Bayer und GladbachBosz und Rose treffen sich beim Krisengipfel im freien Fall

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Peter Bosz (links) und Marco Rose beim Hinspiel, das Leverkusen 4:3 gewann.

Leverkusen – Es gibt kaum Gründe dafür, die Abwesenheit von Zuschauern in Fußball-Stadien zu begrüßen. Außer vielleicht, man ist Borussia Mönchengladbach und Bayer 04 Leverkusen. Vor ihrem direkten Duell am Samstag um 15.30 Uhr befinden sich beide Klubs sportlich und emotional im freien Fall. Die direkte Konfrontation mit der Stimmungslage ihrer Anhänger wäre eine zusätzliche Herausforderung, die über die Kräfte der Krisen-Teams gehen könnte. In den vergangenen beiden Spielzeiten haben diese ehemaligen Top-Klubs bis zum letzten Spieltag um den zur Teilnahme an der Champions League berechtigenden Platz vier gekämpft. 2019 mit dem besseren Ende für Bayer 04. 2020 mit dem besseren Ende für die Borussia. In der Vorrunde, beim 4:3-Sieg von Bayer 04, boten beide eines der spektakulärsten Spiele der Saison.

Geblieben ist davon nichts. Es trifft am Samstag der 16. der Rückrunden-Tabelle auf den 15. Die Serien beider Klubs lesen sich furchterregend. Bayer 04 hat neun seiner letzten elf Spiele nicht gewonnen, ist aus dem DFB-Pokal und der Europa League ausgeschieden und verliert sein letztes Saisonziel, die Qualifikation für die Königsklasse, aus den Augen.

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Die Borussia hat fünf der letzten sechs Spiele verloren. Seit Trainer Marco Rose den Wechsel zu Borussia Dortmund bekanntgegeben hat, folgt ein Negativerlebnis dem nächsten. Dass die Leistungen bei den knappen Niederlagen gegen Leipzig (2:3) und im DFB-Pokal gegen Dortmund (0:1) in Ordnung waren, ändert nichts an der katastrophalen Stimmung, gegen die Manager Max Eberl mit Solidaritätsbekundungen zu Rose vergeblich ankämpft. Der Dachverband der Gladbacher Fans forderte schriftlich die Ablösung Roses und kritisierte die „rücksichtslose Karriereplanung eines überehrgeizigen Trainers“, die „unserem Verein für den Rest der Saison schadet“.

Anders ist die Lage bei Bayer 04, wo die Anhänger ohne fassbaren Grund wie die Abtrünnigkeit eines Trainers aus der Ferne erleben müssen, wie nach der Tabellenführung am zwölften Spieltag eine Hoffnung nach der anderen enttäuscht wird. Was zunächst wie mangelndes Spielglück und der Preis für hohe Belastung aussah, hat sich zu einer massiven fußballerischen Krise ausgewachsen, die das Projekt des Offensivtrainers Peter Bosz ernsthaft in Frage stellt.

Parallel dazu ereignet sich ein Verletzungsdrama. Derzeit fehlen Peter Bosz: Timothy Fosu-Mensah (Kreuzbandriss), Lukas Hradecky (Achillessehnenverletzung), Julian Baumgartlinger (Kreuzbandriss), Santiago Arias (Wadenbeinbruch), Lars Bender (Operation am Kreuzband), Dailey Sinkgraven (Muskelfaserriss, siehe Meldung), Paulinho (Aufbautraining nach Kreuzbandriss), dazu Florian Wirtz (Covid-19), Daley Sinkgraven (siehe integrierte Meldung) und Leon Bailey, der gegen Gladbach seine fünfte Gelbe Karte absitzt.

Es ist ein Gesetz der Hochleistungsbranche Profi-Fußball, dass die Geschäftsführung Fragen nach dem aktuellen Trainer beantworten muss, wenn Siege ausbleiben und Ziele verspielt werden. Rudi Völler, der Geschäftsführer fürs Sportliche, hat die Vorwärtsverteidigung angetreten und bezeichnet Bosz wahlweise als „A-, B- und C-Lösung“, die Diskussion um dessen Person als „Blödsinn“ und bestreitet die Existenz eines Schicksalsspiels in Mönchengladbach. Klubchef Fernando Carro erklärte am Mittwoch im Kölner Stadt-Anzeiger differenzierter: „Peter Bosz hat über lange Zeit gezeigt, dass er ein guter Trainer für Bayer 04 ist. Und deshalb hat er auch jetzt und in dieser schwierigen Phase unser Vertrauen. Das befreit uns gleichzeitig nicht davon, die Situation intern immer wieder aufs Neue bewerten zu müssen.“

Bayer 04 Führungsriege

Die Bayer-04-Führungsriege: Fernando Carro, Rudi Völler und Sportdirektor Simon Rolfes (von links).

Hier besteht der große Unterschied zur Gladbacher Krise. Bayer 04 besitzt einen Trainer mit Vertrag bis 2022, dessen Spielphilosophie und Talententwicklung prinzipiell zur Klub-DNA passen. Die Borussia dagegen verfügt über einen Trainer, der eineinhalb Jahre lang wie die Traumlösung aussah, ehe ihn die Klausel für einen Wechsel zu einem vermeintlich besseren Verein bei den Fans unmöglich machte. Gemeinsam ist beiden Klubs, dass sie Ergebnisse, Siege. Erfolgserlebnisse brauchen. Denn es sind erst zwei Drittel der Saison gespielt. Und in der momentanen Stimmung wird das letzte Drittel sehr lang.

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