Beschlüsse der MinisterpräsidentenDer Alltag für Ungeimpfte wird teurer

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Berlin – Das Signal der Ministerpräsidentenkonferenz lässt sich in einem Satz zusammenfassen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagt es am Dienstagabend so: „Du hast die Chance durchs Impfen.“

Nach den Beschlüssen von Bund und Ländern werden Impfverweigerer etwa durch verpflichtende und bald kostenpflichtige Corona-Tests mehr Einschränkungen haben als Geimpfte. Und wenn die vierte Welle Impferfolge davonspülen sollte, könnte die Gangart auch noch verschärft werden.

Merkel, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) haben es nicht ausgesprochen, aber so etwas wie Lockdownmaßnahmen für Ungeimpfte liegen jetzt in der Luft: Bekommt Deutschland das Pandemiegeschehen nicht in den Griff, könnte aus der nun beschlossenen 3-G-Regel (Genesene, Geimpfte und Getestete bekommen Freiheitsrechte zurück) eine 2-G-Regel werden: Genesene und Geimpfte werden privilegiert. In Köln haben dies der 1. FC Köln und die Veranstalter der Sessionseröffnung des Karnevals bereits angekündigt.

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Die Testpflicht kommt zum 23. August, und ab 11. Oktober müssen Ungeimpfte die Tests selbst bezahlen. Nur für wen keine Impfempfehlung gilt wie Schwangere und Minderjährige, soll die Tests weiter kostenlos erhalten. Zu öffentlich zugänglichen Einrichtungen sollen nur noch Geimpfte, Genesene oder Getestete Zugang haben.

Unter diese 3-G-Regel fallen Krankenhäuser sowie Alten- und Pflegeheime, die Innengastronomie, Kultur- und Sportveranstaltungen sowie Gottesdienste in Innenräumen, körpernahe Dienstleistungen wie Friseur, Fitnessstudios und Schwimmbäder sowie Hotels und Pensionen. Sobald in einer Region der Inzidenzwert von 35 überschritten ist, gilt die 3-G-Regel.

Zuvor war auch die 2-G-Regel diskutiert worden, die darauf hinausgelaufen wäre, dass Ungeimpften und Menschen ohne vorherige Corona-Erkrankung der Zutritt zu vielen Veranstaltungen und Institutionen verwehrt geblieben wäre. Die Befürworter setzten sich aber nicht durch.

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) warnte in der MPK nach RND-Informationen: „Das Testen und Impfen wird nicht ausreichen. Wenn wir einen kompletten Lockdown vermeiden wollen, geht es eben nur mit spezifischen Regeln und dann eben nur für Geimpfte.“

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Söder sprach später in der Pressekonferenz von einer trügerischen Ruhe in diesen Sommerwochen. „Die vierte Welle kommt im Herbst“, prognostizierte er. Er und Merkel sollen dem Vernehmen nach darauf gedrungen haben, „sich ehrlich“ zu machen und über Einschränkungen nur für Ungeimpfte zu beraten. Doch andere CDU-Ministerpräsidenten hätten das aus Rücksicht auf Unionskanzlerkandidat Armin Laschet abgebogen, der das nicht wolle.

Einen Lockdown „wird es so nicht mehr geben“, versicherte Söder und verwies auf ein verfassungsrechtliches Problem. Zweifach Geimpfte würden sich „auf Dauer nicht ihrer Rechte berauben lassen“.

Müller wollte es wenigstens einmal loswerden: „Wir haben viel erreicht.“ Es sei ein Riesenerfolg, dass es wieder Veranstaltungen gebe, und es bestehe die „Chance, die zurückgewonnenen Freiheiten im Herbst und Winter absichern zu können“.

Geimpfte sollen stärker gehört werden

Lange haben Impfverweigerer Debatten bestimmt. Nun soll die Mehrheit der Geimpften stärker gehört werden. Merkel formuliert es eindeutig: „Wir können nicht sagen, ein Geimpfter darf nicht seine Rechte als Bürger ausüben.“ Und: „Geimpfte werden anders behandelt als Nichtgeimpfte.“ Es sei überhaupt nicht zu verantworten, dass es wieder zu einer Gefahr der Überlastung des Gesundheitssystems kommt.

„Zu wenige Menschen geimpft“

Die Gruppe der Ungeimpften sei noch zu groß, machen Merkel, Müller und Söder deutlich. Erst 55 Prozent der Bevölkerung sind zweifach geimpft. Für eine Herdenimmunität wird oft eine Impfquote von über 80 Prozent als Bedingung genannt.

Intensive Diskussionen gab es über die Frage, wie die Gefahr durch das Infektionsgeschehen künftig bewertet werden soll. Merkel lehnte es ab, dass neben dem Inzidenzwert andere Daten wie Impfquote und Auslastung der Krankenhäuser in die Bewertung des Pandemiegeschehens konkret einbezogen werden – sie sollen aber „berücksichtigt“ werden, um das weitere Infektionsgeschehen zu kontrollieren.

Inzidenzwert konkret genannt

Es steht jedoch nur der Inzidenzwert als konkrete Größenordnung im Beschluss. Solange er unter 35 liegt, können die Länder die neuen Testpflichten aussetzen. In diesem Punkt seien Niedersachsens Ministerpräsident Stefan Weil (SPD) und Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz aneinandergeraten, wurde anschließend aus Verhandlungskreisen berichtet. Weil habe auf die Einbeziehung mehrerer Parameter gedrungen, Scholz sei ihm da in die Parade gefahren.

Die epidemische Lage von nationaler Tragweite soll verlängert werden. Darüber muss der Bundestag entscheiden, auch wie lange diese Notlage weiter dauern soll. Das berechtigt Bund und Länder, je nach Infektionslage Schutzmaßnahmen zu ergreifen – bis hin zu einem harten Lockdown.

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