Stefan Ruthenbeck genießt in der Branche einen sehr guten Ruf. Im Interview spricht Kölns U19-Trainer über die Saison, Talente und eigene Ambitionen.
Stefan Ruthenbeck„Ich sehe mich eher als Entwickler“

Der gebürtige Kölner Stefan Ruthenbeck (53) ist seit Juli 2017 für den FC als Trainer tätig.
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Der gebürtige Kölner Stefan Ruthenbeck hat in seiner mittlerweile fast achtjährigen Tätigkeit für den FC viel erlebt: Als Nachwuchstrainer, der vor anderthalb Wochen die U19 des Klubs nach einem sagenhaften Finale in Leverkusen zur Meisterschaft führte. Oder zwischenzeitlich auch als Trainer der Kölner Profis, der im Dezember 2017 nach der Trennung von Peter Stöger eine undankbare Aufgabe übernahm und den Bundesliga-Abstieg auch nicht mehr verhindern konnte. Und danach wieder in den Nachwuchsbereich des FC zurückkehrte.
Doch viele in und um den Verein trauen Ruthenbeck einen Job im Profi-Fußball absolut zu. Zumal der Coach vor seiner FC-Zeit bereits als Chefcoach von Greuther Fürth und des VfR Aalen in der 2. Bundesliga tätig war. Mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ spricht Ruthenbeck über seine eigenen Ambitionen, die Suche des Bundesliga-Aufsteigers nach einem neuen Cheftrainer, das Meisterstück mit der Kölner U19 und die größten Talente des Klubs.
Herr Ruthenbeck, welchen Stellenwert nimmt bei Ihnen der 18. Mai mit der Meisterschaft Ihrer A-Junioren-Mannschaft und dem Aufstieg der FC-Profis ein?
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Wenn ich an den Tag zurückdenke, dann bekomme ich immer noch Gänsehaut. Als wir nach dem Endspiel zurück in Köln waren und ins Stadion kamen, es bereits 2:0 für den FC stand und eine große Aufstiegseuphorie herrschte, wurden wir von den Fans aufgefordert, die Meisterschale zu präsentieren. Und das ganze Stadion hat gesungen: „Deutscher Meister 1. FC Köln.“ Eigentlich wollten wir uns im Stadion ruhig verhalten, du weißt ja schließlich nie, wie solch ein wichtiges Spiel verläuft, aber dann sind wir auf der Südtribüne sofort erkannt worden. Und da kannte die Euphorie keine Grenzen mehr. Ich behaupte mal: In Deutschland hat es das noch nie gegeben, dass ein U19-Meister so gefeiert wurde. Auch die Profis haben die Jungs nach dem Abpfiff unwahrscheinlich wertgeschätzt. Das war einfach wunderschön.
Was war für Ihre Mannschaft der Schlüssel zum Titel?
Der 2:0-Sieg Anfang März beim FC Bayern. Wir mussten nach einer Roten Karte eine Stunde lang in Unterzahl spielen, in der Nachspielzeit waren wir nach einer Ampelkarte dann noch einmal einen Mann weniger, und kassieren dennoch kein Gegentor. Dieser Sieg bei einer überragend besetzten Mannschaft hat uns noch einmal einen gewaltigen Schub gegeben. Der Sieg hat alles verändert. Wir hatten vorher ein Mentalitätsproblem, das sage ich ganz offen. Mit dem Spiel ist etwas passiert, die Jungs haben ein ganz anderes Selbstverständnis entwickelt. Sie haben dran geglaubt, Widerstände zu überwinden und Spiele drehen zu können – selbst gegen individuell überlegene Gegner. Auf einmal hatten wir Mentalitätsmonster in der Truppe. Das Finale in Leverkusen (5:4-Sieg nach 0:2-Rückstand, d. Red.) hat das dann noch einmal eindrucksvoll bewiesen.
Nur, weil wir etwas wollen, heißt es noch lange nicht, dass der Spieler und sein Umfeld das auch wollen.
Welcher Spieler hat den größten Entwicklungsschritt gemacht?
Die Entwicklung von Fayssal Harchaoui ist schon besonders. Nachdem er ziemlich zu Beginn der Saison vom Training bei den Profis zu uns zurückgekehrt war, mussten wir ihn schon mental auffangen. Wenn so etwas passiert, dann ist das aber auch genau meine Aufgabe, da zu helfen. Wir haben dafür allerdings etwas Zeit gebraucht. Irgendwann wurde Fayssal aber dann zu einem echten Leader, den wir auch brauchten. Er hat die Spiele mitentschieden, obwohl das für ihn als Bindeglied zwischen Defensive und Offensive eigentlich gar nicht seine Hauptaufgabe war. Fayssal hat noch einmal einen großen Sprung gemacht.
Harchaoui ist mittlerweile hochdekoriert: Weltmeister, Europameister, Deutscher Meister. Er ist jetzt 19 Jahre alt. Warum spielt er bei den Profis noch nicht die Rolle, die für ihn eigentlich prädestiniert sein sollte?
Wir müssen immer berücksichtigen, dass der Herrenfußball etwas ganz anderes als der Juniorenfußball ist. Wer im Jugendfußball funktioniert, der funktioniert noch lange nicht sofort in der 1. oder 2. Bundesliga. Das ist ein Prozess, den ein Spieler durchlaufen muss. Es geht auch um Themen wie Mindset und Athletik, die eine immer größere Rolle spielen. Mit meinen Einschätzungen, wer den Sprung zu den Profis schafft, liege ich in der Regel ganz gut. Natürlich kann Fayssal den Sprung schaffen, das Potenzial dazu hat er auf jeden Fall.

Am 18. Mai gewann Stefan Ruthenbeck mit der U19 des 1. FC Köln die Deutsche A-Junioren-Meisterschaft.
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Welche Spieler können Sie einem zukünftigen Cheftrainer noch ans Herz legen?
Wir müssen erst einmal gucken, wer am Ende Cheftrainer wird. Natürlich werden wir als FC-Akademie diesem dann ein paar Jungs empfehlen. Kein U19-Trainer antwortet gerne konkret auf diese Frage. Es hat natürlich auch immer mit dem Bedarf bei den Profis zu tun und wie der Trainer spielen lassen will. Aber es gibt da einige Jungs, die in Frage kommen.
Warum steht kein einziger Spieler vom Meister Köln im EM-Kader der DFB-U19?
Die Frage müssten sie zuerst Bundestrainer Hanno Balitsch stellen. Mit Fayssal, Youssoupha Niang und Justin von der Hitz stehen drei Spieler von uns auf Abruf, die allesamt auch eine sofortige Berufung verdient gehabt hätten. Aber die Truppe von Hanno ist schon gut, die Konkurrenz ist groß. Mit Said El Mala ist allerdings ein hervorragender Spieler im Kader, der jetzt zum FC wechseln wird. Es ist klasse, dass unsere Verantwortlichen ihn und seinen Bruder Malek von einem Transfer zum FC überzeugen konnten. Denn vor allem an Said waren ungemein viele Klubs interessiert.
Auf der anderen Seite verliert der FC wieder einmal ein großes Talent. Justin von der Hitz wechselt ablösefrei nach Nürnberg. Die Aufregung war zuletzt groß. Wie sehen Sie die Personalie?
Natürlich ist es schade, wenn ein großes Talent den Verein verlässt. Zu seinen genauen Beweggründen kann ich wenig sagen. Ich kann nur sagen: Wir im Nachwuchsbereich, unsere Verantwortlichen in der Akademie, alle haben um Justin gekämpft. Wir haben wirklich alles versucht. Es gab auch Gespräche mit unserer Lizenzspielerabteilung. Am Ende war es aber die Entscheidung von Justin und seinem Umfeld. Ich möchte aber erwähnen, dass von unserer Startelf beim Finale in Leverkusen zehn Spieler auch in der kommenden Saison beim FC unter Vertrag stehen. Das ist eine gute Quote.
Grenzwertig ist auf jeden Fall, dass Luca noch sehr jung ist. Er ist Jahrgang 2012. Dieser Fall sollte keine Schule machen.
Die Kritik an dem Wechsel erfolgte in einem Kontext. Der Vorwurf ist: Der FC leistet zwar eine großartige Jugendarbeit unter teilweise nachteiligen, wenn auch verbesserten Bedingungen. Und dann verliert der Klub seine eigenen Talente viel zu billig, der Fall Florian Wirtz ist natürlich der prominenteste. Warum ist das so, und wie kann man das in Zukunft verhindern?
Das wird weiterhin schwierig für uns sein. Klubs wie Bayern oder Dortmund haben einfach bessere Karten, Talente zu halten. Wir bilden sehr gut aus, das stimmt. Andere, potentere Klubs schauen deshalb nicht ohne Grund auf uns.
Aber muss man da nicht trotzdem vorher Nägel mit Köpfen machen und die Talente früher an sich binden?
Aber wenn die Jungs dies gar nicht wollen? Wenn die Eltern oder Berater sagen, dass sie erst einmal die weitere Entwicklung abwarten wollen? Was macht man dann? Es ist nicht immer so einfach, wie es von außen vielleicht erscheinen mag. Vielleicht ist das eine unpopuläre Aussage: Nur, weil wir etwas wollen, heißt es noch lange nicht, dass der Spieler und sein Umfeld das auch wollen. Es liegt nicht nur an uns, wenn bestimmte Dinge nicht funktionieren. Auch die Seite des Spielers muss das richtige Gespür dafür haben, was für den Spieler der vermeintlich beste Weg ist und wo er ihn gehen will. Natürlich können wir bestimmte Sachen bei uns noch optimieren, aber es wird wohl immer mal wieder vorkommen, dass wir Talente verlieren. Das ist ganz normal.
Vor wenigen Tagen gab es erneut einen Transferstreit zwischen dem FC und Bayer 04 um die Cannizzaro-Brüder Luca (13) und Simone (16), die jetzt nach Leverkusen wechseln. Das Wort vom Talente-Klau machte sogar die Runde. Wie lautet Ihre Meinung?
Auch da waren wir abhängig davon, was in dem Fall der Vater und Berater in einer Person für Ideen haben. Ich habe an den Vertragsgesprächen nicht teilgenommen, aber in der Akademie wollte natürlich auch in dem Fall keiner, dass die Jungs gehen.
Machen Sie Bayer 04 einen Vorwurf?
Grenzwertig ist auf jeden Fall, dass Luca noch sehr jung ist. Er ist Jahrgang 2012. Dieser Fall sollte keine Schule machen.
Ruthenbeck kann sich weiterhin Job im Profi-Fußball vorstellen
Es gab mal ein Anti-Abwerbungsabkommen zwischen den Klubs.
Das existiert ja mittlerweile nicht mehr. Und wir waren da bestimmt nicht die treibende Kraft.
Die gerade gestellten Fragen gehen auch an den künftigen Leiter des FC-Leistungsbereichs. Ab dem 1. Juli haben Sie eine Doppelfunktion. Wie lässt sich das zeitlich bewerkstelligen?
Wenn das nicht zu schaffen wäre, wäre ich das ja gar nicht erst eingegangen (lacht). Das ist alles bei uns genau besprochen worden und ist erst einmal auf zwei Jahre angelegt. Ich denke, dass ich schon derjenige im Verein bin, der den Leistungsbereich mit am besten kennt. Alleine auch aufgrund meiner langen Vereinszugehörigkeit und Erfahrung. Das wird mir die Arbeit zeitlich gesehen etwas erleichtern. Ich kann auch Entscheidungen treffen, ohne zuvor große Recherche zu betreiben. Ich habe keine eigenen, neuen Visionen, denen ich gerecht werden muss. Und ich muss auch nicht um jeden Preis etwas verändern. Wir haben bereits klare Vorstellungen und Leitplanken im Klub und in der Akademie, an denen ich bereits mitgearbeitet habe.
Sie sind gebürtiger Kölner und bereits seit acht Jahren im Verein. Was bedeutet Ihnen der FC?
So viel. Ich war im Doublejahr 1978 mit meinem Papa das erste Mal im Müngersdorfer Stadion. Der FC ist für mich pure Leidenschaft und der Verein, der mir am nächsten steht. Und deshalb ist es immer noch etwas ganz Besonderes für mich, für diesen Verein arbeiten zu können.
Der FC ist für mich pure Leidenschaft und der Verein, der mir am nächsten steht. Und deshalb ist es immer noch etwas ganz Besonderes für mich, für diesen Verein arbeiten zu können
Sie haben den FC 2017/18 18 Spiele in der Bundesliga betreut und waren zuvor auch Zweitliga-Trainer in Fürth und Aalen. Warum haben Sie die Arbeit auf der großen Bühne gegen die auf der kleineren eingetauscht?
Es ist nicht so, dass ich Angst vor Druck habe. Ich glaube, ich kann ganz gut Spieler entwickeln. Und dies zusammen mit einer konkreten Idee. Und dafür benötige ich Zeit. In der Regel punkten meine Mannschaften in der Rückrunde mehr als in der Hinrunde und spielen dann auch besser. Das ist ein klares Indiz dafür, dass ich ein Entwickler bin. In der ersten und zweiten Liga geht es dagegen Woche für Woche fast nur um das Ergebnis. Das ist auch spannend und reizvoll, passt aber nicht so sehr zu meinem Trainer-Bild.
Spielen da auch Ihre Erfahrungen aus der Saison 2017/18 eine Rolle, die nach einer katastrophalen Hinrunde am Ende im Abstieg mündete?
Klar. Ich habe in dem halben Jahr in der Bundesliga unheimlich viel gelernt. Manche sagen, dass die Aufgabe undankbar gewesen sei. Aber ich habe seinerzeit auch gemerkt, wie wenig Ahnung ich damals noch von dem Geschäft hatte. Ich habe viel von den Gesprächen mit Spielern wie Jonas Hector, Simon Terodde, Dominic Maroh und Jhon Cordoba mitgenommen und gelernt. Ich war damals noch gar nicht auf die Bundesliga vorbereitet, das ist nochmal etwas ganz anderes im Vergleich zur Zweiten Bundesliga.
Können Sie sich einen Job im Profi-Fußball wieder vorstellen?
Auf jeden Fall. Aber es muss passen. Ich brauche schon ein familiäres Umfeld und volle Rückendeckung. Ich will auch mit jungen Spielern arbeiten. Wenn eine derartige Aufgabe in Aussicht wäre, dann würde ich mir das natürlich auch anhören und wäre nicht von vornherein abgeneigt. Doch das, was ich derzeit beim FC mache, passt aktuell am besten zu mir. Aber vielleicht sagt ja auch irgendwann mal der FC zu mir: „Ruthe, es macht jetzt keinen Sinn mehr mit dir.“ Dann müsste ich mir zwangsweise andere Angebote anhören (lacht).

In der Saison 2017/18 übernahm Stefan Ruthenbeck beim FC für ein halbes Jahr das Amt des Cheftrainers.
Copyright: Benjamin Horn
Hat der FC Sie jüngst nach der Trennung von Cheftrainer Gerhard Struber gefragt?
Nein, ich wurde nicht gefragt, da gab es keinen Austausch. Aber ich glaube auch, dass es jetzt so richtig war, wie alles gekommen ist. Friedhelm Funkel hat das souverän und sehr gut gemacht. Und ich hätte meine Mannschaft und die Jungs auch nicht vor dem Meisterschaftsfinale verlassen.
Nachdem feststeht, dass Aufstiegsretter Funkel nicht FC-Trainer bleiben wird, befindet sich der Klub erneut auf Cheftrainer-Suche. Würden Sie sich den Job zutrauen?
Der Job ist auch eine tolle, reizvolle Aufgabe. Aber ich will ihn nicht (lacht).
Wir wollen Sie jetzt nicht quälen: Aber warum nicht?
Ist schon gut (lacht). Ich hatte es schon einigermaßen beantwortet: Das, was ich jetzt mache, erst recht mit der neuen Leiter-Funktion, bereitet mir große Freude. Ich sehe mich da einfach am richtigen Platz und Ort und weniger dort, um alles dafür zu tun, den Klassenerhalt der Profis in der Bundesliga zu sichern. Ich möchte Spieler entwickeln und meine Erfahrungen weitergeben.
Was für ein Profil muss der neue Cheftrainer haben?
Neben seinen fachlichen Qualitäten muss er auch in der Lage sein, Massen mitnehmen zu können. Er muss aber auch imstande sein, alle im Verein mitzunehmen. Wir brauchen jemanden, mit dem wir uns alle auch ein Stück weit identifizieren können. Und er benötigt breite Schultern, um den Druck auszuhalten.