Per Tieflader in die EifelMilchbar zieht ins Freilichtmuseum um

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Die als Milchbar bekannte einstige Brühler Gaststätte kommt ins Freilichtmuseum.

Die als Milchbar bekannte einstige Brühler Gaststätte kommt ins Freilichtmuseum.

Brühl – Die Tage der Milchbar sind gezählt. Jedenfalls an bisheriger Stelle. Doch die Geschichte der einstigen Gaststätte an der Carl-Schurz-Straße endet spektakulär. Mitte August wird das eingeschossige Gebäude aus den 50er-Jahren von einem gewaltigen Kran in Gänze auf einen Tieflader gehoben, ehe es die Fahrt gen Kommern antritt. Ganzteil-Translozierung nennen Fachleute diese Versetzung eines ganzen Hauses.

In der Eifel wird die seit zwei Jahren leerstehende Kneipe auf eine vorbereitete Bodenplatte gestellt, saniert und in ein bis zwei Jahren den Besuchern des Freilichtmuseums gezeigt.

Das Dach ist bereits abgebaut

Bevor der Transport starten kann, sind umfangreiche Arbeiten nötig. Das Dach des Baus wurde bereits abgebaut, „weil der Tieflader sonst nicht alle Brücken auf der Strecke unterqueren kann“, wie Museumsleiter Dr. Josef Mangold erklärt. Und auch das verbliebene Interieur muss andernorts gesichert werden.

Die Zwischenwände erhalten ein Holzkorsett für den Transport, der Tresen muss nicht eigens gesichert werden.

Die Zwischenwände erhalten ein Holzkorsett für den Transport, der Tresen muss nicht eigens gesichert werden.

Lediglich die alte Theke geht an vertrauter Stelle auf die Reise. „Der Tresen ist gut verankert“, sagt Tobias Rosenstengel. Der Vorarbeiter des vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) beauftragen Unternehmens Jako-Baudenkmalpflege kümmert sich mit einer Handvoll Kollegen um die Vorbereitungen des Transports.

Fachleute versehen Wände mit Holzkorsett

Die Wände des Gebäudes haben die Fachleute bereits großenteils mit einer Art Holzkorsett versehen, um Rissen im Mauerwerk vorzubeugen, wenn die Milchbar über die Straßen nach Kommern rollt. Rosenstengel wird dann aber bereits ein erstes Mal durchgeatmet haben.

Denn am meisten Kopfzerbrechen bereitet ihm die Frage, ob sich das 85 Tonnen schwere Gebäude beim Anheben durch den Kran wie erhofft von Fundament und Nachbarhaus löst. „Wenn die Milchbar erst einmal in der Luft schwebt, ist das Gröbste geschafft“, sagt er.

Abtransport erfolgt in der Nacht

Damit das möglich ist, werden Stahlträger unter die Bodenplatte geschoben. „Das muss man sich wie ein zweites Fundament vorstellen“, erläutert Mangold. Die heiße Phase beginnt, wenn es bereits dunkel ist. „Der Abtransport kann nur nachts erfolgen, wenn auf der Carl-Schurz-Straße keine Busse mehr fahren“, so der Museumsleiter.

Die Zwischenwände erhalten ein Holzkorsett für den Transport, der Tresen muss nicht eigens gesichert werden.

Die Zwischenwände erhalten ein Holzkorsett für den Transport, der Tresen muss nicht eigens gesichert werden.

Das Manöver birgt durchaus Tücken. „Die Straße ist sehr eng und wir arbeiten ohne Tageslicht. Das wird nicht einfach“, sagt Rosenstengel. Grundsätzliche Zweifel am Gelingen den Unterfangens hat er dennoch nicht.

Die Milchbar werde schon heil in Kommern ankommen, sagt er. Dort soll die Geschichte des Baus dann an neuer Stelle eine Fortsetzung finden.

Teil eines Marktplatzes im Freilichtmuseum

Die Mitte der 50er-Jahre errichtete Milchbar wird im Freilichtmuseum in Kommern als Teil eines Ensembles von Gebäuden namens „Marktplatz Rheinland“ die Zeit zwischen 1945 und 1990 erlebbar machen. Unter anderem sind dort bereits ein Fertighaus des Versandhändlers Quelle aus den 60er-Jahren und ein typischer Flachdachbungalow aus den 50er-Jahren zu sehen.

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Die einstige Brühler Gaststätte war nach ihrem Bau zunächst als Milchbar ein angesagter Treffpunkt für junge Leute. Es gab Eis, Milchshakes und Flaschenbier. Später besuchten vornehmlich Rocker und später Liebhaber von Rockmusik die Gaststätte, die über Jukebox und Billard-Zimmer verfügte. Letzteres war in einem Anbau untergebracht, der inzwischen abgetragen wurde und in Kommern nachgebaut werden soll. Der integrierte kleine Kiosk, der dem Straßenverkauf diente, soll in Zukunft bei Festen im Freilichtmuseum wieder öffnen.

Wie die künftige Einrichtung der Gaststätte genau aussehen wird, ist noch offen. Im Keller habe man noch eingelagerte Nierentische aus den Anfangsjahren gefunden und unter den Wandpanelen sei die originale Verkleidung zum Vorschein gekommen, teilte das Museum mit. Die Theke blieb ohnehin unverändert. Den Platz der Gaststätte an der Carl-Schurz-Straße wird künftig ein dreieinhalbgeschossiges Mehrfamilienhaus einnehmen. 

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