„Es ist unfassbar“Schutzmasken für Praxis hingen wegen Steuer-Formalie tagelang fest

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Endlich angekommen: Michael Nostadt musste tagelang auf die Lieferung warten.

  • Die Praxis von Michael Nostadt mit sechs Ärzten in Sankt Augustin war bereits seit einer Woche faktisch geschlossen - weil es keine Schutzmasken mehr gab.
  • Auf das dringend benötigte Material warteten die Ärzte vergeblich. Die Praxis hatte sich die Masken auf Eigeninitiative aus China besorgt. Anschließend musste sie auch noch eine horrende Einfuhrsteuer entrichten.

Sankt Augustin/Köln – „Es ist unfassbar, ich konnte es kaum glauben“, sagt Michael Nostadt, Geschäftsführer eines Medizinischen Versorgungszentrum in Sankt Augustin. Schutzmasken, die er durch Eigeninitiative über private Quellen in China für seine Praxis organisiert hatte, hingen am Freitag vergangener Woche im Zoll fest.

Ausgeliefert würden sie nur, wenn zuvor 889,88 Euro „Import Fee“ bezahlt würden, hieß es. Die Importkosten setzen sich in erster Linie aus Einfuhrsteuern sowie einer geringen Maklergebühr von 21,60 Euro zusammen. Außerdem wurde die Auslieferung vom Paketdienst verzögert , weil eine bei Einfuhren übliche EORI-Nummer fehlte. „Economic Operators' Registration and Identification“ – diese Nummer dient der Identifizierung von Wirtschaftsbeteiligten und soll die Zollabfertigung erleichtern.

Menschen, die Engagement zeigen, werden ausgebremst“

„Die sollte ich in Dresden beantragen, was meinen Recherchen zufolge bis zu drei Wochen gedauert hätte“, berichtet Nostadt, dessen Empörung auch Tage später noch zu spüren ist. „Menschen, die Engagement zeigen, um die Notlage etwas zu lindern, werden so ausgebremst und komplett demotiviert.“ Nach etwa einem Dutzend verzweifelter Telefonate und einem Arbeitstag Zeitverlust habe eine Mitarbeiterin des Paketdienstes dann zumindest zugesagt, sie könne die Sendung ohne EORI-Nummer freigeben.

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Die MVZ-Praxis mit sechs Ärzten aus den Bereichen Kardiologie, Gastroenterologie und allgemeine Innere Medizin war am Freitag bereits seit einer Woche faktisch geschlossen, weil es keine Schutzmasken mehr gab. „So konnten wir unsere Patienten und Mitarbeiter nicht mehr schützen“, sagt Nostadt. Lediglich Telefonberatungen fanden noch statt und Rezepte wurden ausgegeben. Magen- und Darmspiegelungen beispielsweise, Haupttätigkeit der Praxis, konnten aus Sicherheitsgründen nicht mehr stattfinden.

Doch Nostadts Ehefrau hat private Kontakte nach China. Tagelang wurde telefoniert und recherchiert. Und tatsächlich: 2000 Masken zum Preis von 2400 Euro konnten bestellt und verschickt werden. In fünf Lieferungen wurde der privat organisierte Import unterteilt. Und als dann am Freitag vergangener Woche das erste Paket ausgeliefert werden sollte, wurde die Praxis über die Einfuhrkosten informiert, die zuvor zu entrichten seien.

Abfertigung medizinischer Schutzausrüstung hat auch am Flughafen Köln/Bonn „höchste Priorität“

„Da muss man sich beherrschen, um nicht aus der Haut zu fahren“, sagt der MVZ-Geschäftsführer. Er könne nicht verstehen, dass die Pakete nicht sofort weitergeleitet werden. Ob weitere Zahlungen nötig seien, könne im Zweifel doch später noch geklärt werden.

Wie es zu den Verzögerungen kam, könne er nicht sagen, sagte ein Sprecher der Generalzolldirektion Bonn auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger. Am Zoll jedenfalls habe es nicht gelegen. Wie bei allen deutschen Zollämtern habe die Abfertigung medizinischer Schutzausrüstung derzeit auch am Flughafen Köln/Bonn „höchste Priorität“. Deshalb habe das Zollamt sämtliche Pakete mit Schutzmaterialien noch am Tag der Zollanmeldung ohne ergänzende Formalitäten wie der EORI-Nummer unverzüglich abgefertigt und freigegeben. Möglich sei das auch, weil die Bundesregierung am 19. März die Einfuhrbestimmungen gelockert habe. Bis dahin durften nur Organisationen der Wohlfahrtspflege und des Katastrophenschutzes abgabenfrei Hilfsgüter einführen. Jetzt ist das auch Privatpersonen, Wirtschaftsunternehmen und staatlichen Organisationen erlaubt, die für die Bekämpfung der Pandemie wichtig sind.

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Trotz dieser Lockerungen sei auch „bei flexibler Auslegung der geltenden Rechtsgrundlagen ein Mindestmaß an Zollabfertigung erforderlich“, so der Sprecher. Jede Ware aus einem Nicht-EU-Land müsse selbst in der Corona-Krise beim Zoll angemeldet werden. „Das ist auch durchaus sinnvoll. Wir müssen verhindern, dass Schutzausrüstung ins Land gelangt, die für den Einsatz im Gesundheitswesen ungeeignet ist und die Menschen nicht wirksam schützen kann“, so der Sprecher.

Kein Ermessensspielraum für Einfuhrabgaben

Auf die Einfuhrabgabe, im Falle des Medizinischen Versorgungszentrums in Sankt Augustin 889,88 Euro, gebe es keinen Ermessensspielraum. „Zölle werden EU-weit einheitlich erhoben und fließen in den EU-Haushalt nach Brüssel. Das ist in allen Mitgliedsstaaten gleich“, so der Sprecher. Ausnahme gebe es nur für Sendungen zum Beispiel an anerkannte Institutionen der Wohlfahrtspflege, die Waren unentgeltlich an Krankenhäuser verteilen. Damit solle verhindert werden, dass mit der Schutzausrüstung kommerziell gehandelt wird.“ 

Die Annahme, dass Kliniken oder Praxen die Schutzkleidung teurer weiterverkaufen wollen, sei „abenteuerlich und frech“, sagt der Mediziner Nostadt. „Da zweifelt man am gesunden Menschenverstand.“ Es sei „ein Unding“, dass diese Kosten für das Gesundheitswesen erhoben werden. „Durch diese Zahlungen wird man sozusagen noch bestraft, weil man die Versäumnisse der Politik bei der Vorsorge für die Corona-Pandemie ausbügeln will. Das sollte sofort geändert werden.“ Bis Dienstag waren vier der fünf bestellten Pakete bei ihm angekommen. Die Einfuhrgebühr hat Michael Nostadt bezahlt. 

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