Verzweifelter Kampf um den Sturmtiger

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So sah der Sturmtiger aus.

So sah der Sturmtiger aus.

Der damals 13-jährige Christian Müller erinnert sich an die Geheimwaffe und den Tod zweier Soldaten der Panzerbesatzung.

Elsdorf-Oberembt - Es musste ein streng geheimer Panzer sein, eine wahre Wunderwaffe, die dem Feind auf gar keinen Fall in die Hände fallen durfte. Das wurde dem Oberembter Christian Müller klar, als im Februar 1945 die vier jungen Soldaten mit dem Totenkopfzeichen auf der schwarzen Uniform sich nervös an ihrem Gefährt zu schaffen machten. Der Fahrer hatte den Panzer gerade neben dem Elternhaus des 13-Jährigen in den Kanal gesetzt. Die Raupenkette war abgesprungen und das 68 Tonnen schwere Fahrzeug an einer Seite im Schlamm versunken.

„Die Jungs waren nur 18 oder 19 Jahre alt“, erinnert sich der heute 74-jährige Müller. „Die hatten richtig große Angst, weil sie ihren Panzer nicht wieder freibekamen.“ Acht Tage lang bemühten sich Soldaten, das Stahlungetüm mit schwerem Gerät zu befreien. Vergebens.

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Sprengung scheiterte

Dann sollte eine Sprengladung den Panzer zerstören. In einem Umkreis von 200 Metern wollten die deutschen Soldaten das Dorf räumen, weil dort kein Stein auf dem anderen bleiben würde. Doch dazu kam es nicht mehr. Ende Februar oder Anfang März stürmte das 117. US-Infantrie-Regiment Oberembt und erbeutete den Panzer.

Bei dem Fahrzeug handelte es sich um den Sturmpanzer VI, genannt „Sturmtiger“, von dem gegen Kriegsende nur 18 Stück gefertigt wurden und der wegen seiner ungeheuren Feuerkraft gefürchtet war. Informationen und Fotos rund um den Oberembter Sturmtiger hat Gemeindearchivar Christoph Hoischen zusammengetragen. „Es war der erste Panzer seiner Art, der den Amerikanern in die Hände gefallen ist“, sagt Hoischen.

Wegen ihres Sturmtigers, der in der heutigen Neusser Straße liegen geblieben war, starben zwei der Besatzungsmitglieder. Ein junger Soldat hatte das Maschinengewehr des Panzers ausgebaut und sich fünf Meter weiter am Finkelbach verschanzt. „Die Amerikaner haben einfach eine Handgranate geworfen“, sagt Müller. „Das war's.“

Die drei anderen Soldaten verkrochen sich vor dem Beschuss der US-Soldaten im Keller des benachbarten Bauernhauses, gemeinsam mit Christian Müller und zwei Familien. „Schließlich wurden wir alle rausgerufen“, berichtet Müller. „Einer der jungen Panzersoldaten, Günter Stritzke aus Berlin, lief dann weg, obwohl die Amerikaner ihn zurückriefen. Da haben sie geschossen.“ Eine Woche lang blieb die Leiche laut Müller vor dem Panzer liegen, „wahrscheinlich als Warnung“. Dann erst durften der Bürgermeister und der Dorflehrer den toten Stritzke und sieben oder acht weitere Leichen mit Handkarren zum Friedhof fahren.

Die Amerikaner seien wegen des Sturmtigers in heller Aufregung gewesen. „Sie haben ihn fotografiert und sind darauf herumgeklettert. Wochenlang sind immer wieder zahllose Soldaten mit Jeeps nach Oberembt gekommen, um sich den Panzer anzusehen.“ US-Kriegsberichterstatter Bud Hutton, der den Sturmtiger in Oberembt ebenfalls besichtigte, nennt den Panzer in einem Artikel für das Magazin „Stars and Stripes“ im März 1945 „the Monster“. Auch Müller stieg einmal in den Sturmtiger. „Der Panzer hatte noch acht Geschosse an Bord, Wahnsinnsteile mit Raketenantrieb.“ Einen Monat brauchten die GIs, bis sie den Sturmtiger aus dem Kanal befreit hatten. „Oben auf der Jülicher Straße hatten sie Pionierpanzer und andere Fahrzeuge aufgestellt und etliche Trosse gelegt“, erinnert sich Müller. 150 Meter weit sei der Sturmtiger bis auf einen Tieflader geschleift worden. „Danach war die ganze Straße aufgerissen.“ Was aus dem Sturmtiger geworden ist, hat Müller von einem US-Fernsehteam erfahren, das vor Jahren auf den Spuren des Superpanzers Oberembt besucht hat: „Der steht heute in einem Museum in den USA.“

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