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Neues Haus AdelheidDie schützende Hand von Bilderstöckchen

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5 min

Im Eltern-Kind-Wohnen des Sozialdiensts katholischer Frauen Köln werden minderjährige Mütter auf ihre Elternrolle vorbereitet.

Im Neubau der Eltern-Kind-Einrichtung Haus Adelheid lässt der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) einen Ort der Hilfe und Begegnung entstehen.

Die Gründe, warum bis zu 28 junge Schwangere und Mütter im Haus Adelheid an der Ludwigsburger Straße in Bildwerstöckchen Zuflucht suchen, sind so unterschiedlich wie unter die Haut gehend. Sie brauchen dringend Unterstützung, können für sich alleine nicht sorgen – geschweige denn für ein Baby. Weil sie auf der Flucht vergewaltigt wurden. Opfer von Menschenhandel sind. Aus prekären Lebensverhältnissen stammen, in denen ihnen nie vorgelebt wurde, was es bedeutet, Erziehungsverantwortung zu übernehmen. Gewalt, Missbrauch, Vernachlässigung, Armut, oder fehlende Bildung erlitten haben. Oder von Wohnungslosigkeit bedroht waren.

„Viele von ihnen bringen aufgrund ihrer Historie Eltern-, Partnerschaft und Familie mit Scheitern in Verbindung und eben nicht mit einem gewinnbringenden Verhältnis. Wer als Kind schon keine funktionierende Familie erlebt hat, weil es in einer Jugendhilfeeinrichtung aufgewachsen ist oder die Eltern aus welchem Grund auch immer, nicht in der Lage waren, Verantwortung zu übernehmen, wird auch später nicht mit der Unterstützung der Familie rechnen können“, sagt die pädagogische Leiterin des Haus Adelheid Karin Horst.

Haus Adelheid: Raum zum Leben und Lernen

Hier, im attraktiven, erst Anfang Juli bezogenen Neubau der „Eltern-Kind-Einrichtung“ des Sozialdiensts katholischer Frauen (SkF), finden die bedürftigen, minderjährigen Eltern – in den meisten Fällen sind es alleinerziehende Frauen – die notwendige Hilfe und Entlastung, Raum zum Leben und Lernen, zum Start ins eigenverantwortliche und selbstbestimmte Leben mit einem Kind.

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Die SkF-Vorständin Ute Theisen (2. von links) mit ihren leitenden Mitarbeiterinnen vom Haus Adelheid Martina Lochmann, Karin Horst und Anita Kreiser.

Die SkF-Vorständin Ute Theisen (2. von links) mit ihren leitenden Mitarbeiterinnen vom Haus Adelheid Martina Lochmann, Karin Horst und Anita Kreiser.

Unsere dreißig Kolleginnen und Kollegen helfen den jungen Frauen dabei, sich eine Alltagsstruktur zu erschaffen, ihre Elternrolle wahrzunehmen, eigene Ressourcen zu aktivieren und in einem geschützten Raum nachreifen zu können
Martina Lochmann, Leitung Eltern-Kind-Wohnen

„Unsere dreißig Kolleginnen und Kollegen helfen den jungen Frauen an sieben Tagen in der Woche von sieben bis 22 Uhr dabei, sich eine Alltagsstruktur zu erschaffen, ihre Elternrolle wahrzunehmen, eigene Ressourcen zu aktivieren und in einem geschützten Raum nachreifen zu können“, sagt Martina Lochmann, die drei der insgesamt fünf Eltern-Kind-Wohnangebote leitet, die der SkF in und um Köln betreibt. Die Hilfe reicht von der Säuglingspflege, Hygieneschulung über die Anleitung in alltagspraktischen Fragen bis zur Orientierungshilfe bei der Schul- und Berufsausbildung.

Moses-Fenster: Anonymer Abgabeort für Neugeborene

Der einladende Neubau beheimatet neben den 28 modern gestalteten und lichtdurchfluteten Appartements, bestehend aus einem separaten Schlafzimmer, Balkon und einer Kochnische auch Beratungs-, Tagungs- und Veranstaltungsräume, einen Verwaltungsteil sowie das Moses-Fenster, einen anonymen Abgabeort für Neugeborene, der Eltern, die sich in einer ausweglos erscheinenden Notlage befinden, einen Zugang zu Hilfe zu eröffnen. Im zweiten Teil des Bauvorhabens wird auf dem Gelände des alten Haus-Adelheid-Gebäudes eine Kindertagesstätte entstehen sowie weitere Wohneinheiten.

Leitbild des gesamten 3.000 Quadratmeter umfassenden Neubaus ist die „schützende Hand“. So werden die beiden viergeschossigen Gebäude den entstehenden Innenhof architektonisch in ihre Obhut nehmen und einen Ort der Mitte für Begegnung und Austausch bilden. „Dabei stehen sowohl die behütende Geste wie auch die einladende Öffnung der Gebäude zum Veedel hin sinnbildlich für unser Anliegen, viel Platz für die Sozialraumarbeit zu schaffen und Menschen, die in Bilderstöckchen leben, miteinander in Kontakt zu bringen. Haus Adelheid ist ein Teil des Quartiers, die Bewohnerinnen des Hauses sollen sich im Wohnumfeld orientieren und die Menschen im Quartier sind herzlich eingeladen, die bestehenden Räume für eigene Aktivitäten zu nutzen“, sagt die SkF-Vorstandsvorsitzende Ute Theisen.

Win-win-Situation für alle Veedelsbewohner

„Sozialraumzentrum“ steht nicht von ungefähr in großen Lettern am gläsernen Eingang des Neubaus. Und weist darauf hin, dass hier Lebenswelten gestaltet und Verhältnisse geschafft werden, die es allen Menschen des Veedels ermöglichen sollen, in schwierigen Lebenslagen besser zurechtzukommen. „Wir SkF-Mitarbeitenden nehmen dabei verstärkt die Funktion und Aufgabe als Interessensvertretung im Sinne der Stärkung von Eigeninitiative und Selbsthilfe der Menschen vor Ort ein. Unser Gebäude verstehen wir als Andockstelle für unterschiedliche Formen der Unterstützung und als Ort der Begegnung“, sagt Anita Kreiser. Die Leiterin des Fachbereichs „Ambulante Jugend- und Familienhilfe und Sozialraumangebote“ beim SkF spricht von einer Win-win-Situation für alle Menschen, die in Bilderstöckchen leben: „Für eine älter werdende, von Einsamkeit bedrohte Bevölkerung kann der Kontakt zu jungen Müttern, ihren Kindern und Familien, die hier leben oder unser Haus besuchen, eine große Bereicherung sein. Umgekehrt helfen sie unseren jungen Bewohnerinnen Kontakt ins Veedel zu knüpfen.“

Bereits im Angebot sind – auch von „wir helfen“ geförderte Eltern-Kind-Gruppen und ein Kochkurs für Kinder. Kreiser wünscht sich künftig mehr offene Angebote wie Pilates-, Yoga-Kurse, Filmnachmittage und andere Formen der kulturellen Bildung – „und ein Familiencafé, das wäre ein Traum.“ Auch Fortbildungen und Kurse rund um die Themen „Erste Hilfe am Kind“ oder „kindliche Entwicklung“ wären nicht nur für die Mitarbeitenden und jungen Bewohnerinnen interessant, sondern für alle Mütter des Quartiers.

125 Jahre SkF: Ausgegrenzten Frauen, Chance zur Teilhabe bieten

Bei der offiziellen Eröffnung des Haus Adelheid am 12. September erinnerte Ute Theisen an das diesjährige SkF-Jubiläum und verortete die neue Eltern-Kind-Einrichtung sowie die Angebote für die Bewohnerinnen und Bewohner Bilderstöckchens in der Tradition des SkF: „Obwohl sich die Welt seit der Gründung des SkF vor 125 Jahren beständig verändert hat, gleich geblieben sind die Notlagen: Armut, Ausgrenzung, fehlender Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe, in vielen Fällen Flucht und Vertreibung, Überforderung, Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit. Unverändert ist auch unsere Haltung, die uns unsere Gründerin Marie Le Hanne Reichensperger mitgegeben hat: Nicht die Menschen in Armut sind das Problem, sondern die Verhältnisse, in denen sie leben.“

Nicht die Menschen in Armut sind das Problem, sondern die Verhältnisse, in denen sie leben
Ute Theisen, Vorstandvorsitzende des Sozialdiensts katholischer Frauen (SkF) Köln

Seit Beginn an steht das Bemühen, für alleinstehende Mütter und ihre Kinder einen Ort zu schaffen, an dem sie in Sicherheit leben können, im Fokus der Arbeit des SkF. 1905 kaufte die Gründerin des SkF, Marie Le Hanne Reichensperger, das St. Josef-Krankenhaus in Köln-Bayenthal und eröffnete dort die erste Mutter-Kind-Einrichtung, schon damals mit einer Schneiderei und Wäscherei, um den Schwangeren und Müttern eine Ausbildung und Berufstätigkeit zu ermöglichen.

1984 gab der SkF das Josefhaus auf und übernahm das Haus Adelheid, das seit 1967 Frauen die Möglichkeit gab, ihrem Beruf nachzugehen, während ihre Kinder in der zugehörigen Kita betreut wurden. „In solch einer Tradition zu stehen, empfinde ich als etwas ganz Besonderes“, sagt Theisen und appelliert an die Pflicht der Gesellschaft, „die Notlagen bedürftiger Menschen wahrzunehmen und die Bedingungen so zu verändern, dass sie die Chance zur Teilhabe in allen Lebensbereichen haben.“