Bittencourts erste Rückkehr„Ich kann mir vorstellen, noch mal für den FC zu spielen"

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Seit Anfang September 2019 läuft der Ex-Kölner Leonardo Bittencourt für Werder Bremen auf. Am Samstag kehrt er erstmals zu einem Spiel beim FC zurück.

Herr Bittencourt, Werder Bremens Pokal-Viertelfinale in Regensburg wurde aufgrund mehrerer Corona-Fälle beim Gegner verschoben. Kommt Ihnen das vor dem wichtigen Spiel in Köln gelegen?

Leonardo Bittencourt: In der Kabine war die Stimmung so, dass wir uns alle auf das Spiel in Regensburg gefreut hatten. So oft hat man ja auch die Möglichkeit nicht, in ein Pokal-Halbfinale einzuziehen. Der 2:1-Sieg gegen Frankfurt hat uns Rückenwind gegeben, zudem hätten wir genügend Tage Pause bis zum Spiel am Sonntag in Köln gehabt. Deshalb ist die Verschiebung schade, aber sie ist absolut nachvollziehbar.

Werder hat sich durch den Erfolg gegen Frankfurt von den gefährdeten Teams etwas absetzen können. Kann man da etwas durchatmen?

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Nein, wir haben überhaupt keinen Grund, auch nur etwas nachzulassen. Wir hatten gegen Frankfurt einen klaren Plan, wie wir das Spiel gewinnen könnten, und wir haben ihn dann konsequent umgesetzt. Das war richtig gut, aber in der Vorwoche hatten wir beim 0:4 in Hoffenheim schwer enttäuscht. Und die enge Tabellenkonstellation zeigt doch, wie wichtig das nächste Spiel in Köln schon wieder ist. Gewinnen wir, sind wir acht Punkte vor dem FC. Verlieren wir, ist der FC nur noch zwei Punkte hinter uns. Bei 1:1 im Hinspiel waren wir überrascht, wie tief die Kölner standen. Das war nicht einfach für uns. Ein ähnlich umkämpftes, enges Spiel erwarte ich wieder, der FC wird sicherlich erneut nicht volles Risiko gehen. Aber auch nach dem Spiel am Sonntag ist gar nichts entschieden. Die letzten acht Teams in der Tabelle werden den Kampf um den Klassenerhalt unter sich ausmachen, und dieser könnte bis zum letzten Spieltag anhalten.

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Die Mannschaften von Platz 15 bis 18 haben allesamt jüngst ihren Trainer gewechselt. Spricht das für die Nervosität im Keller?

Das kann man so deuten.  Wir hatten in der vergangenen Saison eine ähnliche Situation, auch da wurde der Druck von außen immer größer. Unsere Verantwortlichen hatten sich allerdings entschieden, an unserem Trainer Florian Kohfeldt festzuhalten. Sie haben die Ruhe bewahrt und waren der Überzeugung, dass wir es gemeinsam schaffen würden. Wir sind damit gut gefahren.

Sind Sie Ihrem Ex-Klub Köln eigentlich noch dankbar?

Warum?

Am letzten Spieltag der vergangenen Saison hat der FC beim 1:6 in Bremen praktisch keine Gegenwehr mehr geleistet. Dadurch kam Ihre Mannschaft erst in die Relegation, und durch den Klassenerhalt ergab es sich, dass Werder Sie fest verpflichten musste.

Das stimmt, aber das Spiel ist schon fast vergessen. Es hätte damals auch anders verlaufen können, wenn Tony Modeste früh für den FC getroffen hätte. Die Kölner waren zuvor auch schon gerettet, und bei uns passte an dem Tag alles. Am Ende hätte uns ja auch 2:0-Sieg für den Sprung auf den Relegationsplatz gereicht.

Aktuell sind beide Klubs wieder gefährdet.

Aber kommt das wirklich überraschend? Durch Corona war es für Mannschaften wie den FC und uns, die ohnehin nicht über die großen finanziellen Mittel verfügen, noch schwieriger, zu planen und sich zu verstärken. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass wir beide im Vergleich zur Konkurrenz genügend Qualität haben, um in der Liga zu bleiben.

Vor allem im eigenen Stadion tut sich der FC schwer. In den vergangenen zwölf Monaten gelang Köln nur ein Heimsieg (gegen Bielefeld). Haben Sie eine Erklärung?

Für die Gegner war es nie angenehm, in Köln vor vollem Haus zu spielen. Aus eigener Erfahrung weiß ich: Die Fans haben uns enorm gepusht, das war ein wichtiger Faktor. Diese Unterstützung fehlt dem FC, aber auch uns, denn in unserem Stadion ist die Atmosphäre ebenfalls klasse. Und sie fehlt uns sicherlich mehr als Vereinen, die nicht solch eine tolle Stimmung in den Stadien haben.

War es dann ein Fehler von Ihnen, den FC nach dem Abstieg ausgerechnet in Richtung Hoffenheim zu verlassen, einem Klub, der nicht gerade für die großen Emotionen steht?

Der Abschied aus Köln ist mir in der Tat sehr schwer gefallen. Ich wollte auch erst trotz des Abstiegs beim FC bleiben, doch dann erhielt ich das Angebot aus Hoffenheim mit der Aussicht, erstmals in der Champions League zu spielen. Ich hatte damals meinen Ex-Trainer Peter Stöger um Rat gefragt, er hat mich darauf hingewiesen, dass für einen Spieler wie mich, der viel über die Emotionen kommt, der Kontrast zu Köln schon sehr groß werden könnte. Er sollte Recht behalten. Das lag vielleicht auch an mir, da ich den FC nicht ganz loslassen konnte. Doch ich will jetzt überhaupt nicht schlecht über Hoffenheim reden: Der Verein bietet super Bedingungen, ich konnte in der Champions League spielen und von Julian Nagelsmann, einem der besten Trainer überhaupt, viel lernen.

Können Sie sich denn vorstellen, noch einmal das FC-Trikot zu tragen?

Ich habe bei Werder einen Vertrag, aber natürlich kann ich mir vorstellen, noch mal für den FC zu spielen. Köln ist für meine Familie und mich zur Heimat geworden. Wir haben ein Haus in Köln, meine Eltern leben ebenfalls in der Stadt. Ich bin jetzt 27 Jahre alt, da kann noch viel passieren.

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22. Mai 2017: Leonardo Bittencourt feiert als FC-Spieler und mit Trainer Peter Stöger (l.) Platz fünf und den Europapokal-Einzug. Erstmals seit 25 Jahren hatte sich der FC wieder für das internationale Geschäft qualifiziert.

Aber vorerst kehren Sie zum ersten Mal überhaupt als gegnerischer Spieler ins Rhein-Energie-Stadion zurück. Mit welchen Gefühlen?

Ja, als ich in Hoffenheim war, spielte der FC in der 2. Bundesliga. Und in der letzten Saison fehlte ich ausgerechnet in Köln wegen einer Gelbsperre. Es wird bestimmt etwas komisch. Aber auf dem Platz kann ich den Schalter sofort umlegen und gebe alles für Werder.

Stehen Sie denn überhaupt in der Startelf? Nach starkem Saisonbeginn kamen Sie zuletzt auch mal von der Bank ins Spiel.

Das hat mich etwas überrascht, denn insgesamt bin ich bisher mit meiner Saison eigentlich ganz zufrieden. Letztlich entscheidet aber der Trainer und ich werde auch weiterhin versuchen, jeden Tag meine beste Leistung zu zeigen. Nach fast 200 Bundesligaspielen ist es mein Anspruch, voranzugehen und ein Führungsspieler zu sein.

Zur Person

Leonardo  Bittencourt, geboren am 19. Dezember 1993 in Leipzig, ist der Sohn des früheren brasilianischen Profis Franklin Bittencourt (u.a. VfB Leipzig, Energie Cottbus). Von 1999 bis 2012 lief der offensive Mittelfeldspieler für Cottbus auf und kam 2011 zum Profi-Debüt. Nach Stationen beim BVB  (2012-2013) und Hannover 96 (2013-2015) wechselte Bittencourt 2015 nach Köln (76 Spiele, zwölf Tore). Im Sommer 2018 ging der Ex-U-21-Nationalspieler für sechs Millionen Euro Ablöse nach  Hoffenheim. Seit  September 2019 spielt er für Werder Bremen.

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