Rund 400 Mitarbeiter verlieren ihren Job. Sie hängten in einer Abschiedsstunde ihre Helme symbolisch an den Nagel.
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Bergheim-Niederaußem – Am Sonntag um 12 Uhr drückte ein Mitarbeiter im Leitstand den roten Knopf. Er schaltete damit die 300-Megawatt-Blöcke E und F, intern Emil und Friedrich genannt, ab. Die mehr als 40 Jahre alten Stromerzeuger im Braunkohlenkraftwerk Niederaußem von RWE Power gingen damit in die Reserve, wie es mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie vereinbart ist.
„Emotionaler und bewegender Moment“
„Das war ein emotionaler und bewegender Moment“, beschrieb Kraftwerksleiter Michael Wagner den Moment. Die Blöcke werden vorerst in Reserve gehalten für eventuelle Stromengpässe und sind innerhalb von zehn Tagen wieder einsatzbereit. „Ihr habt einen super Job gemacht mit Herzblut und Kompetenz“, rief Wagner den Kraftwerkern in einer Abschiedsstunde vor dem Kraftwerk zu. Mehr als 1000 Kollegen aus Kraftwerken und Tagebauen der Region waren nach Niederaußem angereist. Wie Wagner errechnet hat, haben die beiden Blöcke seit ihrer Inbetriebnahme 1970 und 1971 rund 220 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt, „genug, um eine Stadt wie Köln 100 Jahre lang zu versorgen“.
Aus neun Blöcken besteht das Kraftwerk in Niederaußem, gestern wurden zwei davon stillgelegt.
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„Da gingen einige Tränchen verloren“, sagte Sascha Hermes, Betriebsratsvorsitzender im Kraftwerk. „Wir sind für die Energiewende, aber ohne uns wird es nicht gehen“. Dafür erntete er starken Applaus aus der Belegschaft. Scharf verurteilte er Gewalt im Hambacher Forst, auch gegen die Kollegen. „Das lehnen wir strikt ab.“
RWE-Braunkohlenvorstand Lars Kulik nahm es sportlich. „Emil und Friedrich gehen auf die Reservebank. Aber wer irgendwann einmal wieder eingewechselt werden will, muss sich fit halten.“ Dafür werden die Aggregate durch regelmäßige Probeläufe und Kontrollgänge als Konditionstraining frisch gehalten. Denn „zum alten Eisen gehörten die Generatoren noch nicht“. RWE erhält für die Bereitschaft eine Vergütung, die von den Stromkunden über die Netzentgelte bezahlt werden muss. „Aber verdienen werden wir daran nichts.“
Angesichts der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Diskussionen und der Demonstrationen im Hambacher Wald dankte Kulik „der Landesregierung und auch der SPD dafür, dass sie zu den Abmachungen stehen und klare Kante zeigen“. Schnelle Stilllegungen von Kraftwerken und den Hambacher Forst nannte er „Symbole. Aber Symbole produzieren keinen Strom“.
400 Menschen verlieren durch die Abschaltung ihren Job
Durch die Energiewende gingen zurzeit „1000 hochwertige Arbeitsplätze für immer verloren“. Überflüssig werden durch die Abschaltung 400 Jobs. Die betroffenen Mitarbeiter hängten ihre Helme in Reih und Glied an einem Zaun im Schatten der Kühltürme an den Nagel. Dem schlossen sich die hochrangigen Vertreter des Unternehmens und die angereisten regionalen Politiker an. „Natürlich gehen die Mitarbeiter sozialverträglich in den Ruhestand“, betonte Kulik.
Mehr als 1000 Mitarbeiter aus Kraftwerken und Tagebauen waren nach Niederaußem gekommen.
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„Das tut schon weh“, sagte ein Mitarbeiter, der 30 Jahre lang am Leitstand den Betrieb überwachte. „Ich habe schon ein paar Tränen vergossen.“ „Wir in der Braunkohle stehen zusammen“, sagte ein anderer trotzig.
In vier Jahren sollen Emil und Friedrich, endgültig stillgelegt werden.