Zwei Trios versuchen, je 4600 Unterstützer zu gewinnen, um für den Vorstand des 1. FC Köln kandidieren zu dürfen
FC-MitgliederversammlungDie Qual vor der Wahl

Die Mitgliederversammlung des 1. FC Köln wird im Herbst erstmals im Rhein-Energie-Stadion stattfinden.
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Der Hamburger SV hat am Wochenende einen neuen Vorstand gewählt. Knapp neun Stunden benötigte der nach sieben Jahren aus der Zweiten Liga ins Oberhaus zurückgekehrte Traditionsklub, ehe 1187 der knapp 130.000 Mitglieder Henrik Köncke ins Amt gehoben hatten. Der 34-Jährige war früher Vorsänger der Ultras auf der Nordtribüne des Volksparkstadions und damit ein Kandidat der Szene. 780 Stimmen erhielt er und damit die Unterstützung von 0,6 Prozent der HSV-Mitglieder.
Klublegende Felix Magath hatte ebenfalls kandidieren wollen, war jedoch nicht zur Wahl zugelassen worden. Gegen diese Entscheidung des Beirats war eine Protestwelle durch die sozialen Netzwerke gerollt, die es allerdings nicht bis zur Versammlung im Stadion geschafft hatte: 92 Prozent der anwesenden Mitglieder stimmten gegen den Antrag, die Präsidiumswahl auszusetzen.
Die Erkenntnisse der Versammlung: In einem Verein mit 130.000 Mitgliedern genügen 780, um einen Präsidenten zu wählen. Und selbst die scheinbar größte Digitalempörung bleibt in der Realität regelmäßig unterhalb der Wahrnehmungsgrenze.
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Im Herbst sind die Mitglieder des 1. FC Köln zur Wahl aufgerufen, das genaue Datum der Veranstaltung ist noch unbekannt. Der Verein lädt seine Mitglieder diesmal ins Stadion in Müngersdorf ein, um die Teilnehmerzahlen zu erhöhen. Der Gedanke: Wenn zu einem Zweitliga-Heimspiel gegen Regensburg 50.000 Besucher kommen, werden womöglich immerhin 5000 ins Stadion kommen, wenn eine Präsidiumswahl ansteht.
In Hamburg dürften sie ähnlich gedacht haben, dort kommen schließlich auch gegen Paderborn 57.000 Zuschauer. Zur Wahl erschienen dann nur besagte 1187, was kein Ruhmesblatt für einen Verein ist, der sich Teilhabe auf die Fahnen schreibt.

Ex-Profi-Spielerin Tugba Tekkal (40), Unternehmer Wilke Stroman (45) und der amtierende FC-Vizepräsident Carsten Wettich (45) (v.l.) bewerben sich.
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Weil die Deutsche Fußball-Liga (DFL) ihren Spielplan erst in den kommenden Tagen veröffentlichen wird, wissen die Kölner noch nicht, an welchem Wochenende sie ihr Stadion zur Verfügung haben, um dort eine Wahl auszurichten. Weil außerdem am 14. September die Kommunalwahl stattfindet, ist die Terminwahl eingeschränkt. Wer also langfristig planen will, um die Mitgliederversammlung zu besuchen, muss geduldig sein. Auch hier gilt: Zwar steht noch nicht fest, wann der 1. FC Köln in der anstehenden Saison zum Beispiel gegen Heidenheim spielt. Doch das Stadion wird ausverkauft sein. Ein Fußballspiel mobilisiert eben besser als eine Wahl.
Viele finden es gut, dass es zum ersten Mal in der Geschichte des Vereins mehrere Teams geben wird, die mit dem vom Mitgliederrat vorgeschlagenen Trio konkurrieren
Ohnehin ist umstritten, wie viele Mitglieder wegen der Möglichkeit in einen Bundesligaverein eintreten, sich gestalterisch zu betätigen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass ein Großteil der 150.000 wegen der Aussicht auf Eintrittskarten oder Rabatte im Fanshop vom Fan zum Mitglied wird.
Dabei ist die aktuelle Kölner Vorstandswahl bereits jetzt spannender als je zuvor, obwohl noch gar nicht feststeht, wer überhaupt antreten wird. Das Team des Mitgliederrats um den Immobilien-Unternehmer Jörn Stobbe ist zwar nominiert. Doch ob es Konkurrenz geben wird, steht in den Sternen. Ein Trio mit Wilke Stroman an der Spitze will ebenso antreten wie der Politiker Sven-Georg Adenauer mit seinen Mitstreitern. Diese Teams benötigen allerdings die schriftliche Unterstützung von 4600 FC-Mitgliedern. Die müssen nicht stimmberechtigt sein, Eltern können für ihre Kinder unterschreiben – was eine etwas seltsame Volte ist, denn wählen dürfen letztlich nur FC-Mitglieder, die das 16. Lebensjahr vollendet haben. Allerdings vereinfacht das die Berechnung der Unterstützerstimmen: Drei Prozent aller FC-Mitglieder muss ein Team hinter sich versammeln; Mitglieder können auch mehrere Teams unterstützen. Wählen darf man am Ende allerdings nur eines.

Thorsten Kiesewetter, Sven-Georg Adenauer und Martin Hollweck (v.l.).
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Sven-Georg Adenauer erklärte im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ bereits, er halte die Praxis des Stimmensammelns für „anachronistisch“, weil die Mitglieder die Formulare ausdrucken, ausfüllen und zurückschicken müssen. Dennoch stellt sich der Enkel des ersten Bundeskanzlers der Herausforderung. „Viele finden es gut, dass es zum ersten Mal in der Geschichte des Vereins mehrere Teams geben wird, die mit dem vom Mitgliederrat vorgeschlagenen Trio konkurrieren. Die Mitglieder schätzen es, dass wir einen Demokratisierungsgedanken in das Verfahren bringen“, sagt der CDU-Landrat.
Stroman nennt das Stimmensammeln ein „ambitioniertes Ziel“. Doch auch der 45-Jährige findet Gefallen am Austausch mit den FC-Mitgliedern. „Wir sind mit unserer Kampagne jetzt mit Schwung gestartet, haben eine Homepage, sind auf Social Media aktiv und nutzen unser Netzwerk. Wir gehen jetzt aktiv zu den Fans, denn wir sind nahbar“, beschreibt er.
Bis zum Wochenende hatten Adenauer und seine Kollegen rund 2000 Stimmen beisammen, das Team Stroman liegt bereits bei 2500. Trotz der Mühsal nennen Vertreter beider Trios den Austausch mit den FC-Fans als Gewinn. Und tatsächlich ist es ja so: Zwar stammt die geforderte Unterstützerzahl aus Zeiten, in denen der 1. FC Köln deutlich weniger Mitglieder hatte, daher sind die derzeit rund 4600 benötigten Stimmen deutlich mehr als von den Müttern und Vätern der Satzung einst gedacht.
Guter Realitätstest für die Kandidaten
Doch der Realitätstest, dem sich die Kandidaten nun unterziehen müssen, ist womöglich keine schlechte Vorbereitung auf das spätere Amt. Denn grundsätzlich sollte ein Team, das sich zum Ziel gesetzt hat, einem Bundesligaverein mit 150.000 Mitgliedern vorzustehen, nicht nur über die nötigen Netzwerke verfügen, um 4600 Menschen zu erreichen. Es sollte auch den Willen und die Kraft haben, diese Menschen für sich zu gewinnen.
Der nächste Schritt wäre dann, die Unterstützer zu Wählern zu konvertieren. Auch darin liegt eine Chance: Wenn zwei Teams jeweils 4600 Menschen dazu bringen, ihre Unterschrift für sie abzugeben – vielleicht gelingt es dann auch, dass mehr zur Versammlung kommen als üblich.
Zumindest mehr als die 1187, die am Samstag im Volksparkstadion abstimmten.