Politisches EngagementWir müssen Staatsbürger sein, keine reinen Politik-Konsumenten

Ein Kommentar von
Lesezeit 2 Minuten
Berlin: Die Abgeordneten sitzen auf ihren Plätzen bei einer der Debatte über den Gesetzentwurf zur Fachkräfteeinwanderung in der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag.

Debatte über einen Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag: Die Beteiligung an der Demokratie schwindet. (Archivbild)

Demokratie hängt, wenn sie gelingen soll, nicht zuletzt von der Mitwirkung der Bürger ab. Doch die sind immer weniger bereit, sich zu engagieren. Ein Kommentar.

Bei der Betrachtung von Politik hat in den letzten Jahren eine Vokabel Einzug gehalten, die verräterisch ist. Auch in Zeitungskommentaren heißt es dann gelegentlich, die Politik müsse „liefern“. Oder, bei Donald Trump entlehnt, sie müsse einen „Deal“ machen. Dabei entsteht das Bild eines Kunden, der eine Nummer wählt und sich, sagen wir von „Lieferando“, eine Pizza bringen lässt. Dass die Pizza kommt, ist aus Sicht des Kunden selbstverständlich.

Die Maximalerwartung lautet, dass sie schnell kommt und angemessen warm, überdies schmeckt und am Ende noch der Preis stimmt.

Nun ist sicher richtig, dass zuallererst Parlament und Regierung eine Leistung zu erbringen haben. Sie müssen gute Gesetze machen und sie angemessen administrieren. Zugleich müssen sie bei der Lösung von Problemen die Folgen im Blick behalten.

In Wahrheit sind seit Jahren aber immer weniger Bürger bereit, sich in politischen Parteien zu engagieren – obwohl Parteien die Demokratie tragen
Markus Decker

Allerdings hängt Demokratie, wenn sie gelingen soll, nicht zuletzt von der Mitwirkung der Bürger ab. Ein wenig müssen schon auch sie „liefern“. In Wahrheit sind seit Jahren aber immer weniger Bürger bereit, sich in politischen Parteien zu engagieren – obwohl Parteien die Demokratie tragen. Das erschwert ihre eigene Mitwirkung und die Auslese geeigneten Personals für herausgehobene Ämter.

Gleichzeitig häufen sich verbale und bisweilen physische Angriffe gegen Abgeordnete, Bürgermeister, Ministerpräsidenten oder Kanzler. Diese Angriffe gehen nur von einer Minderheit aus, doch sie sind längst Alltag geworden. Die Urheber profitieren von einer der größten Gefahren für die Demokratie überhaupt: die Gewöhnung an Extreme.

Dummerweise haben politische Entscheidungen zu dieser Entwicklung beigetragen
Markus Decker

Generell geht das Gefühl der Selbstverantwortung verloren, etwa beim Klimaschutz. Gewiss muss die Regierung zum Beispiel beim Gebäudeenergiegesetz auf die Machbarkeit und den sozialen Ausgleich achten. Doch hängt Klimaschutz überdies vom individuellen Verhalten ab. Zu dieser Erkenntnis passt nicht, dass so viel geflogen wird wie seit langem nicht mehr. Es dominiert zunehmend nicht mehr das Bild des Staatsbürgers, sondern das des Konsumenten. Das Produkt heißt: Politik.

Dummerweise haben politische Entscheidungen zu dieser Entwicklung beigetragen. Während der Corona-Pandemie haben Exekutive und Legislative rückblickend betrachtet zu fürsorglich, man könnte auch sagen zu autoritär agiert. Sie hätten den Bürgern mehr Freiraum lassen sollen. Das war damals schlecht zu erkennen. Die durch das Virus ausgelöste Wirtschaftskrise wurde durch Milliardensummen ebenso abgepuffert wie die Energiepreiskrise. Nun wundern sich alle, dass der Bundesfinanzminister das Geld wieder einsparen will. Dabei hat der Liberale Christian Lindner schon recht: So wie bislang geht es nicht weiter.

Wir haben uns alle zu sehr daran gewöhnt, dass der „Lieferando“-Staat das schon machen wird, weil er es ja machen muss. Das ist ein Irrtum. (RND)

KStA abonnieren