Ein Jahr nach GroßbrandDie Bilder bleiben im Kopf – Wiederaufbau in Siegburg

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Der Brückbergbrand vor einem Jahr (Archivbild)

  • Vor einem Jahr brannten sieben Häuser in Siegburg, 21 Menschen verloren ihr Obdach, 32 wurden verletzt.
  • Jetzt weckt die Dürre bei vielen Erinnerungen an den Großbrand – und Sorge vor einem erneuten Unglück.
  • Trotzdem: Der Wiederaufbau der zerstörten Häuser macht Fortschritte. Wir haben vor Ort mit Anwohnern gesprochen.

Siegburg – Der Bauzaun steht noch dort, an der Brücke über die Bahn, seit genau einem Jahr. Er ist zum Mahnmal eines Ereignisses geworden, das die Kreisstadt am 7. August 2018 mit einer Wucht traf, die sich zuvor kaum jemand vorstellen konnte. Mit einem Böschungsbrand an der ICE-Strecke begann es. Und es endete in einem verheerenden Großbrand auf dem Brückberg. 32 Menschen wurden verletzt, 21 Menschen obdachlos, sieben Häuser weitgehend zerstört. „Das war eine Katastrophe, die hat mich getroffen bis ins Mark“, erinnert sich Bürgermeister Franz Huhn, „zum ersten Mal habe ich da so etwas wie eine Kriegssituation selber gesehen.“

Es war der heißeste Tag des langen Sommers, knapp unter 40 Grad. Der Boden war aufgeheizt, der Wind wehte auf die Böschung des Troges, in dem die Schienen verlaufen.

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Die Flammen erfassten insgesamt sieben Häuser, die weitgehend zerstört wurden. Der Wiederaufbau macht deutliche Fortschritte. 

Jörg Grabowski, der eine Firma für Fahrzeugpflege an der Brücke hat, war gerade zurückgekehrt von einer Waschstraße. „Da kamen Nachbarn rüber und sagten, bei dir muss es irgendwo brennen.“ Tatsächlich entdeckte Grabowski ein Feuer auf der gegenüberliegenden Seite der Zugstrecke und alarmierte um 14.31 Uhr die Feuerwehr.

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Schutzzaun gegen Gaffer

Die Flammen breiteten sich aus. Noch fuhren Züge, nach der Durchfahrt einer schnellen Bahn sprang das Feuer auf die Brückberg-Seite über. „Die Schnelligkeit und die Größe des Feuers, das sind Bilder, die hast du im Kopf “, sagt Grabowski. Er handelte intuitiv, brachte Autos weg, holte Eimer mit Wasser und einen Gartenschlauch zum Löschen. „Du handelst einfach, ob das Sinn macht oder nicht. Aber das stellst du erst mit Abstand fest, das hat Wochen gedauert.“

Norbert Bärhausen (l.) und Jörg Grabowski (M.) diskutieren mit Bürgermeister Franz Huhn über Gespräche mit der Deutschen Bahn. 

Norbert Bärhausen (l.) und Jörg Grabowski (M.) diskutieren mit Bürgermeister Franz Huhn über Gespräche mit der Deutschen Bahn. 

Sein Nachbar Norbert Bärhausen hatte Urlaub. Mit seiner Frau wollte er ein Mittagsschläfchen halten, sie schaute noch kurz nach der Wäsche. „Da schlugen die Flammen bereits sechs bis acht Meter hoch an unserem Gartenzaun“, sagt der Mann, der sich in den Tagen nach dem Großbrand für seine Nachbarschaft engagierte.

Menschenrettung hatte oberste Priorität

Das brachte ihm den Ehrentitel „Bürgermeister vom Urnenfeld“, also jener Straße, wo die Flammen besonders schwer wüteten. Er war es auch, der für den Schutzzaun gegen Gaffer und Plünderer sorgte. Mit seiner Frau verließ er sofort das Haus, beide kamen bei Nachbarn unter. Grabowski hielt mit Wasser aus dem Gartenschlauch auf den Brand.

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Die Flammen erfassten insgesamt sieben Häuser, die weitgehend zerstört wurden. Der Wiederaufbau macht deutliche Fortschritte. 

Um 14.38 Uhr traf Torsten Becker ein, der Einsatzleiter der Feuerwehr. Zu diesem Zeitpunkt war der Teleskopmast noch bei einem Großbrand in einer Turnhalle in Hennef im Einsatz. Becker erkannte den Ernst der Situation und ließ weitere Einheiten nachalarmieren. Menschenrettung hatte oberste Priorität. Eine Feuerwalze rollte über ihn hinweg, als er die Bewohner warnen wollte. Insgesamt 550 Einsatzkräfte löschten schließlich bis in die Nacht hinein.

30 Brandherde bei Großbrand in Siegburg

Die dramatischen Rückmeldungen von Becker hörte auch Kreisbrandmeister Dirk Engstenberg, der gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt war. Direkt machte er sich auf den Weg nach Siegburg. „So etwas habe ich noch nie gesehen“, resümiert er.

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Die Flammen erfassten insgesamt sieben Häuser, die weitgehend zerstört wurden. Der Wiederaufbau macht deutliche Fortschritte. 

„Die nachrückenden Kräfte sollten selbst erkunden, nicht auf Anweisungen des Einsatzleiters warten. Diesen Einsatzbefehl möchte ich nie wieder geben müssen. Erst mussten Menschenleben gerettet und dann die Brände bekämpft werden.“ Etwa 30 Brandherde gab es, wie der stellvertretende Leiter der Siegburger Feuerwehr, Stadtbrandinspektor Georg Burmann, später erzählte.

Hitze bringt Erinnerungen zurück

Der Polizeireporter dieser Zeitung traf nach seinem Einsatz in Hennef um 14.55 Uhr in Siegburg ein. Sengende Hitze schlug ihm von den Gleisen entgegen. Das Feuer züngelte auch schon an mehreren Häusern. Aus dem Rauch tauchten Bewohner auf, die sich in Sicherheit brachten. Am Hohlweg stand Christian Losenski in seinem Garten. Sekunden später loderte das Feuer an den Büschen, standen kurz darauf Baumkronen in Flammen. Heiße Rußflocken fielen herab. Menschen lagen in weiter zurückliegenden Einfahrten, husteten, waren völlig erschöpft.

Christian Losenski hat ebenfalls Schadensersatzansprüche.

Christian Losenski hat ebenfalls Schadensersatzansprüche.

Losenski steht ein Jahr später wieder in seinem Garten. Bei den Rodungsarbeiten sind Stämme auf seinen Räucherofen gefallen, der schwer beschädigt wurde. Auf eine Regulierung des Schadens wartet „De Jong mit dem Gartenbau“, wie er sich selbst nennt, immer noch. „Als es vor ein paar Tagen so heiß war wie vor einem Jahr, haben wir natürlich sofort wieder an den Großbrand gedacht“, erzählt Bärhausen.

Keine konkreten Äußerungen der Bahn zu Hangsicherung

„Mich holt das aber nicht so ein, mich ärgert der Ist-Zustand.“ Denn noch immer sei nicht geklärt, wie es mit der Hangsicherung an der Bahnstrecke weitergehe. „Nach meinem Kenntnisstand gibt es keine konkrete Aussage der Bahn. Das finde ich unbefriedigend.“ Er wünscht sich, dass sich ein Verantwortlicher des Unternehmens mit den Anwohnern und Vertretern der Stadt trifft und erklärt, was am Hang passiert.

Bürgermeister Huhn kommt zufällig vorbei, will sich die Einsatzstelle anschauen, bevor er am Mittwoch im Fernsehen zum Brückberg-Brand vor einem Jahr befragt wird. „Da sind wir mit der Bahn in der Diskussion und werden anwaltlich beraten. Wir haben jetzt einen Termin am 15. August gesetzt.“

800.000 Euro einvernehmlich verteilt

Das ist eine Aussage, auf die Bärhausen gewartet hat. Und sie lässt ihn den heutigen Tag etwas beruhigter angehen. Huhn lobt indes die Brückberger, insbesondere jene vom Urnenfeld: „Was die Menschen hier angepackt haben, ist große Klasse.“ Er habe Hochachtung vor den Anwohnern, die die Ärmel hochgekrempelt und alles mutig wieder aufgebaut hätten. Sechs von sieben Häusern sind fertig. Nicht alle sind schon komplett bewohnbar, seit Monaten geben sich die Handwerker die Klinke in die Hand.

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Im Hintergrund wird gerade ein Dachstuhl fertiggestellt. Es gab eine riesige Welle der Hilfsbereitschaft, mit den 500.000 Euro der Deutschen Bahn spricht Huhn von rund 800.000 Euro, die einvernehmlich verteilt worden seien. Handwerker boten Arbeitsstunden, Betriebe Material an. All das hat den Wiederaufbau befördert. Die Bewohner sind zurückhaltend, schütteln den Kopf bei Presseanfragen. Vielleicht denken sie an den Rummel in den Tagen nach der Katastrophe.

Die Siegburger Feuerwehr hat jetzt einen Wasserwerfer mit großem Tank neu im Fuhrpark, damit haben die Wehrleute in den vergangenen Tagen den Hang an der Bahnstrecke bewässert. Und auf Kreisebene gibt es inzwischen die Alarmbereitschaft Waldbrand. Jörg Grabowski hat ein ganz neues Verhältnis zu Feuer, Rauch und Wasser entwickelt. „Du wirst ganz bodenständig und geerdet“, sagt er, als er vor dem Bauzaun steht und auf die wieder errichteten Häuser schaut.

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