Nach Horror-HinrundeWehrle: „Schmadtkes Schritt hat mich auch menschlich enttäuscht“

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Da war die Welt noch in Ordnung: Die Geschäftsführer Jörg Schmadtke (l.) und Alexander Wehrle (r.) kutschieren Peter Stöger und Co. durch London.

Köln – Es gibt da dieses Foto von der  Kurzreise der Verantwortlichen am 27. Mai nach London. Ein Dokument, das der 1. FC Köln selbst auf Twitter veröffentlichte. Die Geschäftsführer Jörg Schmadtke und Alexander Wehrle lenken Rikschas, kutschieren ihr Trainerteam bestehend aus Peter Stöger,  Manfred Schmid und  Alexander Bade durch die Kapitale. Nachmittags besuchen sie zusammen das FA-Cup-Endspiel im Wembley-Stadion. Die Stimmung? Klasse, euphorisch. Kein Wunder, sieben Tage zuvor hat der FC mit Platz fünf den größten Erfolg des Vereins seit einem Vierteljahrhundert gefeiert.

Bereits wenige Wochen danach ist der FC – um im Bild zu bleiben – aus dem Tritt gekommen. Ach was, er ist im Klassement brutal gestürzt. Und es hat Ende Oktober und Anfang Dezember zwei Protagonisten  aus dem Sattel geworfen: Schmadtke und Stöger sind nach einer beispiellosen Talfahrt eines Klubs bereits Geschichte.

Wehrle als einziger aus dem Trio noch da

Wehrle ist als einziger aus dem einstigen Erfolgs-Trio aus dem operativen Geschäft noch da. „Was mittlerweile passiert ist, war damals nicht vorstellbar. Natürlich nicht“, sagt er rückblickend. Man habe Spaß in London gehabt, wie  im Jahr zuvor bei der gemeinsamen Reise nach Miami. „Wir hatten Erfolg, haben uns geschätzt und vertraut“,  erklärt der 42-Jährige, dessen Vertrag wie der von Schmadtke erst am 11. Mai bis 2023 verlängert worden war.

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Am 3. Dezember müssen er und Präsident Werner Spinner  öffentlich erklären, dass sich der Verein nach drei Punkten aus 14 Spielen vom einstigen Erfolgstrainer  Stöger trennt. Beide wirken emotional angefasst, Wehrle wird laut und Spinner unsouverän. Der Zeitpunkt der Trennung überrascht. Wehrle hält ihn auch für falsch, trägt die Entscheidung aber mit.

Schmadtkes Demission nach einer völlig verkorksten Transferperiode ist da schon fünf Wochen her.  Sein Vertrag ist in „beiderseitigem Einvernehmen“ aufgelöst worden. Schmadtke, der sich  als Buhmann  gebrandmarkt fühlte, erhoffte sich einen „Impuls“ für die Mannschaft. Den gab es bis dato nur auf seinem Konto: Der Manager erhielt für seine Flucht eine Abfindung von 3,3 Millionen Euro.

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Der FC in der Krise: Schmadtke (l.) und Wehrle wirken bedient.

Nach dem  Abgang des Duos rückt Wehrle unweigerlich viel mehr in den Fokus. Seit Januar 2013 ist der Schwabe in Köln im Amt. Seine schwerste Zeit? „Nein, das wir die in meiner Anfangszeit. Damals ging es um die Existenz des FC.“ Aber „extrem herausfordernd“ sei sie  gewesen. „Natürlich ist das nicht spurlos an mir vorbeigegangen.“

Wehrle musste fortan Dinge aus dem sportlichen Bereich verantworten und erklären, die nicht primär in seinen Aufgabenbereich fielen. „Aber ich will nicht jammern, und Mitleid mag ich sowieso nicht. Diesen Gegenwind musst du aushalten können, und ich kann ihn aushalten. Mir liegt es total fern, mich aus der Verantwortung zu stehlen. Du musst  dann stehen“, sagt Wehrle und wirkt dabei sehr entschlossen. Gott habe ihm zum Glück eine Gabe mitgegeben: „Ich kann abends immer einschlafen – das ist ein Vorteil.“

Ist er von einigen Personen bitter enttäuscht? Bei Schmadtke und dessen als Nachfolger gehandelten Horst Heldt ist das wohl so. „Jörg weiß, dass ich wollte, dass er weitermacht. Mit seinem Schritt hat er  mich auch menschlich enttäuscht. Alles Weitere gehört nicht in die Öffentlichkeit, das teile ich ihm direkt mit. Und das werde ich tun.“

"Hätten intern mehr diskutieren müssen"

Kontakt habe es zuletzt keinen mehr gegeben. Hannovers Sportdirektor Heldt, den er schon so lange kenne,  habe sich nicht an seine Worte, an seine Zusage  gehalten. „Horst Heldt hat uns vermittelt, dass er zu 100 Prozent zu uns will und auch kommt. Er hat es nicht durchgehalten. Dennoch habe ich es mir angelastet.“

Die Personalie  Stöger sieht Wehrle differenzierter. Dass der Wiener nur sieben Tage nach seiner Trennung vom vermeintlichen Herzensklub Köln beim BVB aufschlägt, sieht der Schwabe so: „Ich hätte das zwar auch nicht für möglich gehalten, aber letztlich muss das jeder mit sich ausmachen. Dass Peter  nach der äußerst intensiven Zeit beim FC sofort so viel Energie für eine neue Aufgabe hat, davon bin ich schier beeindruckt“, sagt der Geschäftsführer. Ein ironischer Unterton lässt sich nicht leugnen.

Sieht er auch Fehler bei sich? „Im Nachhinein hätten wir intern viel mehr über einige Entscheidungen diskutieren müssen, vor allem über Transfer-Entscheidungen.“ Ab sofort will er aber nach vorne schauen. „Alles andere hilft uns jetzt nicht.“  Damit der FC wieder in Tritt kommt. Springt in der Rückrunde doch noch der sensationelle Klassenerhalt rum, wäre dies für Wehrle nicht nur ein Etappensieg. Es wäre  ein Husarenritt.

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