Akteure, Ablauf und ChancenImpeachment – der Showdown für Trump beginnt
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Stürmische Zeiten für Donald Trump
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Washington – Es ist ein Polit-Spektakel erster Güte. Millionen Amerikaner werden vor ihren Fernsehgeräten sitzen, wenn am heutigen Mittwoch um 10 Uhr US-Zeit (16 Uhr MEZ) die Live-Übertragung aus dem Raum 1100 des Longworth-Kongressgebäudes in Washington beginnt und die Impeachment-Untersuchungen gegen US-Präsident Donald Trump öffentlich werden.
Manche Beobachter sehen schon Parallelen zu den Watergate-Untersuchungen gegen Ex-Präsident Richard Nixon 1973/74. Damals trat der Präsident schließlich unter dem Druck der öffentlichen Meinung noch vor der formalen Amtsenthebungs-Anklage zurück. Davon ist Trump noch weit entfernt. Historisch ist die Situation gleichwohl – erst drei Präsidenten in der amerikanischen Geschichte mussten ein solches Verfahren über sich ergehen lassen.
Explosive Enthüllungen sind zunächst kaum zu erwarten. Die für die ersten Tage benannten Zeugen wurden bereits hinter verschlossenen Türen befragt. Die jeweils mehrere hundert Seiten langen Protokolle sind veröffentlicht. Vorerst geht es den Demokraten im Kongress vor allem darum, durch öffentliche Bekenntnisse und die Macht der Bilder weiter Druck gegen Trump aufzubauen. Möglicherweise werden im weiteren Verlauf aber auch spannende neue Zeugen aussagen.
Wir beantworten die fünf wichtigsten Fragen zur Ukraine-Affäre.
Worum geht es beim Impeachment gegen Trump?
Am Anfang der Affäre stand die Eingabe eines anonymen Whistleblowers aus dem Weißen Haus, der von einem befremdlichen Telefonat des Präsidenten mit dessen ukrainischem Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj und dessen anschließender Vertuschung berichtete. Inzwischen wurde ein Teil-Protokoll des Gespräches veröffentlicht. Mehrere hochrangige aktive und ehemalige Beamte haben unter Eid weitere brisante Informationen geliefert. Es gibt nun erdrückende Indizien für eine von Trump verantwortete und durch dessen persönlichem Anwalt Rudy Giuliani exekutierte geheime Neben-Außenpolitik zur offiziellen Diplomatie. Alles deutet darauf hin, dass der Präsident sein Amt missbraucht hat, um die Kiewer Regierung durch die Zurückhaltung von Militärhilfe und die Verweigerung einer Einladung ins Weiße Haus zu erpressen. Als Gegenleistung soll er eine Schmutzkampagne gegen die Demokraten gefordert haben.
Das Kapitol in Washington
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Wer sind die wichtigsten Akteure?
Mindestens ein Dutzend aktive und ehemalige Mitarbeiter des Weißen Hauses, des Nationalen Sicherheitsrats und des State Departments kommen als Zeugen in Frage. Manche äußern sich freiwillig, andere berufen sich auf die von Trump verhängte Aussagesperre. Der von dem Demokraten Adam Schiff geleitete Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses wird in dieser Woche zunächst William Taylor, George Kent und Marie Yovanovitch hören. Alle drei belasten Trump schwer. Taylor, ein hochangesehener Diplomat, wirkt als geschäftsführender Botschafter der USA in Kiew und hat in einer früheren Aussage über „alarmierende Zustände“ und regelwidrige Interventionen in der amerikanischen Ukraine-Diplomatie berichtet. Kent ist im State Department als Vize-Staatssekretär für Europa zuständig. Nach seiner Darstellung wollte Trump in den vergangenen Monaten beim Thema Ukraine nur drei Wörter hören: „Ermittlungen, Biden und Clinton“. Außerdem hat Giuliani nach Kents Angaben eine „Lügenkampagne“ gegen die frühere US-Ukraine-Botschafterin Marie Yovanovitch inszeniert. Diese war am 6. Mai abrupt abberufen worden – offensichtlich, weil sie Trumps Erpressungspolitik gegenüber der neuen Kiewer Regierung nicht mittragen wollte.
Höchst interessant wäre eine Befragung des Trump-Anwaltes Giuliani, der seit April darauf hingearbeitet haben soll, den frischgewählten ukrainischen Präsidenten Selenskyj weichzuklopfen. Doch Giuliani beruft sich auf seine anwaltliche Schweigepflicht. Allerdings hat der amerikanische EU-Botschafter Gordon Sondland ausgesagt, der als Giulianis Wasserträger im Kontakt zur Ukraine diente. Auch er bestätigte die klare Vorgabe, Kiew zur Aufnahme von Ermittlungen gegen den demokratischen Präsidentschaftsbewerber Joe Biden und mögliche Hintermänner einer von rechten Konspirationstheoretikern behaupteten Einmischung der Ukraine in die US-Wahlen zu nötigen.
Offenbar waren aber nicht nur viele US-Beamte, sondern auch Trumps damaliger Sicherheitsberater John Bolton mit diesem Kurs nicht einverstanden. Bolton soll Giuliani als gefährliche „Handgranate“ bezeichnet und sich demonstrativ von jedem Erpressungsversuch gegenüber Kiew distanziert haben. Allerdings will der geschasste außenpolitische Hardliner nur aussagen, wenn er vor Gericht dazu gezwungen wird.
Wie war die Ereignisfolge?
Nach mehreren übereinstimmenden Aussagen warben die Ukraine-Experten der US-Regierung bei einem Treffen mit Trump am 23. Mai unisono für eine enge Zusammenarbeit mit dem neuen ukrainischen Präsidenten Selenskyj. Trump blockte ab und sagte: „Die sind alle korrupt. Das sind furchtbare Leute. Die haben versucht, meine Wahl zu verhindern.“ Ansonsten verwies er die Beamten fortan an Giuliani. Sieben Wochen später kam es am 10. Juli bei einem Treffen ukrainischer und amerikanischer Regierungsvertreter zu einem Eklat, nachdem Sondland offen die Erwartung formuliert hatte, dass die Gäste gegen Ex-Vizepräsident Biden ermitteln müssten. Sicherheitsberater Bolton warf die Gruppe aus seinem Büro und erklärte, er wolle nicht in „irgendeinen Drogen-Deal“ verwickelt werden.
Zu dieser Zeit wartete die Ukraine auf zugesagte US-Militärhilfen von 400 Millionen Dollar. Am 18. Juli wurden die Gelder vom Weißen Haus – offenbar auf Weisung Trumps – ohne Angabe von Gründen eingefroren. Außerdem hoffte Präsident Selenskyj auf eine Einladung ins Weiße Haus, die seine internationale Reputation gestärkt hätte. Beide ukrainische Wünsche dominieren unausgesprochen das viel beachtete Telefonat von Trump und Selenskyj am 25. Juli, in dessen Verlauf der US-Präsident zunächst einen „Gefallen“ einfordert: Die Ukraine solle ein Verfahren gegen die Biden-Familie einleiten und der unbelegten Verschwörungstheorie einer Einmischung der Ukraine in die US-Wahlen nachgehen.
Offenbar erwarteten die Amerikaner, dass Selenskyj einknickt. „Der Präsident will wirklich, dass geliefert wird“, erklärte EU-Botschafter Sondland intern. Mit der ukrainischen Seite wurden schon präzise Sprachregelungen verhandelt. Am 13. September sollte Selenskyj in einem CNN-Interview die Ermittlungen ankündigen. Dazu kam es nicht mehr, weil wenige Tage zuvor die Beschwerde des Whistleblowers bekannt wurde.
Welche Rolle spielt Joe Biden?
Nach allem, was bekannt ist, ist der bisherige Favorit für die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten in der Affäre das Opfer einer versuchten Schmutzkampagne und kein Täter. Trump wirft dem ehemaligen Vizepräsidenten vor, dass sein Sohn Hunter 2014 beim größten privaten ukrainischen Gaskonzern Burisma einen Verwaltungsratssitz übernahm. Später machte Biden senior mächtig Druck für die Ablösung des ukrainischen Generalstaatsanwaltes. Dazwischen konstruiert Trump einen Zusammenhang. Tatsächlich hatten damals auch die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds die Ablösung des in der Korruptionsbekämpfung untätigen Anklägers gefordert. Hunter Bidens lukratives Engagement mag einen üblen Beigeschmack haben. Doch verstößt es gegen kein US-Gesetz. Der Vorgang wurde 2015 eher beiläufig in der amerikanischen Presse gemeldet. Dass Trump ihn nun in großem Stil skandalisiert, muss als Ablenkungsmanöver gewertet werden – zumal sich zwei festgenommene Geschäftspartner seines Anwalts Giuliani tatsächlich im Windschatten der neuen Trump-Doktrin lukrative Gas-Aufträge gesichert haben.
Wie ist das weitere Verfahren?
Bis Ende der kommenden Woche wird der 22-köpfige Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses noch weitere Zeugen vernehmen. Dann übernimmt der Rechtsausschuss das Verfahren. Noch vor Weihnachten soll dieses Gremium eine regelrechte Anklageschrift gegen den Präsidenten formulieren und im Plenum zur Abstimmung stellen. Die Mehrheit im demokratisch dominierten Repräsentantenhaus gilt als sicher. Doch dann folgt ein Verfahren vor dem republikanisch dominierten Senat, an dessen Ende zwei Drittel der Senatoren für die Amtsenthebung Trumps stimmen müssten. Diese Mehrheit scheint bislang unwahrscheinlich.