Im SelbstversuchWindecker lehrt, wie Sensen funktioniert

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Autorin Sylvia Schmidt bei ersten Versuchen 

Windeck – Beim Leuscheider Bauernmarkt ist der Windecker Sensenlehrer Hartmut Winkels immer dabei. Er erzählt, dass er bald auf dem Archehof in Windeck-Kohlberg einen seiner Lehrgänge gibt. Perfekt, das kommt mir gelegen, ich mag die Sense schon sehr lange.

Ich kaufte mir schon vor 30 Jahren eine, ohne Ahnung von dem Gerät und seiner Handhabung zu haben. Meine Bemühungen, sie zu benutzen, könnte man eher als „Herumfuhrwerken“ denn als Sensen bezeichnen.

Vor etwa drei Jahren zeigte mir eine Freundin, die bei Hartmut Winkels einen Lehrgang gemacht und sich bei ihm eine Ausrüstung gekauft hatte, ihre neue Sense, hergestellt in Österreich.

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Im Wiegeschritt die Wiese mähen

Sie war auf ihre Körpergröße eingestellt. Ich, nur ein wenig größer als sie, nahm sie probeweise in die Hand, und mir war, als würde diese ungewohnt leichte Sense in mir Musik zum Klingen bringen. Seither begleitet mich die Vorstellung, wie ich im Wiegeschritt im gleichförmigen Rhythmus der Sense durchs hohe Gras tänzele.

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Sensenlehrer Helmut Winkels ist ein Multitalent. 

Nun zur Realität. Der Kurs ist mit neun Teilnehmern ausgebucht. Gastgeber Kalle Groß und Hartmut Winkels stellen sich zuerst vor. Tim, der jüngste Teilnehmer, ist 20 Jahre alt, studiert Biologie und ist aus Würzburg angereist. Er ist Fan von einheimischer Vielfalt.

Altes Handwerk macht keinen Lärm

Olivier Labrie, ein Kanadier aus Bergisch Gladbach, liebt altes Handwerk und ist deswegen hier. Andere haben den Lärm von Rasenmäher, Laubsauger, Freischneider und Co. satt, zu denen gehört auch Katja Hoffmann aus Siegen. Sie hat einen großen Garten. „Für mich ist das ein Ausgleich zum Beruf, ich habe viele Obstbäume und Beerensträucher, da ist es sinnvoller mit der Sense zu mähen.“

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Die Liebe zu altem Handwerk motiviert Olivier Labrie aus Kanada. 

Wichtig ist allen der ökologische Aspekt als Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt. „Manche Samen schlummern 80 Jahre in der Erde“, erzählt Winkels über die Überlebenskunst von Wiesenkräutern. Wenn man die Natur lässt, kommen nach und nach immer mehr Kräuter zurück.“

Für den Sensenbaum wird Maß genommen

Jeder bekommt einen ergonomisch geformten Sensenbaum mit Bohrlöchern, um die Griffe je nach Größe der Person passgenau anzubringen. Der untere Griff wird für die linke Hand auf Höhe des Drehpunktes der Hüfte eingestellt. Alle tasten an sich herum, um den Punkt zu finden. Auf den unteren Griff wird nach Montage der Ellbogen aufgelegt, um die ideale Entfernung für den zweiten Griff festzulegen.

Das Sensenblatt, scharf wie eine Rasierklinge, gibt es in unterschiedlichen Größen, je nachdem, was man mähen möchte. Winkels zeigt, wie eine Sense richtig getragen und abgelegt wird. Das ist die vermutlich wichtigste Lektion, will man sich nicht selbst oder andere gefährden.

Das Schärfen heißt hier „Wetzen“

Dann wird das Blatt angeschraubt und der Winkel zwischen Sensenbaum und -blatt eingestellt. Ich habe alle Hände voll zu tun, denn ich muss aufpassen, fotografieren und Notizen machen. Danach hantiere ich etwas planlos herum, bis die Sense sicher in meiner Hand liegt. Ich habe gehörigen Respekt. Jeder erhält einen Behälter (Kumpf) mit Wasser und einem Naturwetzstein. Der wird hinten an der Gürtelschlaufe befestigt. Am Sensenblatt üben wir das Wetzen (Schärfen), dann geht es auf die Wiese.

Winkels weist die Plätze zu, jeweils mit zwei Metern Abstand zum Nachbarn, damit sich niemand verletzt. Etwas mehr als schulterbreit stehend, den rechten Fuß leicht nach vorn, die Sense in der Hand, unternehmen wir die ersten Versuche. Schon bald hört man von mehreren: „Es geht ja ganz leicht!“

Dengeln ist wichtig

Der Lehrer amüsiert sich über diese ihm bekannte Reaktion und kommentiert sie genüsslich mit der alten Mäherweisheit: „Wer beim Dengeln schläft, wird beim Mähen wach.“ Das Dengeln ist die wichtigste Voraussetzung für körperschonendes, ermüdungsfreies Mähen mit der Sense. Dabei wird die Schneidkante (der Dengel) der Sense hauchdünn gehämmert.

Danach wird sie noch gewetzt, dann ist die Sense superscharf. Wie das geht und wie man eine Sense pflegt, lernen die Teilnehmer nach der Mittagspause, jetzt wird erstmal das richtige Mähen geübt. Der Lehrer schaut bei allen vorbei und gibt Tipps.

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Ich verlasse den Kurs, der nächste Termin ruft. Hartmut Winkels erkundigt sich nach meinem Hexenschuss, mit dem ich am Morgen angekrochen kam. Er hatte mir prophezeit, Sensen wäre dafür gut. Meine Schmerzen sind unverändert. Na ja, ich kann es noch nicht richtig. Am Nachmittag fällt mir plötzlich auf, dass die Schmerzen wie weggeblasen sind. Mein Entschluss steht: Ich muss öfter sensen.

Der Mann meiner mittlerweile verstorbenen Freundin hat mir nun ihre Sense geschenkt. Ich werde sie hüten wie einen Schatz und dabei tanzen.

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