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Flut in KreuznaafAls die Versicherung zahlen sollte, kam das böse Erwachen

4 min
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Elke Völpert am Naafbach, der an ihr Grundstück grenzt. 

Lohmar – Als der Jahrestag nahte, kamen bei Elke Völpert die Bilder, die Ohnmachtsgefühle wieder hoch. An das Wasser, das im Erdgeschoss einen Meter hoch stand, an den Schlamm, die zerstörten Möbel und Erinnerungen. An ihr Huhn „Blacky“, das sie nicht retten konnte. An die Probleme mit der Versicherung, die nicht zahlen wollte.

Der 54-Jährigen kommen die Tränen. Ihr Mann Karl tröstet sie: „Zum Glück ist hier kein Mensch gestorben.“

Auf den Leseraufruf unserer Zeitung: „Wie schauen Sie auf die Flut vor einem Jahr zurück, was haben Sie erlebt?“ hatte sich das Paar aus dem Ortsteil Kreuznaaf gemeldet.

Alles zum Thema Hochwasser, Überschwemmung und Flut

Am Jahrestag flüchtete Elke Völpert aus ihrem Haus

Am Jahrestag flüchtete Elke Völpert zu einer Freundin, die auch Hühner hält: „Die Stunden waren ganz schlimm für mich.“ 14 ihrer Federtiere habe sie retten können, sie hockten, als das Wasser stieg, in den höher gelegenen Legekästen. „Wir haben sie zu Nachbarn gebracht.“ Nur die neugierige „Blacky“ wagte sich auf eine schwimmende Plastikschale, kippte um und ertrank.

Dass ihr Grundstück am Steinhauerhäuschen stark hochwassergefährdet ist, hätten sie gewusst, als sie das Areal zwischen Naafbach und bewaldetem Hang erwarben. Es gab schon Schmutzwasserpumpen in Erdlöchern, sie kauften eine sechste. Und ließen die Immobilie rundum versichern, so dachten sie zumindest.

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Die Überschwemmung hat Karl Völpert auf Video festgehalten.

Die Einfahrt ist abschüssig, das Grundstück liegt so tief wie kein anderes in der Sackgasse, beide Häuser haben keinen Keller. 2018 begann Karl Völpert, gelernter Stuckateur und Akkordputzer, erst das eine, dann das zweite Gebäude von Grund auf zu renovieren, das Fachwerkhaus ist Baujahr 1850, Anbau und Nachbarhaus 1973.

2020 war alles fertig. Und dann kam in der Nacht zum 15. Juli 2021 der Starkregen, der den schmalen Naafbach zu einem reißenden Gewässer machte.

Die Wassermassen drückten in die Garagen, die Häuser

„Das Wasser stieg innerhalb weniger Minuten um einen halben Meter“, schildert der 53-Jährige, der nach sieben Bandscheibenvorfällen eine Erwerbsminderungsrente bezieht.

Werkzeug, Kleinmöbel, Motorradzubehör, alles schwamm. Die Sandsäcke waren überflutet. Die Massen drückten in den Carport, die Garagen, die Häuser. In Waschmaschinen und Trockner, die Sockel boten keinen Schutz. Schränke kippten um. Erbstücke von Mutter, Großmutter, Großtante – alles zerstört. Die Gasheizung kaputt. Der Strom ausgefallen.

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Der Naafbach stieg innerhalb von Minuten und überschwemmte das Grundstück.

Danach das große Putzen und Aufräumen, in großen Zinkbadewannen spülten sie den Hausrat und desinfizierten Teller, Tassen, Töpfe. Fast alles aus dem Erdgeschoss landete im Container und im Sperrmüll. „Wir wussten nicht wohin damit, im ersten Stock sind nur 40 Quadratmeter Platz.“ Karl Völpert installierte später unter dem Carport eine Behelfsküche.

Der erste Gutachter kam nach zwei Monaten

Der Sohn und die schwangere Schwiegertochter bewohnen das zweite Haus, auch dort: alles kaputt. Sie kamen bei Freunden unter. Erst nach zwei Monaten klopfte der erste Gutachter an, geschickt von der Versicherung, einige Wochen später ein zweiter.

Da hatte der Handwerker schon klar Schiff gemacht, die Wände und Böden trocken gelegt, zum Teil entfernt und wieder aufgebaut. Nach drei Wochen gab es wieder Strom, nach vier Wochen lief die neue Heizung. Viel Arbeit, viele Kosten. „Gut, dass wir versichert sind, haben wir gedacht“, sagt Elke Völpert, aufgrund einer psychischen Erkrankung ebenfalls in Frührente.

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Dann das böse Erwachen. Irgendwo habe angeblich ein Häkchen gefehlt im Vertrag, von der ohnehin nicht ausreichenden Versicherungssumme sei noch die Mehrwertsteuer und der Eigenanteil abgezogen worden. Sie gingen auf den Vergleichsvorschlag ein: Gezahlt wurde die Hälfte, das aber recht schnell. „Da war dann auch die Heizung mit drin, was aber anders abgesprochen worden war“, empört sich Karl Völpert. Der Vorgang liege beim Rechtsanwalt.

Nicht nur das, was sie verloren haben, erinnert an das Unglück. Auch das, was ihnen geschenkt wurde: Bett, Schränke, Elektrogeräte, Sachen für die Hunde und Katzen, vermittelt über den Verein „Lohmar hilft“, wo sich Julia Reinsch rührend um sie gekümmert habe.

Bürgermeisterin dankt den Einsatzkräften

In einer Videoansprache erinnert Bürgermeisterin Claudia Wieja an das verheerende Ereignis im vergangenen Jahr. Sie dankt den Einsatzkräften, die tagelang im Kampf gegen die Wassermassen im Einsatz waren, und auch der Bevölkerung für die „großartige Hilfs- und Spendenbereitschaft in dieser besonderen Notsituation“. Die Stadt hatte damals an jeden Betroffenen 300 Euro Soforthilfe ausgezahlt. (coh)

Die Küchenmöbel stehen jetzt auf Stahlbeinen, den Versicherungsschutz haben sie aufgestockt, bei jedem stärkeren Regen riefen besorgte Verwandte und Bekannte an, schildert er. Seine Frau beteuert, keine Angst zu haben vor einem erneuten Hochwasser: „Alles, was mir lieb war, ist ja weg.“

Sie informiere aber die Behörden über verstopfte Durchlässe und zu viel Bewuchs am Naafbach. Und beuge selbst vor: „Ich reinige alle vier Wochen die Rinne vorm Haus und die beiden Gullis. Auch wenn die Leute mich für verrückt halten.“