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AusstellungWas Schlittenfahren mit Mobilität in Königswinter zu tun hat

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Eine Frau zeigt auf historische Fotos.

Die Kunsthistorikerin Katrin Heitmann – hier vor einigen Fotos zum Thema Straßenbau – hat die Ausstellung „Rasant durchs Siebengebirge“ kuratiert, die bis Anfang Mai 2026 im Siebengebirgsmuseum Königswinter zu sehen ist.

Die neue Sonderausstellung „Rasant durchs Siebengebirge“  ist jetzt im Siebengebirgsmuseum in Königswinter zu sehen.

Sie müssen mächtig geknattert haben, die Motorräder, die Anfang der 1920er Jahre auf einem 38 Kilometer langen Rundkurs durch Königswinter und Bad Honnef jagten. „Goldener Kranz vom Siebengebirge“ hieß das seinerzeit bekannte Bergrennen, das bei den Einwohnern in beiden Städten nicht nur auf Gegenliebe stieß. Bei Naturschützern auch nicht.

„Es war deutschlandweit eines der höchstdotierten Rennen“, sagte die Kunsthistorikerin Katrin Heitmann. Auf 1,5 Millionen Reichsmark belief sich das Preisgeld insgesamt, was heute rund 250.000 Euro entspricht. Ein historisches Motorrad AWD Delta (Baujahr 1922) und eine „Württembergia“ (Baujahr 1929), die zurzeit im Siebengebirgsmuseum stehen, geben einen Eindruck davon, mit welchen knatternden Zweirädern die Menschen bei vielen Rennen unterwegs waren, bei denen es oft auch um die Zuverlässigkeit der Maschinen ging.

Die Zahnradbahnen in Königswinter bewusst außen vor gelassen

„Rasant durchs Siebengebirge“ ist die neue Sonderausstellung im Siebengebirgsmuseum betitelt, die am Dienstagabend eröffnet und von der Kunsthistorikerin Katrin Heitmann kuratiert wurde. Die Schau trägt den Untertitel „Mobilität und Verkehr rund um den Drachenfels“. Ganz bewusst haben die Ausstellungsmacherinnen diesmal allerdings die Themen Zahnradbahnen (zum Petersberg und zum Drachenfels) sowie Dampfschifffahrt außen vor gelassen, erklärte Museumsleiterin Sigrid Lange.

Spannendes zu erzählen gibt es auch so genug, wie ein Rundgang durch die Ausstellung beweist, die etwa die Zeit von 1870 bis 1970 abdeckt. Dass ziemlich am Anfang ein historisches Foto aus dem Jahr 1953 zu sehen ist, auf dem Motorräder während eines Rennens im Schlamm zu versinken drohen und das den Titel „Flurschaden“ trägt, macht ein Stück weit einen roten Faden deutlich, der sich durch die Ausstellung zieht. Mit dem Verkehr und dessen Ausweitung waren immer auch Eingriffe in die Natur und die Dorfstrukturen verbunden.

Eine Frau zeigt auf die Darstellung eines Fabrikgebäudes.

Museumsleiterin Sigrid Lange vor einer Darstellung der Lemmerz-Werke.

Ganz am Ende der Ausstellung zeigt ein Foto aus dem Jahr um 1920 einen riesigen Krater, der durch den Steinbruch am Weilberg – damals nur einer von vielen – entstanden ist. Autos und Züge brauchten Schotter für Straßen und Bahntrassen, der unter anderem am Weilberg gewonnen wurde. Der Steinbruch zerstörte aber zugleich die Landschaft, wegen der viele Touristen – mit Auto, Bahn oder Omnibus – ins Siebengebirge kamen. Was wiederum mehr Straßen und Schienen nötig machte – „ein Teufelskreis“, sagte Katrin Heitmann.

Das war denn 1870 auch die Geburtsstunde des Verschönerungsvereins für das Siebengebirge (VVS), der bis heute für den Erhalt der Natur kämpft. Zur Mobilität im Siebengebirge zählen die Ausstellungsmacher neben dem Radfahren – Radwanderkarten mit Strecken- und Höhenprofil oder die Statuten eines Radvereins aus dem Jahr 1909 liegen in einer Vitrine – auch das Schlittenfahren.

Vor allem an der Rodelwiese am Löwenburg Hof fanden sich im Winter bei Schnee – wie heute – viele Rodler ein. Aber eigentlich sei im Siebengebirge alles als Piste genutzt worden, was Gefälle hatte, sagte Katrin Heitmann. Für die Winzer waren die Schlitten zudem ein Arbeitsgerät.

So brachten sie ihre Rahmhölzer, die sie für die Weinstöcke brauchten, mit dem Schlitten vom Berg ins Tal. Überliefert seien dabei „halsbrecherische Fahrten von Jugendlichen“, hat Katrin Heitmann recherchiert. Bus und Bahn kommen in der neuen Ausstellung ebenfalls zu Ehren. Zentraler Blickfang im mittleren Raum für die Wechselausstellungen ist der von Götz Berger konstruierte Nachbau einer Straßenbahnhaltestelle, die um 1930 in Höhe des damaligen Düsseldorfer Hofes an der Rheinallee stand.

Ein Schild mit Ortsbezeichnungen über Fotos von Straßenbahnen.

Die Bahnen in der Region nehmen breiten Raum in der Ausstellung ein.

An den Kleinbahnen – also auch an der Siebengebirgsbahn beziehungsweise der heutigen Stadtbahnlinie 66 – entstanden meist Wartehäuschen, wie der Nachbau von Götz Berger. Es bot Schutz vor Wind und Wetter, besaß eine Sitzbank und Aushänge mit dem Fahrplänen.

Mit dem Ausbau der rechtsrheinischen Bahnstrecke wurden laut Katrin Heitmann vorwiegend repräsentative Empfangsgebäude gebaut. Historische Fotos zeigen den Bahnhof Königswinter ebenso wie das 1870 gebaute, eindrucksvolle Bahnhofsgebäude in Rhöndorf, das in den 1960er Jahren dem Bau der Bundesstraße 42 zum Opfer fiel. Zur Erinnerung: Für rund 16 Millionen Euro soll der Haltepunkt Rhöndorf nächstes Jahr (wieder) modernisiert werden.

An den Lemmerz-Werken in Königswinter kam man nicht vorbei

Beim Thema Automobile kommt die Kunsthistorikerin natürlich nicht an den Lemmerz-Werken vorbei, in denen bis heute – inzwischen unter dem Namen Maxion Wheels – Stahlfelgen produziert werden. Eine Zeichnung des Werkes, das immer noch stadtbildprägend ist, scheint allerdings ein bisschen überdimensioniert zu sein, wie Sigrid Lange weiß. Katrin Heitmann nennt die Felgenfirma einen „Global Player“.

Omnibusse verbanden schon früher Berg und Tal im Siebengebirge. Zunächst übernahmen Postagenturen die Personenbeförderung mit. 1908 gründete sich in Aegidienberg eine Automobilgesellschaft, die im Linienbetrieb Fahrten zwischen Aegidienberg und Bad Honnef anbot. Kostenpunkt: 75 Pfennige. Es wurden mit Omnibussen auch Ausflugsfahrten beispielsweise zum Kölner Dom oder an die Mosel angeboten.

Was die Straßen angeht, die für Autos und Busse gebraucht werden, führten von der Bergregion lange nur einfache Karrenwege ins Tal. Erst in den 1860er Jahren ließ der Unternehmer Peter Mülhens (4711) eine Straße von Königswinter nach Ittenbach anlegen, die heutige Ferdinand-Mülhens-Straße (L 331). „Insbesondere der Straßenbau“, heißt es in der Ausstellung, „aber auch der damit verbundene Steinabbau verändern das Landschaftsbild massiv.“ Das habe immer wieder zu Protesten geführt.

Von der Fertigstellung der heutigen Bundesstraße 42 von Königswinter bis Oberkassel allerdings finden sich am Ende der Ausstellung auch Fotos, auf denen Menschen 1984 mit Plakaten das Projekt ausdrücklich begrüßten.