Woher stammt das Virus?Wie China Corona-Forscher an ihrer Arbeit hindert

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Fledermaus-Forschern wurden Proben in China konfisziert.

  • China verzögert weiter die Einreise von Experten, die im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Ursprünge des Coronavirus erkunden sollen.
  • Außenamtssprecherin Hua Chunying begründete den Aufschub am Mittwoch vor der Presse in Peking mit nötigen Vorbereitungen.
  • Dass das der wahre Grund ist, scheint zweifelhaft: Die WHO verhandelt schon seit Monaten mit China über diese Expertenmission.
  • Es geht viel mehr um die staatliche Steuerung von Informationen. Um Kontrolle. Lesen Sie hier die Hintergründe.

Tief unten in den Tälern Südchinas liegt der Eingang zu einem Minenschacht. Dort lebten einst Fledermäuse, die an dem engsten bekannten Verwandten von Covid-19 erkrankt waren. In dieser Gegend könnte sich der Schlüssel dazu finden, woher das Coronavirus stammt, das inzwischen weltweit mehr als 1,7 Millionen Todesopfer gefordert hat. Doch aus politischen Gründen ist sie zum schwarzen Loch geworden. Fledermaus-Forschern, die vor Kurzem an dem Schacht waren, wurden die Proben konfisziert, wie die Nachrichtenagentur AP erfuhr.

Mehr als ein Jahr, nachdem sich nachweislich der erste Mensch mit dem Coronavirus ansteckte, zeigen Recherchen jetzt, wie streng die chinesische Regierung alle Forschungen zu den Ursprüngen des Krankheitserregers kontrolliert und dabei Spekulationen fördert, wonach die Pandemie woanders begann.

Peking überwacht alle Forschungsergebnisse und hat verfügt, dass jede Publikation zunächst von einer neuen Task Force genehmigt werden muss. Diese wird vom Staatsrat gelenkt und untersteht direkt Präsident Xi Jinping, wie aus internen Regierungsdokumenten hervor.

Staatlich gesteuerte Geheimhaltung

Diese gehören zu Recherchen, für die AP mit chinesischen und ausländischen Forschern und Behörden sprach und E-Mails und unveröffentlichte Dokumente auch vom Chinesischen Zentrum für Krankheitskontrolle und -Vorbeugung auswertete. Offenbar wurde dabei ein Muster von staatlich gesteuerter Geheimhaltung und direkter Kontrolle, das sich während der gesamten Pandemie gezeigt hat.

„Sie wählen nur Leute aus, denen sie trauen und die sie kontrollieren können“, sagt ein Behördenexperte, der aus Angst vor Strafe nicht namentlich genannt werden möchte. Das chinesische Außenministerium teilte per Fax mit, dass „das neuartige Coronavirus in vielen Teilen der Erde entdeckt“ worden sei und Forschung daher „weltweit“ stattfinden sollte.

Die chinesische Führung ist nicht die einzige, die die Forschung zur Corona-Pandemie politisch instrumentalisiert. So sprach zum Beispiel US-Präsident Donald Trump auch immer wieder vom „China-Virus“ und kündigte an, China „zur Rechenschaft“ ziehen zu wollen.

Das Aufspüren der Ursprünge von Covid-19 ist wichtig, um zukünftigen Pandemien vorzubeugen. Das Vorgehen kappte jedoch die Verbindungen zwischen chinesischen und US-Wissenschaftlern. Zwar hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) angekündigt, im Januar ein Team nach China zu schicken, zu dem auch der deutsche Wissenschaftler Fabian Leendertz vom Robert-Koch-Institut gehört, um das Virus zu erforschen. Doch sowohl Teilnehmer als auch Abläufe mussten von Peking genehmigt werden.

Viele der ersten Corona-Fälle bei Menschen traten auf dem weitläufigen Huanan-Fischmarkt in Wuhan auf. Zu Beginn reagierte der chinesische Seuchenschutz schnell. Am 1. Januar wurde der Markt geschlossen. Interne Behördendaten zeigen, dass am 10. Januar vor Ort Umweltproben genommen wurden. Ende Januar und Anfang Februar breitete sich das Virus rasend schnell aus, und chinesische Wissenschaftler veröffentlichten unzählige Forschungsarbeiten über Covid-19.

Dann hieß es in einem dieser Dokumente ohne konkrete Beweise, das Virus könne aus einem Labor in der Nähe des Marktes in Wuhan stammen. Das Papier wurde jedoch später zurückgezogen.

Veröffentlichungen werden gesteuert

Seit Anfang März, so zeigt es ein Regierungsdokument, werden wissenschaftliche Veröffentlichungen von Universitäten, Firmen und medizinischen wie Forschungsinstituten über die eigens eingerichtete Task Force gesteuert. Seuchenschutzmitarbeiter dürfen internen Anweisungen zufolge keine Daten, Proben oder andere Informationen über das Coronavirus an Außenstehende weitergeben.

Seither ist die Zahl der Forschungspapiere zum Coronavirus deutlich abgeebbt. Zwar hat der Seuchenschutz noch rund 2000 weitere Proben vom Fischmarkt in Wuhan genommen, doch veröffentlicht wurde dazu nichts.

Fledermäuse als wahrscheinliche Quelle

Forscher wandten sich daraufhin der wahrscheinlichen Quelle des Virus zu: den Fledermäusen. Rund 1500 Kilometer von Wuhan entfernt bewohnen die Tiere ein Labyrinth von Kalksteinhöhlen in der Provinz Yunnan. Der genetische Code des Coronavirus ist jenem der Fledermaus-Coronaviren auffallend ähnlich. Daher vermuten Wissenschaftler, dass Covid-19 direkt von einer Fledermaus oder auch von einem Überträgertier stammt.

Chinesische Forscher begannen prompt damit, Tiere zu testen, bei denen sie das Virus vermuteten. Doch dann verhängte die Regierung ihre Restriktionen, und die Daten wurden nicht veröffentlicht. Die Höhlen in Yunnan werden inzwischen streng überwacht, und Medien in China werben verstärkt für Theorien, dass das Virus von woanders stamme, wie etwa gefrorenen Meeresfrüchten, was aber unter anderem die WHO bereits ausgeschlossen hat.

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