Rudelgucken in Rhein-BergZuschauer genießen das Gemeinschaftserlebnis

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Bis aufs Parkdeck standen Zuschauer beim Public-Viewing vor dem Bistro am Schloss in Bensberg.

Bis aufs Parkdeck standen Zuschauer beim Public-Viewing vor dem Bistro am Schloss in Bensberg.

Rhein-Berg – „Hey Kölle, do bess e Jeföhl“ tönt es durch die Bensberger Schloßstraße und fühlt sich überraschend ungewohnt an. Nicht weil die fünfte Jahreszeit längst vorbei ist, sondern weil die Musik live gespielt wird, vor Publikum, auf der Terrasse des „Bistro am Schloss“ – im Vorprogramm zur Live-Übertragung des ersten EM-Spiels der deutschen Fußballmannschaft.

Fußball? Manche Gäste sind allein schon wegen des musikalischen Vorprogramms gekommen oder um endlich mal wieder ein Kölsch mit Freunden im Biergarten zu trinken. Security am Eingang achtet streng darauf, dass die Gäste bis zu ihrem Sitzplatz Maske tragen. Die setzen den Mund-Nasen-Schutz auch brav beim Gang zur Toilette auf. Irgendwie läuft das schon fast automatisch ab. Niemand will über die Stränge schlagen. Einfach nur genießen. Vor der großen Leinwand, auf der in knapp zwei Stunden der Anstoß im Münchener Fußballstadion zu sehen sein wird, stehen die Flöckchen und singen. Singen vom „Schätzje“, von dem sie ein Foto haben möchten, von der Fiesta di Colonia“ und einfach nur „Sing, Jung, Sing“.

An den Karneval erinnert

„Herrlich“, schwärmt Hanno Pütz an einem der Biertische. Der Gladbacher Karnevalsprinz von 2019 fühlt sich an den Karneval erinnert, der in diesem Jahr weitgehend ausfallen musste. Nun sitzt er mit seiner Frau Diana, den Söhnen Jannik und Joshua, deren Kumpel und Freunden von der Großen Bensberger in der Sonne und genießt den Vorgeschmack auf eine hoffentlich „normalere“ nächste Session. Und tippt natürlich für das Fußballspiel, das in einer Stunde beginnt. Stimmt ja! 3 : 1 ist Hannos Prognose, seine Frau ist vorsichtiger: 1:1. Jannik tippt auf 2:1, sein Bruder auf 2:1. Recht wird am Ende des Abends niemand behalten. Aber das spielt jetzt keine Rolle.

Erster Auftritt nach Monaten: die Flöckchen Markus Kierdorf, Frank Müller und Uwe Kraus im EM-Vorprogramm.

Erster Auftritt nach Monaten: die Flöckchen Markus Kierdorf, Frank Müller und Uwe Kraus im EM-Vorprogramm.

„Den letzten Auftritt hatten wir im September in Eikamp“, erzählt Uwe Kraus in einer kurzen Pause, bevor Musikerkollege Frank Müller auf eine Bierbank steigt und loslegt: „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins . . .“

„Das macht Spaß. Selbst proben durften wir ja erst seit ein paar Wochen wieder“, sagt Uwe Kraus später, während Markus Kierdorf einfach nur genießt: „Wir können uns doch gar nicht beklagen. Wir haben ja noch andere Berufe und müssen nicht, wie viele Kollegen von unserer Musik leben.“ Die Stimmung auf Bensbergs Bistro-Terrassen oberhalb der Schloßstraße ist gut. Selbst als das deutsche Team 20 Minuten nach Anpfiff mit 0:1 hinten liegt. Gut, manche Schiedsrichter-Entscheidung wird mit kräftigen Missfallensäußerungen quittiert. Aber: „Ist das nicht schön? So viele Menschen wieder zusammen zu sehen!“, freut sich Prinz a.D. Hanno I. immer noch an dem Erlebnis des „Rudelguckens“.

Fortsetzung

Das musikalische Rahmenprogramm will Michael Tonschek vor Deutschland-Spiel-Übertragungen an seinem „Bistro am Schloss“ an der Bensberger Schlossstraße 61 fortsetzen, wie er ankündigt.

Und die Flöckchen, die zum Auftakt spielten, starten nun eine Biergartenkonzert-Tournee. Der nächste Auftritt am 25. Juni im Eikamper Hof ist bereits ausverkauft. Danach folgen laut Uwe Kraus Abende im El Greco in Heidkamp (2. Juli), im Landhaus Orbach bei Wipperfürth (3. Juli), im Hotel-Restaurant Lüdenbach in Overath (10. Juli), im Gronauer Wirtshaus in Gladbach (17. Juli), auf Gut Hungenbach in Kürten (22. August) sowie erneut am Gronauer Wirtshaus (19. August). Weitere Termine auf der Facebook-Seite der Flöckchen. (wg)

Dem haben sich zwischenzeitlich auch eine Reihe von Lokalpolitikern angeschlossen. Der Verkehrsausschuss im nahen Bensberger Ratssaal ist dafür extra pünktlich beendet worden. Von einem Stehtisch aus verfolgen Andreas Ebert (SPD) und Grünen-Bundestagskandidat Maik Außendorf das Geschehen auf der Leinwand bei einem Kaltgetränk.

Auch in Bergisch Gladbachs Stadtmitte überwiegt die Freude über das Zusammensein das mäßige Fußballerlebnis auf den Bildschirmen, die im Biergarten der Gaststätte Quirl’s neben der Gnadenkirche aufgestellt sind. Das Publikum hier ist noch jünger als am Bistro in Bensberg, und doch noch vorsichtiger.

Kein Anlass, einzuschreiten

Die Besatzungen von zwischenzeitlich drei Streifenwagen, die auf der Hauptstraße vor dem Biergarten mit Warnblinker halten haben jedenfalls keinerlei Anlass, einzuschreiten. Bei früheren internationalen Turnieren, hatte hier vor dem Hotspot nach manchem Deutschland-Spiel kurzfristig die Straße gesperrt werden müssen, weil sie von Feiernden verstopft waren. Heute gibt es nichts zu feiern. Zumindest kein Fußball-Ergebnis. Dafür aber umso mehr die Rückkehr eines weiteren Stücks vorpandemischer „Normalität“.

Glücklich scheinen selbst die Besucher, die sich nach dem Abpfiff auf den Heimweg machen. „Bis zum nächsten Mal“, grüßt einer den Polizeibeamten im Streifenwagen. Der lächelt. Bis zum nächsten Mal . . . Laut Polizeipressestelle blieb es ruhig.

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