Am Mittwochmorgen hatten sich vor dem Tor 3 der Ford-Werke hunderte Fordler versammelt. Hier sprechen sie über ihre Jahrzehnte mit Ford.
Jetzt reden die Kölner Ford-Mitarbeiter„Davon ist nichts mehr da, alles ist kaputt“

Zum ersten Mal in der Unternehmensgeschichte treten die Beschäftigten der Kölner Ford-Werke in den Streik.
Copyright: Martina Goyert
Die Stimmung vor dem Werkstor von Ford ist am Mittwoch um 8.30 Uhr eine Mischung aus morgendlicher Ruhe und kampfbereiter Spannung. Die Fordler stehen in Grüppchen zusammen, manche haben Unterstützung von ihrer Familie mitgebracht, auch Parteimitglieder aus dem linken Spektrum haben sich dazugesellt, um ihre Solidarität auszudrücken. Auf der Bühne läuft der Soundcheck, um 9 Uhr soll das Programm starten. Am IG-Metall-Zelt stehen Fordler Schlange und warten darauf, sich registrieren zu können – dann gibt es nämlich Streikgeld. Die Gewerkschaft fordert unter anderem einen Insolvenzschutz und faire Abfindungsregelungen, denn hier in Köln weiß man: Das, was sich derzeit über Ford zusammenbraut, sieht düster aus.
„Ich bleibe hier bis zum letzten Tag“

Nina Herbert (45) arbeitet seit 29 Jahren bei Ford als Werkzeugmacherin.
Copyright: Martina Goyert
Nina Herbert arbeitet mehr als ihr halbes Leben bei Ford. 45 Jahre ist sie alt, 29 Jahre davon hat sie beim Kölner Autobauer verbracht. Sie ist Werkzeugmacherin im Presswerk, hat ihre Ausbildung hier absolviert: „Ich war immer stolz, Arbeiterin zu sein. Mitte der 1990er Jahre waren wir im Werkzeugbau noch 1500 Leute, inzwischen sind wir nur noch 100. Damals gab es Sonderzahlungen, Jubiläumstage und Vergünstigungen, der Zusammenhalt bei Ford war spürbar. Davon ist nichts mehr da, alles ist kaputt. Viele meiner Kollegen sind gegangen, aber ich bleibe hier bis zum letzten Tag. Ich will keine Abfindung, sondern meinen Arbeitsplatz behalten.“
„Wir waren schon oft unten, aber noch nie so tief“

Joachim Reitmeier (43), seit 25 Jahren bei Ford im Hauptlager.
Copyright: Martina Goyert
An diesem Mittwochmorgen zeigt sich, was es bedeutet, wenn Ford in Schieflage gerät. Viele Menschen, die hier für ihre Zukunft streiken, haben ihr komplettes Erwachsenenleben bei Ford verbracht. So wie Joachim Reitmeier, 43 Jahre alt, und seit 25 Jahren bei Ford im Hauptlager. Wie fühlt er sich gerade? „Ganz offen gesagt: Scheiße. Die Politik bei Ford wird vom Management ganz oben gemacht, nicht hier in Köln. Die Idee mit der Umstellung des Werks auf E-Mobilität war zwar schön gedacht, der Markt war aber noch nicht so weit. Als sie uns den Fiesta genommen haben, haben sie uns geköpft. Ich und meine Kollegen vermuten, dass die Amis die Produktion hier in Köln schließen wollen. Wir waren schon oft unten, aber noch nie so tief.“
Alles zum Thema Ford
- „Das fühlt sich scheiße an“ Streikende Kölner Ford-Mitarbeiter zwischen Stolz und Hoffnungslosigkeit
- IG Metall bekommt Reaktion Nach Streik-Aufruf: Ford will nun doch reden
- Protest gegen Stellenabbau Ab Mittwoch wird erstmals in Kölner Ford-Werken gestreikt
- Autobauer unter Druck Experten haben wenig Hoffnung für Kölner Ford-Werke
- Streiks werden erwartet Wie es bei den Kölner Ford-Werken nach dem Ja zum Arbeitskampf weitergeht
- Nach 60 Jahren Pulheimer Paar gibt sich erneut das Ja-Wort
- Ja zum Arbeitskampf Ford-Werke in Köln werden bestreikt – Das gab es so noch nie
„Ich liebe Ford“
Bei Ivonne Lucka, ebenfalls seit 25 Jahren bei Ford und im Händler-Marketing tätig, ist von Trübsal keine Spur. Sie hält ein selbst gebasteltes Plakat in die Luft. Darauf steht: Ich liebe Ford. Auf Nachfrage bekräftigt sie: „Ich stehe hinter der Firma. Das Schild sagt alles.“

Ivonne Lucka, seit 25 Jahren bei Ford im Händler-Marketing.
Copyright: Martina Goyert
„Vom Stolz ist nichts mehr übrig“
Während Lucka ihre Gefühle offenkundig nach außen trägt, stehen einige Mitarbeiter still am Rand und wirken nachdenklich. Sie erinnern sich an bessere Zeiten: „Ich bin seit 1995 bei Ford. Damals haben sich hundert Azubis auf einen Ausbildungsplatz beworben und als ich ihn bekommen habe, war ich unfassbar stolz“, sagt die 49-jährige Janet Pickhardt aus der Lagerlogistik. Seit ein paar Jahren sei von dem Stolz nichts mehr übrig. „Wir warten alle auf die nächste Abfindung, dann sind wir weg. Ehrlich gesagt rechne ich damit, dass es hier bald vorbei ist.“

Janet Pickhardt, 49 Jahre, seit 30 Jahren bei Ford in der Lagerlogistik.
Copyright: Martina Goyert
„Ich bin immer noch stolz, Teil von Ford zu sein“
Die Ford-Mitarbeiter eint nicht nur eine lange Betriebszugehörigkeit, sondern auch, dass bei vielen die Familien zur Firma dazugehören. Häufig waren schon Väter und Onkel im Kölner Werk beschäftigt, Ford war Arbeitgeber für die ganze Familie. Auch Olaf Reinholz ist heute nicht allein hier. Der Maschinenschlosser arbeitet in der Werkstechnik und hat seine 21-jährige Tochter Jovana mitgebracht – die arbeitet zwar nicht bei Ford, will aber ihren Vater unterstützen. „Seit 1992 bin ich hier dabei, es war immer mein Traum bei einem Automobilhersteller zu arbeiten. Ich bin immer noch stolz, Teil von Ford zu sein. Ich habe hier viel erlebt, war oft auf Dienstreise. Jetzt gibt es hier keine Zukunft mehr, keine Perspektive, keinen Plan. Die Hoffnung ist weg.“

Olaf Reinholz (59) arbeitet seit 33 Jahren als Maschinenschlosser in der Werkstechnik. Seine Tochter Jovana (21) unterstützt ihn.
Copyright: Martina Goyert
„Jetzt warte ich auf die nächste Abfindungsrunde“
Immer wieder berichten Fordler davon, wie die Firma zuverlässig ihre Familien ernährt hat. „Meine vier Kinder sind durch Ford groß geworden“, sagt Kudret Sari. Er ist 52 Jahre alt, hat 1994 bei Ford Elektriker gelernt und ist seitdem geblieben. Schon sein Vater fuhr Ford, hat hier gearbeitet. „Ich komme immer noch gerne zur Arbeit, vor allem wegen der Kollegen. Jetzt warte ich auf die nächste Abfindungsrunde“, sagt er.

Arif Kurtar (53, links) und Kudret Sari (52).
Copyright: Martina Goyert
Auch sein Kollege Arif Kurtar hat seine Lehre zum Schlosser bei Ford gemacht. Das war 1989. Heute sagt er: „Die Sicherheit bei Ford ist weg, aber ich habe keine Angst. Meine Kinder sind groß. Es ist nicht unsere Schuld, dass alles den Bach heruntergeht. Wir wollten den Fiesta nicht abgeben. Wir wollten den Scorpio nicht bauen. Aber wir waren durch die Patronatserklärung geschützt, deshalb war es uns egal. Wir fühlen uns im Stich gelassen.“