Analyse zum 1. FC KölnFC-Kollektiv dreht mit Baumgarts Kampfgeist das Spiel

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FC Jubel gegen BVB

Ekstase an der FC-Bank: Trainer Baumgart (r.) und Spieler jubeln nach dem Schlusspfiff.

Köln – Was für ein spektakuläres, begeisterndes Fußballfest in Müngersdorf. Und was für ein Comeback: Der 1. FC Köln hat am Samstagnachmittag das Bundesligaspiel gegen Borussia Dortmund vor 50.000 Zuschauern im Rhein-Energie-Stadion nach einem 0:1-Rückstand noch gedreht und den Vizemeister mit 3:2 bezwungen. Der FC vermieste somit die Rückkehr der Ex-Kölner Salih Özcan und Anthony Modeste, der im Gegensatz zum Ehrenfelder bei jedem Ballkontakt gnadenlos ausgepfiffen wurde.

Das Wichtigste zuerst

Nach dem Abpfiff gönnten sich auch Kölns Cheftrainer Steffen Baumgart und seine Assistenten, die soeben ihre Verträge beim FC unisono verlängert hatten, vor den begeisterten Fans ein Freudentänzchen.

Die Zuschauer hatten ein wahnsinniges Spiel mit zwei völlig unterschiedlichen Halbzeiten erlebt: Im ersten Durchgang war der Gast über weite Strecken deutlich überlegen, 12:4 lautete das Torverhältnis für den BVB. Die Kölner konnten sich bei Torhüter Marvin Schwäbe bedanken, der mit seinen herausragenden Paraden dafür sorgte, dass sie nur mit 0:1 in die Pause gingen. Doch im zweiten Durchgang drehte der FC auf, witterte mit jeder fortschreitenden Minute seine Chance.

Alles zum Thema Steffen Baumgart

Das Team investierte alles, was es hat, ging bis an die Grenzen, feuerte aus allen Lagen (16:9-Torschüsse für Köln) – und belohnte sich mit drei blitzsauberen Toren. Am Ende wurde es nach dem Anschlusstor noch etwas eng, doch der Gastgeber brachte den verdienten Sieg über die Zeit. Mit nun 13 Punkten nach acht Spieltagen steht das Baumgart-Team hervorragend da, Dortmund hat nur zwei Zähler mehr, der benachbarte Champions-League-Teilnehmer Leverkusen mit seinem teuren Luxuskader sagenhafte acht Punkte weniger.

Die Tore

Dortmund ging nach 31 Minuten in Führung. Nach einem riskanten Zuspiel von Timo Hübers und einem folgenden Ballverlust von Florian Kainz bediente Thomas Meunier den wunderbaren Jude Bellingham, der sogleich Fahrt aufnahm und quer zu Julian Brandt legte, der wiederum vor dem Kölner Tor eiskalt blieb.

In der 53. Minute glich der FC aus: Jonas Hector steckte mit viel Auge und dem richtigen Timing auf Linton Maina durch. Der wiederum legte quer in den Strafraum auf den mitgelaufenen Kainz, der sofort abzog. Nach 56 Minuten hatten die Kölner das Spiel gedreht: Ecke Kainz, Steffen Tigges schraubte sich am ersten Pfosten hoch und köpfte gegen seinen Ex-Klub zum 2:1 ein. In der 71. Minute bauten die Gastgeber die Führung aus: Der eingewechselte Denis Huseinbasic nutzte den freien Raum und bediente Dejan Ljubicic. Der guckte sich den BVB-Torwart Meyer aus und traf mit einem gekonnten Schlenzer ins rechte Eck zum 3:1.

In der 78. Minute kam Dortmund noch einmal ran: Moukoko spielte raus zu Rothe. Dessen Flanke in den Strafraum fälschte Benno Schmitz über Schwäbe hinweg zum Anschlusstor ab.

Das war gut

„Das war so ziemlich die coolste Halbzeit, die wir im Rhein-Energie-Stadion erlebt haben“, sagte FC-Verteidiger Timo Hübers über den zweiten Durchgang. „Wenn ich mit dem Fußballspielen aufhöre, werde ich mich daran erinnern. Die Stimmung war mega, vor allem am Ende“, befand Torschütze Dejan Ljubicic.

Dem ist nicht viel hinzuzufügen: Der FC zeigte nach einer schwächeren ersten eine zweite Halbzeit wie aus einem Guss, mit ganz viel Mut, Herz und Leidenschaft.

Das war schlecht

Nach einer ordentlichen Anfangsphase gab der FC das Spiel zwischenzeitlich aus der Hand und konnte sich in der Phase bei Keeper Schwäbe bedanken, dass es zur Pause nur 0:1 stand.

Spieler des Spiels

Florian Kainz . Er steht sinnbildlich für seine Mannschaft: nie aufgeben, auch nicht nach eigenen Fehlern (wie beim 0:1), weiter Vollgas geben, die Chance suchen. Bei Kainz kommt hinzu, dass er die individuelle Klasse besitzt, um zum entscheidenden Faktor zu werden. Komischerweise reicht diese Qualität offenbar nicht für die österreichische Nationalmannschaft aus, in die er weiter nicht berufen wird.

Moment des Spiels

Seien wir mal ehrlich: Bis zur 56. Minute hing Kölns neuer Mittelstürmer Steffen Tigges gegen seinen früheren Arbeitgeber schon arg in der Luft. Doch dann bewies der 24-Jährige, das 1,93 Meter Körpergröße eine Waffe sein können: Mit seinem Kopfballtreffer drehte er die Partie für den FC. Während Modeste leer ausging, hatte sein Nachfolger also getroffen.

Das sagen die Trainer

Steffen Baumgart (1. FC Köln): „Dortmund war in der ersten Halbzeit besser. Das lag daran, dass wir Unruhe hatten und am Sechszehner nicht sauber genug gespielt haben. Wir haben in der Pause darauf hingewiesen, dass wir ein gutes Spiel machen, aber wir die Bälle besser an den Mann bringen müssen. Das ist uns dann gelungen. In den ersten 20 Minuten der zweiten Halbzeit war es eine richtig gute Leistung. Ich hatte das Gefühl, dass wir sogar das vierte Tor machen können. Nach dem 2:3 hätten wir aber auch den Ausgleich kriegen können, deshalb sind wir sehr froh, dass wir das Spiel gewinnen konnten.”

Edin Terzic (Borussia Dortmund): „Ich möchte dem 1. FC Köln zum Sieg gratulieren. Für uns ist es sehr enttäuschend und bitter. Wir sind trotz aller Widrigkeiten der letzten Wochen gut ins Spiel gekommen. Dann ist im zweiten Durchgang passiert, was nicht passieren durfte. Wir waren in den ersten 20 Minuten nicht bereit, Zweikampfhärte zu zeigen. Dann braucht man sich nicht wundern, wenn man zwei Tore kassiert.“

Das sagen wir

Der 1. FC Köln hat erneut bewiesen, dass er – salopp formuliert – nicht kaputtzukriegen ist. Die Kölner Mannschaft gibt nicht auf. Sie beeindruckt insbesondere durch ihren Willen und ihre Mentalität. Auch wenn spielerisch ganz sicher nicht alles funktioniert und individuelle Fehler passieren, so kann man sich darauf verlassen, dass sie immer alles gibt, alles investiert, kämpft, läuft. Sicherlich ein großes Verdienst von Steffen Baumgart, der dieses Engagement vorlebt.

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Und deshalb ist dann diese Kölner Mannschaft auch in der Lage, ein auf fast allen Positionen individuell besser besetztes Team wie Borussia Dortmund zu bezwingen, das nach der Pause allerdings auch erschreckend viel vermissen ließ. 14 Treffer hat der FC bisher in der Bundesliga erzielt – und dies ohne seinen nach Dortmund abgewanderten Torjäger Anthony Modeste. Sicherlich haben die Kölner durch seinen Abgang vorne Qualität verloren, doch derzeit können sie das durch ihr Kollektiv kompensieren. Das mag nicht immer funktionieren, derzeit klappt es aber hervorragend.

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