Pro und ContraSollten Corona-Tests kostenfrei bleiben oder nicht?

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Corona Schnelltest

Die Zeit der kostenlosen Bürgertests endet im Herbst.

  • Wer sich nicht impfen lässt, handelt auf Kosten der Allgemeinheit und sollte für Tests zahlen, meint Eva Quadbeck.
  • Im Hinblick auf den Infektionsschutz sind die kostenpflichtigen Tests wenig sinnvoll, argumentiert Irene Habich.

Die Corona-Beschlüsse von Bund und Ländern stoßen auf ein geteiltes Echo. Fest steht nun: Nicht-Geimpfte müssen sich im Kampf gegen eine neue große Corona-Welle auf mehr Testpflichten im Alltag einstellen - und Schnelltests ab 11. Oktober in der Regel auch selbst bezahlen. Das beschlossen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten am Dienstag. Ein Pro und Contra.

Pro: Sieben gute Gründe für die Kostenpflicht bei den Corona-Tests

Den viel gescholtenen Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten gebührt Lob, dass sie sich dazu durchgerungen haben, trotz Wahlkampf diejenigen ihre Corona-Tests künftig selbst zahlen zu lassen, die sich gegen eine Impfung entscheiden. Das ist aus sieben zentralen Gründen vernünftig und folgerichtig.

Erstens: Die Corona-Tests waren von Anfang als Krücke für jene Monate gedacht, in denen es noch nicht genug Impfstoff gibt, den Bürgerinnen und Bürgern aber dennoch eine Rückkehr ins normale Leben ermöglicht werden sollte. Nun gibt es genug Impfstoff.

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Zweitens: Sich impfen zu lassen oder darauf zu verzichten, ist und bleibt eine individuelle Entscheidung. Allerdings eine Entscheidung mit Tragweite für die gesamte Gesellschaft. Wer sich nicht impfen lässt, dämpft die Chancen für die gesamte Gesellschaft, die Pandemie zu besiegen. Dadurch können die gesamtgesellschaftlichen Lasten steigen.

Eine Verlängerung der pandemischen Lage bedeutet, höhere finanzielle Folgekosten, höhere wirtschaftliche Schäden und höhere Opportunitätskosten zum Beispiel für Kinder und Jugendliche, die in einer starken neuen Welle erneut Hybrid-Unterricht oder Homeschooling hinnehmen müssten - mit allen negativen Folgen insbesondere für sozial benachteiligte Kinder.

Drittens: Die Neuregelung ist sozial und fair. Wer sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen kann wie zum Beispiel Schwangere, kann sich weiter kostenlos testen lassen. Das Gleiche gilt für Minderjährige, die damit auch am sozialen und am öffentlichen Leben teilnehmen können.

Die Lasten für künftige Generationen sind ohnehin gigantisch

Viertens: In der Pandemie hat der Staat vielfach soziale, wirtschaftliche und finanzielle Härten abgefedert. Finanzminister Olaf Scholz hat dafür den Begriff der „Bazooka” geprägt. Es wäre aber fatal, wenn sich in der Folge nun eine Freibier-Mentalität breitmacht, wonach allen alles bezahlt werden soll. Das Geld, das solidarisch verteilt wird, muss auch erwirtschaftet werden. Die Lasten für künftige Generationen, die aus der Pandemie entstehen, sind ohnehin gigantisch.

Fünftens: Mit der Abschaffung der Kostenfreiheit bei den Corona-Tests steigt der Druck auf bisher Unschlüssige oder Unmotivierte, sich nun doch impfen zu lassen. Angesichts der stockenden Impfkampagne ist es sinnvoll, dass Bund und Länder dafür auf vielfältige Weise Anreize setzen - von der Bratwurst bis zu kostenpflichtigen Corona-Tests.

Die Ungeimpften haben bis zum 11. Oktober noch genug Zeit

Sechstens: Es muss eine Differenzierung zwischen der kostenlosen Corona-Impfung und den künftig kostenpflichtigen Tests geben. Denn die Tests bieten keinen wirksamen Schutz gegen das Coronavirus. Sie ermöglichen es lediglich, mit bedingter Zuverlässigkeit die Verbreitung des Virus einzudämmen.

Siebtens: Zum Schluss noch ein etwas polemisches Argument: Wer auf seine Freiheit pocht, sich nicht impfen zu lassen, entscheidet sich damit auch freiheitlich dafür, für seine Corona-Tests zu zahlen. Die Frist bis zur Kostenpflichtigkeit der Tests ist so großzügig gewählt, dass alle Ungeimpften die Chance haben, sich bis zum 11. Oktober noch den schützenden Piks setzen zu lassen. (Eva Quadbeck)

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Contra: Corona-Tests sollten für alle kostenlos sein

Nicht-Geimpfte müssen künftig Aufschlag zahlen – bis zu 30 Euro für den Antigentest bei einem Anbieter sind nun mit einzurechnen, wenn sie auswärts ein Bier oder einen Café trinken wollen. Sozialverbände schlagen zu Recht Alarm. Denn es droht ein Ausschluss von der gesellschaftlichen Teilhabe, wenn die Kosten der Tests nicht mehr übernommen werden. Eine positive Auswirkung auf das Infektionsgeschehen ist hingegen nicht zu erwarten, womöglich sogar das Gegenteil. Für die stellvertretende Chefredakteurin und Leiterin des Hauptstadtbüros Eva Quadbeck gibt es hingegen sogar sieben gute Gründe für kostenpflichtige Tests.

Seit Beginn der Corona-Krise zahlen viele Menschen einen Preis, der nicht mit Geld zu bemessen ist. Auch wer nur ein geringes Risiko hatte, schwer zu erkranken, blieb zu Hause, hielt Hygienemaßnahmen ein, verzichtete auf den Besuch bei Freunden und Freundinnen: Aus Solidarität und Verantwortung für die Gemeinschaft. Nun aus Kostengründen all denen das Leben schwerer zu machen, die sich gegen eine Impfung entscheiden, ist hingegen nicht nur unnötig, sondern zutiefst unsolidarisch. Gegenüber den Ungeimpften genauso wie gegenüber den Gastronomen und Veranstaltern, denen erneut Geschäftseinbußen drohen. Dass die Tests für Schwangere und Minderjährige kostenlos bleiben, ändert daran nichts.

Das Pandemiegeschehen wird weniger nachvollziehbar

Auf diese Weise auf Ungeimpfte Druck auszuüben, ist zudem ethisch höchst fragwürdig. Die Impfung muss eine persönliche Entscheidung bleiben, bei der es jedem erlaubt ist, sein womöglich geringes Risiko für einen schweren Verlauf gegen das von Nebenwirkungen abzuwägen oder die Impfung aus anderen Gründen abzulehnen.

Auch mit Blick auf den Infektionsschutz ergibt die Regel kaum Sinn: Zusammenkünfte verlagern sich dadurch in den privaten Raum, wo es nach wie vor die meisten Ansteckungen geben dürfte. In Frankreich, wo Ähnliches geplant ist, wollen sich junge Leute Medienberichten zufolge nun schon bewusst mit dem Coronavirus infizieren – um den Status als Genesene und den begehrten “Pass sanitaire” zu erlangen. Je schwieriger es wird, an einen kostenlosen Test zu gelangen, desto weniger Infizierte werden sich wohl überhaupt noch testen lassen. Das Pandemiegeschehen wird dann immer weniger nachvollziehbar.

Kostenlose Antigentests auch für Geimpfte

Kostenlose Antigen-Schnelltests sind dagegen ein erprobtes und gutes Mittel, um das gesellschaftliche Leben unter allen Umständen aufrecht zu erhalten. Sie sollten daher nicht nur Ungeimpften, sondern auch Geimpften kostenlos angeboten werden. Denn die Impfungen schützen zwar vor schweren Verläufen, können aber nicht verhindern, dass auch Geimpfte sich infizieren und das Virus weitergeben - gerade im Falle von Varianten wie Delta.

Die Testpflicht sollte dabei ohnehin nicht von Dauer sein und erst greifen, wenn die Lage ernst wird. Eingriffe in die demokratischen Grundrechte müssen für den absoluten Notfall einer neuen Welle vorbehalten sein, die nicht bloß durch hohe Infektionszahlen, sondern durch eine hohe Belastung der Krankenhäuser und einen steilen Anstieg der Todeszahlen gekennzeichnet wäre. Eine solche neue Welle ist unwahrscheinlich, wie der Blick ins Ausland zeigt. Dort, wo die Risikogruppen geimpft sind, führen selbst hohe Fallzahlen nur noch zu wenig schweren Verläufen. Falls es aber doch dazu kommt, gilt: Wer es ernst mit dem Infektionsschutz meint, muss dann Antigentests nicht nur für jeden kostenlos anbieten, sondern auch Geimpfte dazu verpflichten. (Irene Habich)

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