Gegen FachkräftemangelKölner Prominente fordern mehr Anerkennung für soziale Berufe

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Olympiasieger Torsten May hat einen eigenen Boxclub in Köln und ist Botschafter der KJA.

Olympiasieger Torsten May hat einen eigenen Boxclub in Köln und ist Botschafter der KJA.

Köln – Diesen Tag wird Ismail (15) vermutlich nicht so schnell vergessen. Klar, man boxt ja auch nicht jeden Tag mit einem ehemaligen Box-Olympiasieger wie Torsten May. Beherzt schlägt der Junge aus der Jugendeinrichtung Offene Tür Nonni in Ehrenfeld gegen die Trainingshandschuhe des früheren Champions und heutigen Trainers May. Einmal, zweimal, dreimal klatschen die Handschuhe des Jungen auf die des Coaches. Am Ende gibt es ein Lob für den Jungen, dem das Sparring sichtbar Spaß gemacht hat.

Das Training fand in der Katholischen Jugendwerkstatt an der Ehrenfelder Geisselstraße statt. Hier schlüpften sechs Prominente beziehungsweise Experten für ein oder zwei Stunden in die Rolle von Pädagogen. Eingeladen hatte sie die Katholische Jugendagentur Köln (KJA), die auf diese Weise um Fachkräfte wirbt.

Hausaufgaben mit den Höhnern

Mit dabei waren neben May im Box-Workshop Janina Burgmer und Fulgencio Gómez (bekannt als Fug und Janina aus der WDR-Sendung „Wissen mach Ah!“), die mit Kindern aus dem Kölner Jugendwerkzentrum bastelten. Das frühere „Höhner“-Mitglied Janus Fröhlich betreute Kinder der Grundschule Baadenberger Straße bei ihren Hausaufgaben. Sterne-Koch Dominic Jeske bereitete mit Jugendlichen des Jugendmigrationsdienstes Köln ein Essen zu, Willibert Pauels (Diakon und „Ne bergische Jung“) diskutierte mit jungen Menschen über ihren Glauben, Wolfgang Heiliger (Arbeitsministerium NRW) beriet junge Menschen zur Berufswahl.

Der Hintergrund des Treffens war ernst: Bedingt durch den Fachkräftemangel, der auch im sozialen Bereich derzeit spürbar ist, fehlen der Katholischen Jugendagentur zahlreiche Mitarbeiter. Geschäftsführer Georg Spitzley beziffert den Fehlbedarf der KJA, die in der Kölner Region 90 Projekte mit 470 Mitarbeitern betreibt, derzeit auf zehn Fachkräfte.

Bedarf an Personal ist deutlich gestiegen

In Spitzenzeiten lag das Defizit sogar bei 30 Mitarbeitern. Ferienfreizeiten fielen aus, Beratungen konnten nicht durchgeführt werden, Hausaufgabenhilfen wurden gestrichen, so Spitzley. „Früher waren die Bewerber froh, wenn sie eine Stelle fanden. Heute müssen die Arbeitgeber suchen.“

Zu den Kernproblemen gehört es, dass der Bedarf an Personal im sozialen Bereich deutlich angestiegen ist. „Der Arbeitsmarkt Kinder- und Jugendhilfe ist in den letzten Jahren rasant gewachsen“, heißt es beispielsweise im Jugendhilfereport 2019 des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR). Waren in Kindertagesstätten in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2006/2007 noch 74 000 Erzieher tätig, wurden 2016/2017 bereits 111 000 – 50 Prozent mehr – beschäftigt.

Die Zahlen in der landesweiten Kinder- und Jugendhilfe stiegen von 116 000 auf 167 000. „Die Analysen des Arbeitsfeldes lassen vermuten, dass es in den nächsten Jahren aufgrund fehlender Fachkräfte zu einer prekären Personalsituation kommen wird“, prognostiziert der LVR. Grund für den Anstieg sind insbesondere der erhöhte Betreuungsbedarf von Kindern in Kitas und Grundschulen.

Mehr Geld für Erziehung, fordert Janus Fröhlich

Das Dilemma wird vergrößert, weil in sozialen Berufen vergleichsweise schlecht bezahlt wird. Spitzley sagt: „Wer in den sozialen Bereich geht, weiß, dass er keine Reichtümer anhäuft.“ Der KJA-Geschäftsführer unterstützt aber auch die Forderung, den Fachkräften mehr zu bezahlen. „Eine Tarifstufe höher müsste es sein.“ Allerdings müsse die Gesellschaft die Kosten der Träger auch refinanzieren. So sehen das auch die Prominenten: Musiker Janus Fröhlich, der jahrelang als Realschullehrer gearbeitet hat, fordert die Gesellschaft auf, in Bildung zu investieren: „Alle haben Angst, dass man ihnen was weg nehmen könnte. Wir müssen aber lernen zu teilen.“ Wer mehr Geld für Erziehung ausgebe, wappne die Jugendlichen unter anderem auch gegen Verführung durch rechte Hetzer.

Torsten May, Deutscher Meister im Halbschwergewicht 1991, Militärweltmeister und Box-Weltmeister im Halbschwergewicht 1991, Olympiasieger 1992 in Barcelona, sagt: „Lehrer brauchen mehr Anerkennung – nicht nur finanziell. Bildung ist das A und O eines Landes.“

Kampagne wirbt um junge Fachkräfte

Weil er Kinder fördern will, ist May seit dem Jahr 2006 Coach mit eigenem Box-Club in Köln. Für die Katholische Jugendagentur Köln arbeitet er unter anderem als Trainer im Offenen Ganztag in der Frechener Hauptschule Herbertskaul. Dort leitet er eine Box-AG, ein Angebot im Rahmen des offenen Ganztags. Zudem ist er als Botschafter der KJA im Einsatz.

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Mit der Kampagne „Starke Stellen – starke Kinder“ will nun die KJA stärker als bislang um Fachkräfte werben – auch im Internet. In Video-Clips präsentieren dort Mitarbeiter, was sie an der Arbeit mit jungen Menschen reizt. Darüber hinaus informiert die Plattform über die Vorteile der KJAs. „Arbeitgeber müssen Profil zeigen und Einblicke gewähren, um Interesse und Neugier bei Menschen zu wecken, die nach einer Aufgabe suchen“, lobte Wolfgang Heiliger vom NRW-Arbeitsministerium die Kampagne.

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