Kommentar zu „Querdenkern“Bewegung will den Staat in der Corona-Krise diskreditieren

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Querdenken_Symbol

Symbolbild

  • Der baden-württembergische Verfassungsschutz stuft die Gruppe „Querdenken 711“ als extremistisch ein.
  • Den vorgeblichen Aktivisten gegen zu viel staatliche Bevormundung in der Coronavirus-Pandemie geht es gar nicht um die Beschränkungen zur Eindämmung des Virus.
  • Sie lehnen den Staat als solchen ab. Ein Kommentar.

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl und seine Verfassungsschutzpräsidentin Beate Bube machen ernst. Sie erklären die Gruppe Querdenken 711 um Initiator Michael Ballweg zur „extremistischen Bestrebung“. Und sie begründen das mit deren Nähe zur „Reichsbürger“-Szene. Der Schritt ist heikel, aber richtig.

Heikel ist die Einstufung, weil sich der Verfassungsschutz dem Vorwurf aussetzt, eine heterogene Bewegung zu ächten. Strobl betont zwar, es gebe keinen „Generalverdacht“. Ballweg und andere werden gleichwohl versuchen, einen gegenteiligen Eindruck zu erwecken. Überdies gelten die Reichsbürger selbst nur zu einem geringen Teil als rechtsextremistisch.

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Der Initiator von „Querdenken 711“, Michael Ballweg, während einer Kundgebung Anfang August 2020 in Stuttgart

Und mit dem Beginn der Impfungen dürfte die Corona-Pandemie langsam, aber sicher vergehen. Damit müsste die Querdenken-Bewegung langsam ihre Basis verlieren. Eigentlich.

Genau das ist der springende Punkt. Denn den Initiatoren geht es offenkundig nicht um die Corona-Beschränkungen. Dafür sind die Kontakte zur „Reichsbürger“-Szene ein schlagender Beweis. Der Antisemitismus auf Querdenken-Bühnen in Karlsruhe und Hannover ist außerdem ebenso unüberhörbar wie eine wachsende Militanz der Szene, die sich im Sturm auf die Reichstagstreppe in Berlin, den Übergriffen auf Journalisten und Polizisten in Leipzig sowie in Attacken etwa auf das Robert-Koch-Institut äußerte.

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Corona ist für diese Menschen nur der Anlass, um die Gesellschaft in Unruhe zu versetzen und den Staat zu diskreditieren. Dies zeigt sich an der Tatsache, dass die Querdenker angesichts galoppierender Totenzahlen nicht einlenken, sondern weiter mobilisieren. Das darf der Staat nicht hinnehmen. Er muss das Leben der Verletzlichen schützen. Über sie wird ohnehin viel zu wenig gesprochen.

Staat muss sich um verunsicherte Bürger kümmern

So begründet das Vorgehen der Verantwortlichen in Baden-Württemberg ist, so klar ist allerdings auch dies: Der Staat hat jenseits der Einstufung von Querdenken als extremistisch die Pflicht, sich um all jene intensiver zu kümmern, die den Rattenfängern hinterherlaufen. Er muss diejenigen unter den Corona-Skeptikern ansprechen, die für eine rationale Ansprache noch erreichbar sind.

So hat Studien zufolge etwa ein Drittel der Deutschen einen Hang zu Verschwörungstheorien. Dieses Drittel wird seine Neigung nach der Corona-Krise an ein anderes Thema heften. Einer derartigen Entwicklung ist mit dem Verfassungsschutz nicht beizukommen. Sie hat mit gesellschaftlicher Verunsicherung in Zeiten rasanter Modernisierung zu tun.

Umgekehrt sollten sich all jene, die die Corona-Beschränkungen begründet für falsch halten, andere Anführer suchen. Niemand hindert sie daran, auf die Straße zu gehen – bei Einhaltung der Hygieneregeln.

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