Bei Maybrit IllnerLauterbach schlägt Alternative zu Impfpflicht vor

Lesezeit 4 Minuten
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach

Berlin – Durch die aktuell wieder stark steigenden Corona-Zahlen macht sich auch in Deutschland Ratlosigkeit breit. Rund 67 Prozent der Bevölkerung sind bereits vollständig geimpft, doch die Zahl der nachgewiesenen Infektionen trotz vollständigen Impfschutzes nehmen zu. Das Robert Koch-Institut hat bereits rund 150.000 derartige Fälle festgestellt, wie es am Donnerstag bekannt gab.

In der ARD-Talkrunde mit Moderatorin Maybrit Illner wurde daher die Frage diskutiert, wie Deutschland sicher durch den zweiten Herbst und Winter dieser Pandemie kommen kann. Neben dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach und dem geschäftsführenden Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) waren auch Stephan Pusch, CDU-Landrat des Kreises Heinsberg, Christina Falk, Chefin Deutschen Gesellschaft für Immunologie sowie der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung eingeladen.

Zu Beginn brachte Illner die Meldungen über Corona-Ausbrüche in Seniorenheimen ins Spiel. In der Einrichtung in Schorfheide (Brandenburg) gibt es inzwischen 14 Tote – nur die Hälfte des Pflegepersonals soll dort geimpft gewesen sein. Das warf gleich mehrere Fragen auf: Wie gut sind Geimpfte eigentlich vor Corona geschützt? Warum trifft es gerade die Seniorinnen und Senioren so stark? Was ist eigentlich mit der Impfkampagne – wie sollte die in den nächsten Wochen aussehen und organisiert werden? Braucht es etwa sogar eine Impfpflicht, zumindest für manche Berufsgruppen wie etwa Mitarbeiter in der Pflege?

Alles zum Thema Karl Lauterbach

Zunächst einmal betonte Immunologin Falk, dass die Impfstoffe gut seien. „Die meisten Menschen sind nach wie vor gut geschützt“, sagte sie – doch der Impfschutz könne auch bei Geimpften unterschiedlich schnell abnehmen. Gerade bei älteren Menschen nehme die Menge der Antikörper schneller ab, ergänzte Lauterbach. Gleichzeitig hänge das Risiko einer Erkrankung unter anderem davon ab, wie viele Antikörper man in sich trage. Die vulnerablere Gruppe der älteren Menschen habe also früher einen geringeren Antikörperspiegel und sei daher weniger gut geschützt.

Wer soll denn nun die Auffrischungsimpfung bekommen?

Rund 67 Prozent der Bevölkerung in Deutschland ist laut Angaben der Bundesregierung vollständig geimpft. Dass das nicht reicht, um die Pandemie kontrollierbar zu machen, wird derzeit anhand der täglichen Zahlen erneut deutlich. „Die schnelle Booster-Impfung ist das Wichtigste, was wir gerade tun können“, sagte Lauterbach. Für Kanzleramtschef Braun läuft die Kampagne allerdings viel zu schleppend an. Es sei Gefahr im Verzug, sagte Braun bei Illner. Schuld daran ist auch, dass unklar geregelt ist, wer bereits einen Anspruch auf die Auffrischungsimpfung hat.

Von Gassen wollte Illner daher wissen, wie die Booster-Impfung besser organisiert werden könne. Für ihn gehe es derzeit vor allem „um das dringende Impfen einer vulnerablen Gruppe, von der wir wissen, der Impfschutz lässt nach“, sagte Gassen. „Diese Gruppe sollten wir adressieren.“ Er plädiere für ein Einladungssystem – man habe in Berlin gute Erfahrungen damit gemacht.

Mit dieser Herangehensweise würde es eventuell auch gelingen, die zweite, schwierigere Gruppe zu erreichen, bei der man beim Impfen vorankommen müsse: die der Ungeimpften, die zum Großteil noch unwillig ist, sich impfen zu lassen. „Wenn wir diese Menschen nicht erreichen, werden sie sich mehr oder weniger alle bis zum Frühjahr infizieren“, sagte er. Doch sei das Vorhaben, die Unwilligen zu einer Impfung zu bewegen aus seiner Sicht schwieriger zu erfüllen, als die Impfwilligen mit einer Auffrischungsimpfung zu versorgen.

Nicht ganz einig war sich die Runde außerdem darüber, wer die Impfungen vornehmen soll. Gassen sieht bei den Ärzten ausreichend Kapazitäten, Lauterbach sprach sich am Abend indes erneut für eine Öffnung der Impfzentren aus.

Bei der Impfpflicht bleiben die meisten Gäste vorsichtig

Müsse es denn nun eine Impfpflicht geben, fragte Illner, zumindest für gewisse Gruppen wie das Pflegepersonal oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in medizinischen Einrichtungen?

Zunächst schlug SPD-Politiker Lauterbach bei dieser Frage einen klaren Ton an. „Kontakt zu Patienten, wenn man nicht geimpft ist, dürfte es normalerweise nicht geben“, sagt er. Doch statt einer Impfpflicht hält er einen anderen Ansatz für zielführender: „Wir brauchen eine verbindliche Regelung, dass in einem Pflegeheim jeder getestet wird, der dort arbeitet oder es besucht.“ Man müsse dokumentieren, dass diese Leute angeben, getestet zu sein - und ein falscher Eintrag wäre dann ein gefährlicher Betrug, der strafrechtliche Konsequenzen hätte. Auch für die Bereiche Gastronomie und Veranstaltungen hält Lauterbach eine solche Regelung für sinnvoll.

Das könnte Sie auch interessieren:

Hier schaltete sich Heinsbergs Landrat Stephan Pusch ein. In der Debatte suche man permanent eine Ersatzlösung für eine Impfpflicht. „Da muss man auch als Politik mal mutig sein und das festlegen“, sagte der CDU-Politiker. Doch wie auch Gassen verwies Kanzleramtschef Braun auf den Personalmangel in der Pflege. „Die Einrichtungen sagen uns, macht es bitte auf gar keinen Fall“, berichtete er – ein derartiger Einschnitt würde die Pflegerinnen und Pfleger abschrecken. (RND)

KStA abonnieren