Ein ehemaliger Bühnenbildner erinnert sich an die besondere Kreativität, die in den 90er-Jahren im Phantasialand zu spüren war.
„Wir waren völlig frei“Kult-Attraktion im Phantasialand entstand ohne jeden Plan
Kaum ein anderer Freizeitpark befindet sich in einem so stetigen Wandel wie das Phantasialand. Das liegt zum einen an der vergleichsweise kleinen Betriebsfläche. Zum anderen aber wohl auch daran, dass der Freizeitpark in Brühl zugleich einer der ältesten Parks Europas ist.
Phantasialand bekam in den 90ern völlig neues Gesicht
Vor allem in den 1990er-Jahren wurde das Phantasialand nach neuen Maßstäben ausgebaut und ihm ein völlig neues Gesicht gegeben. Einer, der diese Entwicklung nicht nur hautnah miterlebt, sondern auch mit eigenen Händen mitgestaltet hat, ist Knut Nobiling.
Der heute 73-Jährige hat Mitte der 1980er-Jahre im Brühler Freizeitpark angeheuert. Auf Anraten einer Dozentin der Deutschen Angestellten Akademie, wo Nobiling sich damals weiterbilden ließ, schickte er eine Blindbewerbung an das Phantasialand.
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Was das Phantasialand war, davon hatte der junge Mann damals jedoch noch überhaupt keine Vorstellung. Nobiling war in den Westen gekommen, um Geld zu verdienen. In Berlin arbeitete er zuvor unter anderem im Palast der Republik als Theatermaler und Bühnenbildner. Von seiner Blindbewerbung habe er sich keine großen Hoffnungen gemacht, gesteht Nobiling im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Phantasialand-Gründer Schmidt persönlich führte Nobiling durch den Freizeitpark
Umso mehr überraschte ihn die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Richard Schmidt, einer der Gründer des Freizeitparks, empfing Knut Nobiling höchstpersönlich.
Den jungen Bewerber führte Schmidt einmal quer durch den Park, der damals zu großen Teilen noch aus einem Märchenpark bestand. „Könntest du hier hinten Deko machen?“, „Der Brunnen hier, die Marmorierung müsste neu gestrichen werden“, „Hier ist alles noch so leer, was könnten wir hier noch hinbauen?“, löcherte der Phantasialand-Chef Knut Nobiling mit Fragen und möglichen Aufgaben.
Nachdem Nobiling alle Fragen mit „ja“ oder „kein Problem“ beantworten konnte, beendete Richard Schmidt das Bewerbungsgespräch schließlich mit den Worten: „Kannst sofort anfangen.“
Erste Arbeiten im Phantasialand im Märchenwald
In den folgenden Wochen erhielt der neue Mitarbeiter Knut Nobiling erste kleine Aufträge von Richard Schmidt. Wohl auch, um ihn zu testen, mutmaßt der 73-Jährige heute. Meist ging es um Arbeiten im Zusammenhang mit Attraktionen aus dem Märchenwald.
„Und so fing das da damals an“, erinnert sich Nobiling im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Der Schmidt kam dann immer mal wieder bei mir vorbei, hat sich gefreut und mir einen Groschen zugesteckt. ‚Hier haste 'nen Groschen‘, hat er gesagt.“
Was das bedeutete, bekam der aufstrebende Phantasialand-Mitarbeiter dann später erst heraus. Das hieß, dass sein Lohn aufgestockt wurde. „Da war ich schon glücklich drüber. Das hat natürlich auch Motivation gemacht!“
Damals war Knut Nobiling noch ganz einfacher Dekorateur und Maler, arbeitete mit einem kleinen Team. Mehr als drei, vier Arbeiter seien sie nicht gewesen. Die Arbeiten wurden meist in einer Malerhalle und Deko-Werkstatt direkt auf dem Phantasialand-Gelände neben dem alten Haupteingang gemacht – oder eben an der jeweiligen Attraktion selbst.
Phantasialand: Das war das Prinzip unter Richard Schmidt
An den inzwischen verstorbenen Richard Schmidt denkt der heute 73-Jährige mit viel Sympathie und Respekt zurück. „Der Richard Schmidt, der war ein Typ, der wollte alles noch mit Hand machen“, schwärmt Nobiling gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ von den alten Zeiten. „Er wollte nichts großartig kaufen, möglichst alles selbst herstellen. Das war sein Prinzip.“
Der Phantasialand-Gründer habe eine unglaubliche Vorstellungskraft besessen. Künstlerisch sei er außergewöhnlich gewesen. „Wenn er eine Idee hatte, dann hatte er schon alles ganz genau im Kopf!“, erinnert sich Nobiling.
So begannen die Arbeiten an der Hollywood Tour im Phantasialand
Eines Tages, Knut Nobiling hatte sich bereits mit vielen Arbeiten bewährt und sich einen Namen im Phantasialand gemacht, nahm ihn Richard Schmidt mit in eine Halle auf dem Gelände des Freizeitparks. Es war eine riesige Halle, komplett leer zu diesem Zeitpunkt.
„Morgen fangen wir beide hier an“, soll Schmidt zu ihm gesagt haben. Danach sei er dann nämlich vier Wochen im Urlaub, da müsste Nobiling dann erst einmal allein zurechtkommen.
Der Phantasialand-Gründer habe dann mit einer vagen Handbewegung in die leere Halle gezeigt und gesagt: „Hier kommt 'ne Grotte lang, so 'ne richtig schöne Tropfsteinhöhle. Und hier stelle ich mir vor, dass hier die Gondeln vorfahren. Da kommt ein Wasserfall hin und wenn die Leute dann in den Gondeln auf den Wasserfall zufahren, klappt das Wasser so weg. Ich zeig' dir später, wie das funktioniert.“
Legendäre Kult-Attraktion im Phantasialand entstand ohne großen Plan
So in etwa muss man sich den Beginn zu den Arbeiten an der Hollywood Tour vorstellen. Der sogenannte Darkride war lange Zeit eine der beliebtesten Attraktionen im Phantasialand. Heute gehört er allerdings zu den geschlossenen Kult-Attraktionen des Freizeitparks in Brühl.
In den nächsten Wochen entstanden hier in der leeren Halle die Szenen zu Hollywood-Klassikern wie „Der weiße Hai“, „Tarantula“, „Frankenstein“, „20 Tausend Meilen unter dem Meer“ oder „Die Vögel“.
Die Grundlage dafür war allerdings das umfangreiche Grotten- und Höhlensystem, für das Knut Nobiling beauftragt wurde. Die Arbeiten seien vollkommen frei und intuitiv gewesen. Es habe keinen genauen Plan, keine Zeichnung oder Modell gegeben.
„Und ich hatte das noch nie gemacht!“, zeigt sich der 73-Jährige auch heute noch begeistert. Das Grundgerüst bestand aus etlichen zusammengeschweißten Moniereisen. In dieses Grundgerüst habe Nobiling dann einzelne Eisenstangen gehängt, mit Rabitz (einem Maschendraht mit Tonteilchen) umwickelt und in Beton getaucht. Das waren die Stalaktiten. „So wie die gekleckert sind, wurden die einfach aufgehängt.“
Die restlichen Gitter, also die Höhlenwände, wurden dann mit dem Schlauch einer Betonmaschine verspritzt. „So wie es war, das kleckerte einfach runter. Das sah toll aus! Wie echt!“ Und das sei praktisch die Grotte der Hollywood Tour gewesen. „Das war nur Beton, Eisen und Draht“, erinnert sich Nobiling.
Phantasialand: Verneigung vor dem Genie Richard Schmidts
Wer die Arbeiten von Knut Nobiling heute sieht, der begreift sofort, dass dieser Mann ein unglaubliches künstlerisches Gespür und immenses Können mit in den Freizeitpark gebracht haben muss. Entscheidend für das Phantasialand sei aber der kreative Einfluss von Richard Schmidt gewesen, ist sich Nobiling sicher.
„Bei Richard Schmidt hat man sich in keinster Weise unter Druck gesetzt gefühlt“, schwelgt der 73-Jährige im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ in Erinnerungen. „Im Gegenteil, du hattest sogar das Gefühl, du gehörst zu dieser Großfamilie im Phantasialand. Und wir machen das gemeinsam.“
Das habe ihn über die Jahre immer wieder unglaublich motiviert. Aber Schmidt sei auch so etwas wie sein Vorbild gewesen. „Also der Richard Schmidt, der hat das gelebt, das war sein Leben!“
Das unbedingte kreative Grundprinzip sei es damals gewesen, alles selber zu machen. Mit den eigenen Händen. Das habe es so auch nirgendwo sonst gegeben, das sei das Einzigartige am Phantasialand der 1990er-Jahre gewesen. Und dafür seien die Leute auch in den Freizeitpark nach Brühl gekommen, um genau diese Unikate, diese spielerische Schöpferkraft zu sehen.
Nobiling zum Phantasialand der 90er: „Alles andere ist bloß Kirmes“
„Alles andere ist bloß Kirmes“, bringt es Nobiling prägnant auf den Punkt. Tatsächlich gab es viele solcher Attraktionen auch auf Kirmessen zu sehen. Richard Schmidt habe allerdings genau diese Handarbeit, dieses künstlerische Element dafür eingesetzt, um sich von dieser Standardisierung auf der Kirmes abzusetzen.
Natürlich habe sich der Grundsatz „Alles selber machen“ nicht immer ausschöpfend durchgehalten. Achterbahnen wurden bei Firmen extern in Auftrag gegeben, wirft Nobiling ein. Doch ein gutes Beispiel sei etwa die Achterbahn Colorado in der ehemaligen Westernstadt Silver City im Phantasialand.
Die Schienen wurden geliefert, die Achterbahn und die Wagen auch, aber die Felsen im unteren Bereich, die hat Knut Nobiling noch selbst gebaut. Auch die Bäume am Rande von Colorado wollte Schmidt noch individuell gestaltet haben.
Auch Yeti, eine der kuriosen Attraktionen im Phantasialand, ist einst ganz nach dem Grundprinzip „so viel wie möglich selber machen“ entstanden. Die riesige bewegliche Puppe des Yeti wurde extern bei einer Firma in Auftrag gegeben. Aber die aufwendige Höhle, durch welche die Attraktion ihre eigentliche Atmosphäre und Strahlkraft bekam, die hat auch Knut Nobiling mit seinen eigenen Händen entworfen und erbaut.
Richard Schmidt sei bei diesen vielen Projekten immer mit dabei gewesen, habe sich immer eingebracht in den Schaffensprozess. Und dennoch habe man sich im Phantasialand in den 1990er-Jahren künstlerisch total entfalten können.
Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ verrät Knut Nobiling: „Also der Richard Schmidt, der war wie ein Vater für mich. Ich hab den auch so respektiert, als wäre er mein Vater. Und so hab ich ihn auch gesehen. Für mich war das ein Mensch, der einmalig war.“