Bayer-JuwelWie Florian Wirtz das Leverkusener Spiel prägt

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Leverkusens Supertalent Florian Wirtz

Leverkusen – Es ist Mitte der zweiten Hälfte. Dortmund ist am Drücker, ist gerade durch Julian Brandt zum 1:1-Ausgleich gekommen (67.). Doch der BVB will mehr. Bayer 04 steht tief in der eigenen Hälfte und sieht Angriffswelle auf Angriffswelle auf sich zukommen. Leverkusen liegt vor allem deswegen noch nicht zurück, weil Dortmund sich seiner Liebe zum umständlichen Kombinationsfußball in des Gegners Strafraum ergeben hat und nicht zum Abschluss kommt – Jonathan Tah und Edmond Tapsoba bekommen immer wieder entscheidend ihre Füße dazwischen. 

Doch Peter Bosz möchte sich nicht nur auf die Stabilität seiner Verteidiger verlassen, er will für Entlastung und neue Impulse sorgen. Und überlegt, den gerade etwas durchhängenden Florian Wirtz auszuwechseln, zumal ein Ballverlust des 17-Jährigen das 1:1 eingeleitet hatte. „Seine Laufleistung hatte etwas abgenommen“, sagte Bosz hinterher. Doch der Niederländer entscheidet sich anders – und Wirtz zahlt es mit seinem Tor zum 2:1 in der 80. Minute zurück. „Ich habe gelernt, dass es »die zweite Luft bekommen« auf Deutsch heißt“, berichtete Bosz. Tatsächlich ist der 17-Jährige beim Sieg der Werkself im Topspiel mit 12,6 abgespulten Kilometern der laufstärkste Leverkusener. Noch mehr war nur Thomas Delaney unterwegs (12,84) – wohl auch, weil er Wirtz ständig hinterherlaufen musste. „Er hat einige Wochen nicht gespielt, fast nicht trainiert. Dann macht er sofort ein Topspiel“, staunte Bosz über den Offensivspieler.

Diaby überragt ebenfalls

Die Rückkehr von Wirtz war ein entscheidender Faktor beim ersten Bundesliga-Sieg von Bayer 04 im Jahr 2021. Drei Partien hatte der Teenager gefehlt, seine Kniekehle hatte ihm Probleme bereitet. Nach nur zwei Einheiten mit der Mannschaft stand Wirtz wieder 90 Minuten auf dem Rasen und drückte dem Leverkusener Spiel seinen Stempel auf. Zwar war er ausnahmsweise nicht der Jüngste  – der 16-jährige Youssoufa Moukoko wurde spät eingewechselt – doch ragte Wirtz aus dem am Dienstag in Leverkusen versammelten Talent heraus. Erling Haaland, Jadon Sancho oder auch Jude Bellingham blieben blass. In der kaum als Einheit auftretenden BVB-Juwelensammlung war sich, bis auf die beschriebene Phase in der zweiten Halbzeit, meist jeder selbst der Nächste. Nicht so bei Bayer 04. Die Werkself konnte das Spiel auf seinem Höhepunkt noch einmal drehen, angeführt vom überragenden Wirtz und dem nicht minder beeindruckenden Moussa Diaby, Torschützen des 1:0 (14.).

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Mit Wirtz ist das Spiel von Bayer 04 ein anderes, ähnlich wie in den Vorjahren mit Kai Havertz. In einigen Szenen wirkt der frühere Kölner sogar reifer als es Deutschlands Rekordtransfer im Alter von 17 Jahren war. Leverkusens Torhüter Lukas Hradecky beschrieb Wirtz als „tragende Figur“ in der Werkself: „Er hilft der Mannschaft mit seiner Präsenz.“ Lars Bender gab sich ebenfalls beeindruckt: „Dass der Junge mit dem Ball umgehen kann, hat man ja mal wieder gesehen. Er spielt frisch, lebendig und unbekümmert. Er tut dem ganzen Verein gut.“

Ein Kandidat für Löw

Trainer Bosz wird bei allem Lob nicht müde zu betonen, dass Wirtz „noch viel lernen müsse“, wie in der Szene vor dem Gegentor, als er sich in der Nähe des eigenen Strafraums nicht vom Ball trennte. Der Hintergedanke, alles dafür zu tun, dass Wirtz nicht die Bodenhaftung verliert, ist naheliegend. Schließlich hatte das bei Havertz schon geklappt. Wirtz’ Leistungen sprechen ohnehin für sich. Dass er erst ein Jahr im Seniorenbereich Fußball spielt, ist bei der Betrachtung seiner Ruhe am Ball und seiner Robustheit im Zweikampf nur schwer zu glauben. Sollte die Entwicklung des gebürtigen Pulheimers so weitergehen, wird nicht nur Bayer 04 2021 noch viel Spaß an Wirtz haben. Auch Joachim Löw dürfte bei der Berufung des EM-Kaders kaum am Leverkusener vorbeikommen. „Diese Qualität hat er“, sagte Bosz zuletzt.

Tiefschläge für den 1. FC Köln

Jede Lobeshymne auf Wirtz, jeder seiner Entwicklungsschritte und allen voran ein zukünftiger Multi-Millionen-Transfer sind schmerzhafte Tiefschläge für den 1.FC Köln und Mahnmale des Versagens seiner früheren Sportlichen Leitung um Armin Veh. Denn sie hatte es versäumt, das größte Talent des Vereins seit vielen Jahren in die Profi-Mannschaft einzubauen und damit seinen Wechsel nach Leverkusen ermöglicht. Bei Bayer 04 konnten die Verantwortlichen deswegen schon vor einem Jahr ihr Glück kaum fassen.

Dabei konnte damals nicht im Ansatz davon ausgegangen werden, dass Florian Wirtz die Werkself rund zwölf Monate später als prägende Figur zum Sieg im Topspiel gegen Borussia Dortmund schießen würde.

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