Bergisch Gladbach – Die Angst kehrt zurück. In der Ukraine wird ein Krieg geführt, schreckliche Terroranschläge in europäischen Ländern machen Schlagzeilen. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz- und Katastrophenhilfe (BKK) attestiert der Republik, dass es hierzulande an der „hinreichenden Zivilschutzfähigkeit“ fehle. Im Sommer vergangenen Jahres rüstete Overath bei den lange vergessenen und maroden Sirenen nach. Bergisch Gladbach prüft, wie ein funktionierendes Sirenen-Warnsystem aussehen könnte. In Bayern wurde in manchen Gemeinden die Reaktivierung von Bunkern gefordert.
Bunker? Die gibt es auch in Bergisch Gladbach. Unter der Johannes- Gutenberg-Realschule wurde in den 60er-Jahren ein Hilfskrankenhaus für den Kriegs- und Katastrophenfall gebaut. Weitgehend ungenutzt liegen die Räume seit Jahrzehnten brach. Wenn über die Anlage berichtet wurde, dann auch mit Verwunderung: Haben die Menschen damals wirklich einen Krieg in Deutschland für möglichgehalten?
Weit entfernt von Angriffszielen
Haben sie. Ein Blick in die städtischen Akten aus der Bauzeit des Bunkers und der Realschule zeigt deutlich: Damals war die Angst vor einem Krieg real. Hilfskrankenhäuser sollten in Gebieten gebaut werden, „die schon im Frieden besonders dicht besiedelt sind, oder in denen im Notstandsfall mit einem beträchtlichen Zustrom von Flüchtlingen, Evakuierten oder Umquartierten gerechnet werden muss“. Sie sollten möglichst weit entfernt von möglichen Angriffszielen wie wichtigen Betrieben oder Brücken und Straßen liegen. So steht es in den allgemeinen Richtlinien, die vom Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz 1961 nach Bensberg verschickt wurden. In Bergisch Gladbach sind die Unterlagen nur noch im Stadtarchiv erhalten. Der Ernstfall, der Krieg, war ein ernstzunehmendes Szenario. Katastrophenschutz, das ist heute vor allem der Schutz vor Naturkatastrophen oder einem Flugzeugabsturz.
Minuziös, dicke Aktenbände füllend, waren im 20. Jahrhundert Anweisungen für den Ernstfall die Regel. In Bensberg standen für die Kommandozentrale direkt nach der Alarmierung zwei Funkenstreifwagen, 13 Krafträder, ein Motorroller und drei Mopeds zur Verfügung, außerdem sieben Gasmasken. Chef des Krisenstabs war von Amts wegen der Stadtdirektor. 40 Beamte waren ihm zugeteilt. Wer was zu erledigen hatte, war genau festgelegt. Und es wurde gewissenhaft geübt. Für das Bensberger Hilfskrankenhaus wurde gefordert, in „Friedenszeiten“ den „Grundwärmestand von plus zehn bis plus 14 Grad zu halten“.
Am 26. November 1970 wurde der Bunker in der Johann-Gutenberg-Realschule besichtigt. Vertreter der Stadt, des Kölner Regierungspräsidenten und des Gesundheitsministeriums schauten nach dem Rechten und sprachen auch über die Finanzierung. Der gesamte Komplex kostete rund sieben Millionen Mark,. Mit 854 000 Mark beteiligte sich der Bund an den Kosten. Das war eine kräftige Subventionierung des Schulgebäudes. Mit der Einlagerung von 200 Betten und der Ausstattung der Operationsräume inklusive technische Geräte sollte alsbald begonnen werden. Ebenfalls in Auftrag gegeben wurde der Einbau einer Notstromanlage.
Michael Welther ist heute der Hausmeister in der Realschule. Die riesigen Dieselmotoren zur Stromversorgung kennt er. Er hat sie noch nie in Betrieb gesehen. Aber ein Blick in die Tanks zeigt: Öl ist noch da. Welther ist überrascht: „Das hätte ich eigentlich nicht gedacht.“
Eigentlich gibt es diese Dieselmotoren gar nicht. Das ganze Hilfskrankenhaus gibt es eigentlich nicht mehr. Denn im Jahr 2007 hatte das Bundesinnenministerium beschlossen, deutschlandweit 2000 Bunker aufzugeben – darunter den in Bensberg. Die Stadt weiß seitdem nicht, was sie mit der Bunkeranlage anfangen soll. Also fiel das Gebäude in eine Dornröschenschlaf. Es gab Anfragen, ihn für Musikbands zu nutzen. Heute spielt auch keine Band mehr dort. Ein bisschen sieht es so aus, als warte das Gebäude auf seine Wiederentdeckung.