Kalte KirchenSo wollen große Gemeinden in Wipperfürth und Lindlar Energie sparen

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St. Nikolaus Wipperfürth im Winter. (Archivbild) 

Wipperfürth/Lindlar – Gottesdienstbesucher müssen sich warm anziehen – und zwar wörtlich. Denn im kommenden Winter wollen die katholischen und evangelischen Gemeinden in Wipperfürth ihre Kirchen entweder gar nicht mehr heizen oder nur noch sehr eingeschränkt.  Der Grund für die Einsparungen: Zum einen die enorm gestiegenen Kosten für Gas und Strom, zum anderen als ein Zeichen für Klimaschutz und der Solidarität. Denn der Staat hat alle Bürgerinnen und Bürger angesichts der aktuellen Situation zum sparsamen Umgang mit Energie aufgerufen. Wir haben zusammengefasst, was in den einzelnen Gemeinden geplant ist.

Einsparpotenzial in Kirchen ist groß

Klar ist, das Potenzial ist groß: Nur 1 Grad weniger in den Kirchen spart zwischen 10 und 15 Prozent Energie ein, während es in Privathaushalten meist rund  6 Prozent sind. Die Zahl stammt von der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKIR) und basiert auf dem Mittelwert, dass Kirchen nur auf maximal 10 bis 15 Grad geheizt werden. Somit betrage die Differenz zwischen Innen- und Außentemperatur im Mittel auch nur rund 10 Grad. Daten dazu hat die EKIR durch ein Projekt gesammelt, bei dem gezielt die Einstellungen der Heizungsregelungen der Kirchen geprüft, angepasst und die Ergebnisse erfasst wurden. 

Das Erzbistum Köln ruft seine Gemeinden ebenfalls zum Energiesparen auf. Auf einer eigenen Internetseite finden sich Beispiele und Checklisten zum Thema – etwa für den  Verzicht auf das Heizen von Kirchen wie in Wipperfürth.

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Katholische Gemeinde Wipperfürth

Einen radikalen Schritt unternimmt die katholische Kirchengemeinde St. Nikolaus: Vom 1. November 2022 bis zum 31. März 2023 sollen sämtliche Kirchen gar nicht mehr beheizt werden. Die Gemeinde folgt damit den Empfehlungen des Erzbistums Köln, Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat sind einstimmig gefolgt. In Pfarrheimen soll es maximal 19 Grad warm sein, Warmwasser wird überall dort abgeschaltet, wo es überwiegend zum Händewaschen dient. Die Kirchen werden nachts nicht mehr beleuchtet oder angestrahlt. Die Kirchengemeinde bittet die Gläubigen um Verständnis für die Maßnahmen.

„Niedrige Temperaturen schaden dem Gebäude oder der Ausstattung der Orgel in der Regel nicht“, heißt es in den Empfehlungen des Erzbistums Köln. Die eingesparten Mittel sollten caritativ eingesetzt werden, rät Köln, zum Beispiel für einen Warmraum für bedürftige Personen. „Am Ende wird sich zeigen, ob und inwieweit Schäden in und an den Gebäuden entstehen“, sagt Stefan Barde, Kirchenmusiker der Gemeinde St. Nikolaus.

Evangelische Gemeinde Wipperfürth

Auch die evangelische Gemeinde in Wipperfürth will Energie sparen. In der Kirche am Markt liegen schon jetzt Fleecedecken aus, die die Gemeinde in der Corona-Pandemie angeschafft hat, als die Gemeinde ihre Gottesdienste so lange wie möglich draußen, vor der Kirche, feierte. Von November bis Ende Februar finden die Gottesdienste dann in der „Winterkirche“ statt, nämlich im Anbau der Kirche am Markt, der sich einfacher und mit viel geringerem Aufwand heizen lässt. Das Problem der Kirchenorgel stellt sich für die Gemeinde nicht, denn die alte Orgel wurde abgebaut, die neue „Entdeckerorgel“ soll erst im Frühjahr 2023 geliefert werden.

Auch im Evangelischen Kindergarten Sonnenkäfer soll die Temperatur ein klein wenig heruntergefahren werden. „Zum Glück handelt es sich um ein relativ neues und sparsames Gebäude mit einer Pelletheizung“, erklärt Pfarrerin Stephanie Eschbach. Ausgesprochen sparsam im Energieverbrauch ist auch das Evangelische Gemeindehaus an der Lüdenscheider Straße – wenn auch nicht ganz freiwillig. Das Untergeschoss wurde beim Hochwasser im Sommer 2021 überflutet, bis heute gibt es im Gemeindehaus noch keine funktionsfähige Heizung.

Evangelische Gemeinde Klaswipper

Die Gemeinde in Klaswipper orientiert sich an den sehr detaillierten „Handlungsempfehlungen der Evangelischen Kirche im Rheinland.“ Dort betont man, dass man jeden Kirchenbau individuell betrachten müsse und geht ausführlich auf viele technische Details ein. Die wichtigsten Empfehlungen lauten: „Hinterfragen Sie die bisherige Art, den Kirchenraum zu temperieren, reduzieren sie die Temperaturen dort soweit wie möglich, aber kontrollieren Sie auch regelmäßig die Luftfeuchtigkeit, um Schimmelbildung zu vermeiden.“ Konkrete Beschlüsse würden noch im Presbyterium beraten werden, sagt Pfarrer Thomas Ruffler

Katholischer Pfarrverband Lindlar

Die Empfehlungen des Erzbistums Köln gelten auch für die fünf katholischen Gemeinden im Pfarrverband Lindlar. Die örtlichen Gremien beraten derzeit die Einzelheiten. In einigen Kirchen werden weiter alle Gottesdienste gefeiert – dort bei reduzierter Heiz-Temperatur. Die Gottesdienste sollen, wenn nötig, leicht verkürzt werden, gegebenenfalls wird mehr gesungen. „In anderen Kirchdörfern verlagern wir die Messen in den nahe gelegenen Pfarrsaal oder das Jugendheim, in Schmitzhöhe gegebenenfalls aus der Kirche in die nebenliegende St.-Rochus-Kapelle“, sagt Pfarrer Martin Reimer. In Lindlar stehe auch die St.-Rochus-Kapelle in Kemmerich insbesondere für Kasualien bereit, also zum Beispiel für Taufen. Außergewöhnlich zahlreich besuchte Gottesdienste wie an Weihnachten sollen in den Kirchen stattfinden, bei reduzierter Heiz-Temperatur. „Mir ist wichtig, dass die Menschen weiterhin einen einladenden, schön gestalteten Gottesdienstraum erleben, wo sie sich wohlfühlen. Ich vor allem unseren Küstern dankbar, dass sie die Ersatz-Räume so liebevoll ausgestalten“, sagt Reimer.

Evangelische Gemeinde Lindlar

Um Energie zu sparen, wurden in der Jubilate-Kirche in Lindlar Anfang September die ersten Maßnahmen umgesetzt. Die Turmbeleuchtung ist abgeschaltet, die Heizungseinstellungen wurden überprüft. „Für die Jubilate-Kirche wird die Temperatur zurzeit langsam gesenkt, um Schäden durch eine übermäßige Luftfeuchtigkeit und Schimmelbildung zu verhindern“, erläutert Axel Juhl, der sich als Baukirchmeister der evangelischen Gemeinde Lindlar um alle Gebäudefragen kümmert. Weitergehende Maßnahmen würden zurzeit noch geprüft werden, falls erforderlich, werde das Presbyterium darüber entscheiden.

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