Mein Jahr in der Pflege„Die eigentlich Arbeit am Bewohner wird immer unwichtiger“

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Pflegerinnen in einem Altenwohnheim. Niemand ist so nah an den Patienten wie die Pflegekräfte vor Ort und in den Kliniken.

Pflegerinnen in einem Altenwohnheim. Niemand ist so nah an den Patienten wie die Pflegekräfte vor Ort und in den Kliniken.

Rhein-Berg – Eine ganz besondere Herausforderung war das Jahr 2021 für Pflegepersonal und Ärzteschaft. Wir haben sie gefragt, was ihre Freude und ihr Schrecken war, wie ihr persönliches Fazit ist und was sie sich für die Zukunft wünschen.

Iwona Kurzelnik arbeitet als Pflegehelferin im Haus An der Jüch der Evangelischen Altenpflege Bergisch Gladbach und ist schon sehr lange im Unternehmen.

Die Freude

Der alltägliche Umgang mit den glücklichen Bewohnern in meiner Obhut.

Der Schrecken

Nach so vielen Jahren in diesem Beruf schreckt einen so schnell nix mehr.

Das große Ganze

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Iwona Kurzelnik

Im Laufe meines Werdeganges konnte ich beobachten, beziehungsweise hab ich erlebt, dass die eigentlich Arbeit am Bewohner, im Vergleich zu den anfallenden Verwaltungs- oder Schreibarbeit, immer unwichtiger erscheint. Das find ich schade.

Was ich mir wünsche

Ich fände es schön, wenn die Arbeit an den Bewohnern wieder mehr Gewicht bekommt.

„Die Pflege ist der Motor im Gesundheitssystem“

Franceso Cardone ist Leiter der Intensiv- und Anästhesieabteilung am VPH in Bensberg. Er studiert zusätzlich derzeit Medizinökonomie und Management.

Die Freude

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Francesco Cardone

im letzten Jahr hat mir gemacht, zu sehen dass das Ganze durch einen starken Zusammenhalt getragen wird, das hat die Pflege immer schon ausgemacht und ich bin davon überzeugt, dass es weiter so sein wird, wenn man die Bedürfnisse der Pflegenden ernst nimmt.

Der Schrecken

Zu sehen, dass in der Öffentlichkeit jetzt erst registriert wird, welch wichtige Position unser Beruf in der Gesellschaft hat. Die Pflege ist der Motor im Gesundheitssystem, ohne Pflege steht dieses still. Dennoch reicht ein Motor alleine nicht aus, wir müssen weiter interdisziplinär arbeiten und denken, professionsübergreifend.

Was ich mir wünsche

Dass die Bedingungen in der Pflege dieser würdig werden, dass wir wieder mehr Personal vor Ort haben. Das geht aber nur, wenn die Bedingungen stimmen. Dienst am Menschen und an der Gesellschaft sollte mit Steuernachlass oder Ermäßigung honoriert werden, so hat der Mitarbeiter mehr und der Arbeitgeber wird nicht zusätzlich belastet, der Staat könnte sich das Geld über einen Soli 2.0 wiederholen.

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Renteneintritt ab 60 und zwar mit Bezügen auf Pensionsniveau. Ich bin mir sicher, das sind einige Punkte, die dazu führen, dass wir mehr Menschen in den Pflegeberuf bekommen und im Beruf behalten. Am Ende steht eine würdevolle Patientenbetreuung. Das ist doch das, was wir uns am Ende des Tages wünschen.

„Wir sind oft die einzigen Besucher“

Eine ganz besondere Herausforderung war das Jahr 2021 für Pflegepersonal und Ärzteschaft. Wir haben sie gefragt, was ihre Freude und ihr Schrecken war, wie ihr persönliches Fazit ist und was sie sich für die Zukunft wünschen.

Bianka Schäfer

Bianka Schäfer

Bianka Schäfer arbeitet in der Sozialstation der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und ist seit 2003 in der häuslichen Pflege tätig.

Die Freude

Mein schönstes Erlebnis war, als die Corona-Prämie an die Pflegekräfte ausbezahlt wurde. Das habe ich als Wertschätzung empfunden.

Der Schrecken

Meine schlimmste Erfahrung ist immer wieder, wenn Patienten bei den Entlassungen aus den Krankenhäusern allein gelassen werden und ohne Hilfsplanung nach Hause gehen. Angehörige müssen sich kümmern, finden keinen Pflegedienst, sind überfordert.

Das große Ganze

Trotz allem gewinnt die Pflege aufgrund der immer älter werdenden Gesellschaft an Bedeutung. Es ist ein sehr verantwortungsvoller Beruf und sehr abwechslungsreich. Wir sind oft auch die einzigen Vermittler zwischen Patient und Angehörigen und die einzigen Besucher am Tag.

Was ich mir wünsche

Bessere Arbeitsbedingungen, ich meine nicht nur finanziell. Mehr Anerkennung in der Gesellschaft (nur Klatschen reicht nicht) und Wahrnehmung der Komplexität des Pflegeberufs.

Rhein-Bergs Pflegekräfte schauen auf 2021 zurück

Kaum eine Berufsgruppe stand im zurückliegenden Jahr so im Fokus wie die Menschen, die in der Pflege arbeiten. Die Corona-Pandemie hat zahlreiche Probleme an die Oberfläche gespült, die schon lange schwelten, aber immer wieder unter den Tische gekehrt wurden. Den dramatischen Personalmangel zum Beispiel, der vielerlei Gründe hat, nicht nur die außerhalb der Tarife teils unbefriedigende Bezahlung.

Geschichten waren zu lesen von überforderten Pflegekräften am Rande des Zusammenbruchs, von heldenhaften Einsätzen an der Coronafront. Zwischen diesen beiden Extremen hat die Pflege viele Facetten. Wir haben Menschen gefragt, die in den Kliniken der Region beschäftigt sind, in der häuslichen Pflege oder in der Diakonie: Wie haben Sie das Jahr in der Pflege ganz persönlich erlebt? Ihre Antworten veröffentlichen wir regelmäßig in den nächsten Tagen.

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Ja, Corona war das große Thema, eine außergewöhnliche, anstrengende Herausforderung. Aber die Freude an ihrem Beruf haben unsere Gesprächspartner und -partnerinnen nicht verloren. Positiv erleben die meisten von ihnen eine wachsende Anerkennung der Gesellschaft – die gern noch ein bisschen nachhaltiger ausfallen darf. Denn wenn Corona irgendwann nicht mehr alles dominiert, wird ihre Unterstützung weiterhin gefragt sein in dieser Gesellschaft.

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