrucken. Im TV-Studio zeigt er vorsorglich schon einmal Muskeln in Richtung CDU, falls es zu Verhandlungen kommen sollte. „Es könnte sein, dass es eine schwarz-gelbe Mehrheit gibt. Eine schwarz-gelbe Mehrheit heißt aber nicht, dass es eine schwarz-gelbe Regierung gibt.“ In den vergangenen Wochen habe die CDU mehr Wahlkampf gegen die FDP als gegen die SPD gemacht. „Ich nehme das aber sportlich“, sagte Lindner: „Wir sind aus eigener Kraft gewählt worden und entsprechend eigenständig gehen wir in die Wahlperiode.“

Schon in den Monaten vor der Wahl ist klar geworden: In NRW wollen sich die Freidemokraten nicht mehr unter allen Umständen an eine andere Partei ketten. Man habe gelernt aus den Fehlern der Regierungszeit im Bund zwischen 2009 und 2013, heißt es im Fraktionsvorstand. Nie mehr wolle man sich „mit einem feuchten Händedruck“ zufrieden geben und am Ende dann mit den eigenen Projekten auf der Strecke bleiben. Es müsse ein Paket geben, „das auch unsere Handschrift trägt“, hat Lindner mehrfach betont. „Es ist wichtig, dass wir mit unseren Programmanliegen deutlich sichtbar sind“, ergänzt ein anderer einflussreicher Freidemokrat. „Sonst könnten wir schnell wieder ruinieren, was wir uns in den vergangenen Jahren aufgebaut haben.“

Lindner will nur vier Monate in NRW bleiben

Fünf Jahre wird die Legislaturperiode dauern, Lindners Zeit im Land soll aber spätestens nach vier Monaten zu Ende sein. Dann nämlich möchte er mit seiner Partei wieder in den Bundestag einziehen und nach Berlin wechseln. Ein Kompetenzteam, ähnlich wie die CDU es gemacht hat, hat der 38-Jährige vor der Wahl nicht benannt. An Bewerbern für ein Ministeramt mangelt es jedoch nicht. Wirtschaftswissenschaftler Andreas Pinkwart könnte Finanzminister werden. Für die Wirtschaft stünde der Energiefachmann Andreas Reichel zur Verfügung. Und als mögliche Schulministerin wird die Kölnerin Yvonne Gebauer gehandelt.

Auch Lindners Vertrauter Joachim Stamp gilt als ministrabel. Der 46-jährige Bonner, Vize-Chef der Landtagsfraktion, hat sich zuletzt immer wieder zu Themen der Flüchtlings- und Sicherheitspolitik geäußert – den Schlüsselthemen der vergangenen eineinhalb Jahre. Er forderte das Verbot von Salafisten-Organisationen und im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Amri-Affäre attackierte er die rot-grüne Regierungskoalition, verlangte mehrfach den Rücktritt von Innenminister Ralf Jäger (SPD) und bezeichnete die „NRW-Sicherheitsarchitektur“ als „schrottreif“.

Wenn Lindner im Herbst vollends in die Bundespolitik wechselt, gilt Stamp in Nordrhein-Westfalen als sein Nachfolger in Fraktion und Partei. Bei den vergangenen drei Landtagswahlen wurde der 46-Jährige in seinem Wahlkreis Bonn II direkt gewählt, zuletzt mit 64,9 Prozent der Stimmen – was parteiübergreifend das beste Ereignis in den kreisfreien Städten von NRW war. Der promovierte Politikwissenschaftler und Vater zweier sechs und neun Jahre alter Töchter gilt als geduldig und verbindlich. Und als „kooperationsfähig“, wie auch Politiker anderer Parteien sagen.

Joachim Stamp hat sich bewiesen

Die anfänglichen Bedenken in der Fraktion, dass er womöglich zu kooperativ und nicht ausreichend konfliktbereit für den Posten als Nummer eins sein könnte, hat er nach seinem Wechsel vom Familien- und Jugendausschuss des Landtages in den Ausschuss Innere Sicherheit zerstreut. Stamp attackierte und Lindner ließ ihn machen. Und der Gedanke, dass der Bonner der Nachfolger an der Spitze werden könnte, verfestigte sich langsam.

Am Abend, als Stamp zum Feiern in den Zollhof kommt, betont er noch einmal die Schwerpunkte seiner Partei in NRW. Eine Unterrichtsgarantie für Schüler beispielsweise, zusätzlich einsetzbare Polizisten oder ein „Entfesselungsgesetz“ für den Wirtschaftsstandort. „Und wenn es für eine Regierungsbeteiligung nicht reichen sollte, machen wir das eben in der Opposition.“

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