Rund 1,5 Millionen Euro ergaunerte sich der mutmaßliche Täter mit Corona-Sofort- und Fluthilfe. Kronzeugin des Prozesses war seine Tochter.
GerichtsurteilZehn Jahre Haft bekommt mutmaßlichen Rösrather Millionenbetrüger

Vor dem Landgericht Köln wurde der Fall verhandelt.
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Während die Bundesregierung versuchte, Unternehmen und Beschäftigte mit unbürokratischen Hilfsleistungen über eine bis dahin ungekannte Pandemie-Lage zu bringen, nutzte ein Rösrather dies schamlos aus, um sich selbst und seine Familie zu bereichern. Insgesamt knapp 1,5 Millionen Euro ergaunerte sich der Mann so mit unberechtigt eingestrichener Corona-Soforthilfe, November- und Dezemberhilfe, Überbrückungshilfe und Neustarthilfe. Als dann nach dem Starkregen vom Juli 2021 staatliche Hilfen für die durch Wassermassen Geschädigten aufgelegt worden waren, hatte der 58-Jährige auch hier gleich Betrugspotenzial erkannt und einen Flutschaden von rund einer Million Euro geltend gemacht und ausgezahlt bekommen.
Hierfür und für weitere Betrugstaten bekam der 58-Jährige am Mittwoch vor dem Kölner Landgericht die Quittung: Für insgesamt zehn Jahre muss der Mann nun ins Gefängnis. Das Gericht ordnete die Einziehung der rund 1,5 Millionen Euro an, von denen allein 972.000 Euro der NRW-Bank zustehen, die die Fluthilfen ausgezahlt hatte. Der Schuldspruch gegen den 58-Jährigen, der in Polen geboren und Anfang der 1980er Jahren als Spätaussiedler in die BRD gekommen war, erging nach 37 Verhandlungstagen wegen zehnfachen Subventionsbetrugs und siebenfachen Betrugs — wobei drei Taten im Versuchsstadium stecken geblieben waren. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, Revision kann eingelegt werden.
Der 58-Jährige involvierte auch seine Verlobte und seine Tochter
Schon seit Jahren hatte der Angeklagte — der mit einem Umsatzsteuerkarussell in Polen den Fiskus bereits um rund sieben Millionen Euro betrogen haben soll — ein Geflecht von Firmen und Gesellschaften aufgebaut, mit denen nie eine „reguläre geschäftliche Tätigkeit mit Wertschöpfung“ entfaltet wurde, wie der Vorsitzende Dr. Thomas Stollenwerk in der Urteilsbegründung sagte.
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Die damit durchgezogene Betrugsmasche war durchgängig ähnlich: Mit Hilfe dieser Firmen — formal meist von Bekannten und Verwandten, de facto aber von dem 58-Jährigen gelenkt — wurde eine „Papierlage mit Scheinrechnungen und Scheinverträgen“ erschaffen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit am Markt vortäuschten. Diese angeblichen „geschäftlichen Aktivitäten“ seien Grundlage für die Beantragung von staatlichen Hilfsleistungen gewesen. Dabei involvierte der 58-Jährige auch seine Verlobte und seine älteste, aus erster Ehe stammende und in Bergisch Gladbach lebende Tochter (24).
Familiäre Verstrickungen machten den Prozess emotional
Zudem wurde der 58-Jährige von einem Bekannten aus Görlitz, der dort einen Reiterhof besitzt und betreibt, bei den Betrugstaten unterstützt. Auf dem Reiterhof fand auch einer der spektakulärsten Betrugsversuche statt, als mit einem fingierten Radlader-Unfall sechs Millionen Euro Transportversicherung für angeblich mehrere Millionen Euro teures Cannflavin-Öl kassiert werden sollten: Angeblich war ein Mitarbeiter des Reiterhofs auf dem Bock des Radladers, der Betonplatten auf der Frontgabel geladen hatte, ohnmächtig geworden und in einen Kleinwagen gefahren, wobei Flaschen mit dem Öl angeblich zu Bruch gingen. Ein Unfallsachverständiger hatte aber per Unfallrekonstruktion nachweisen können, dass der Unfall nicht so passiert sein konnte, wie von dem Angeklagten und seinen Komplizen angegeben.
Selten war ein Wirtschaftsstrafverfahren aufgrund familiärer Verstrickungen so emotional, so voller Dramatik und Tragik, wie der Fall des Rösrathers. Denn Kronzeugin im Prozess war seine älteste Tochter, die den 58-Jährigen bereits im Ermittlungsverfahren massiv belastet hatte, nachdem sie selbst rund einen Monat in Untersuchungshaft gesessen hatte. Wegen ihrer Kooperation mit der Staatsanwaltschaft wurde sie von weiterer Haft verschont. An den ersten drei Verhandlungstagen hatte die 24-Jährige ihre Vorwürfe wiederholt, sie mit zahlreichen Chat-Protokollen und E-Mails untermauert und ihren Vater regelrecht vor den juristischen Bus gestoßen.
Bei weit über 2000 Verfahren der Staatsanwaltschaft Köln im Zusammenhang mit Corona-Subventionen und Fluthilfe ist heute die mit Abstand höchste Strafe verhängt worden
In ihrer Einlassung hatte die 24-Jährige ausgesagt, dass sie von ihrem Vater „getrieben und benutzt“ worden sei. Vorwürfen, sie zerstöre mit ihrer Aussage die Familie, war die 24-Jährige entgegengetreten: „Nicht ich habe die Familie zerstört, das hat bereits mein Vater durch seinen Umgang mit den Mitmenschen und durch die Anstiftung zu Straftaten getan.“ In einer abschließenden persönlichen Erklärung hatte die 24-Jährige mit ihrem Vater regelrecht Schluss gemacht: Der 58-Jährige sei zwar weiter ihr „biologischer Vater“, mehr aber auch nicht. Das Verfahren gegen die Tochter, die vom Verfahren ihres Vaters abgetrennt worden war, läuft derzeit noch. Die Verlobte, die der Vorsitzende als „Mitläuferin“ bezeichnete, wurde bereits zu zwei Jahren Bewährung verurteilt.
„Bei weit über 2000 Verfahren der Staatsanwaltschaft Köln im Zusammenhang mit Corona-Subventionen und Fluthilfe ist heute die mit Abstand höchste Strafe verhängt worden“, sagte Oberstaatsanwalt Lutz Niemann nach dem Urteil im Gespräch mit dieser Zeitung. Vermutlich handle es sich sogar um die höchste Strafe für einen Coronabetrüger bundesweit.

