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Ja zum ArbeitskampfFord-Werke in Köln werden bestreikt – Das gab es so noch nie

Lesezeit 4 Minuten
Neuwagen stehen vor dem Ford Verkauf einem Parkplatz.

Neuwagen stehen bei Ford in Köln-Niehl auf dem Gelände.  

Im Ringen um Stellenabbau und Tarifvertrag zeichnet sich keine Lösung ab. Nun stimmten die Fordler klar für Streiks. Das gab es noch nie.

Das Votum der Ford-Belegschaft ist eindeutig: Beim Kölner Autobauer wird gestreikt. 93,5 Prozent der IG-Metall-Mitglieder stimmten bei der Urabstimmung mit Ja für einen Arbeitskampf, um die Forderungen nach einem Sozialtarifvertrag durchzusetzen. Das erforderliche Quorum von 75 Prozent wurde damit deutlich übertroffen. Die Wahlbeteiligung der Belegschaft lag insgesamt bei 95,7 Prozent.

„Wir ziehen das durch“

Am Donnerstagabend endete die Urabstimmung mit Schließung der letzten Urne und die Stimmen der Belegschaft waren ausgezählt. „Eine deutliche Botschaft an die Verhandler auf beiden Seiten. Die Zeichen stehen auf Streik“, heißt es von der Gewerkschaft IG Metall. „Wir sind entschlossen, diesen Auftrag der Kolleginnen und Kollegen umzusetzen. Ford muss sich jetzt bewegen – sonst ziehen wir das durch“, sagt Kerstin D. Klein, 1. Bevollmächtigte der IG Metall Köln-Leverkusen zum Ergebnis der Urabstimmung. „Außerdem sollte Ford spätestens jetzt klar sein, dass ein reeller Schaden auch für das Nutzfahrzeuggeschäft in Europa eintreten kann – ganz zu schweigen von dem Imageverlust, den das für Ford bedeuten würde“, so Klein weiter.

Seit Montag, 5. Mai, lief die Urabstimmung. Beobachter waren bereits im Vorfeld davon ausgegangen, dass es ein deutliches Ergebnis geben wird. Bislang hatte es in den vergangenen Wochen lediglich mehrere Warnstreikwellen gegeben.

„Respektieren das Recht auf Streik“

Auf Anfrage heißt es von Seiten des Unternehmens: „Wir respektieren das Recht unserer Mitarbeiter auf Streik und sind uns bewusst, dass dies eine schwierige und unsichere Zeit für sie und ihre Familien ist“, sagte ein Sprecher dieser Zeitung. Der Fokus liege darauf, gemeinsam mit den Sozialpartnern alle verfügbaren Möglichkeiten zu prüfen, „um eine faire und gerechte Einigung zu erzielen und allen betroffenen Ford-Mitarbeitern in Deutschland die notwendige Unterstützung zukommen zu lassen.“

Für die Kölner Ford-Werke ist es die allererste Urabstimmung in der mehr als 100-jährigen Geschichte des Unternehmens in Deutschland. Bislang konnten sich Management und Arbeitnehmervertreter immer ohne Streiks auf eine gemeinsame Lösung verständigen.

Druck erhöht sich deutlich

Das Ergebnis erhöht den Druck auf die Arbeitgeberseite deutlich. Die Lage bei Kölns größtem privatwirtschaftlichen Arbeitgeber ist ernst. Hintergrund der harten Auseinandersetzung ist zum einen, dass das Management bis Ende 2027 von derzeit noch etwa 11.500 Stellen 2900 streichen will. Betriebsbedingte Kündigungen sind aber bislang bis 2032 vertraglich ausgeschlossen.

Zudem hat die US-Mutter die sogenannte Patronatserklärung aufgehoben. Das war bislang eine Art Schutzschirm oder Garantie der Ford Motor Company für ihre deutsche Tochter. Im Rahmen dessen wurden auch alle Verluste übernommen, die in den vergangenen Jahren angefallen waren, und das vor allem im Pkw-Geschäft. Sie belaufen sich dem Vernehmen nach auf bis zu neun Milliarden Euro.

Die deutschen Ford-Werke bekommen zwar frisches Kapital in Höhe von bis zu 4,4 Milliarden Euro aus den USA. Damit soll aber in erster Linie die Schuldenlast gesenkt werden. Hinzu kommen Mittel für einen mehrjährigen Business-Plan in jährlich dreistelliger Millionenhöhe.

Die Gewerkschaft IG Metall erklärt, ohne die Patronatserklärung sei eine Insolvenz der Ford-Werke in den kommenden Jahren möglich. Im Falle einer Pleite und der Übernahme durch einen Insolvenzverwalter sind nicht nur der Kündigungsschutz und zahlreiche Arbeitnehmervereinbarungen verloren, sondern vor allem sind auch alle Abfindungsprogramme betroffen, die bislang vergleichsweise gut ausgefallen waren.

Die derzeit noch 11.500 Beschäftigten sind in der Verwaltung, der Produktion, der Entwicklungsabteilung, einem Ersatzteilzentrum und weiteren Bereichen tätig.

Weitreichender Schutz für Belegschaft gefordert

Die Gewerkschaft und der Betriebsrat fordern weitreichenden Schutz für die Belegschaft. Alle Beschäftigten sollen im Falle einer Insolvenz abgesichert sein. Wer gehe, solle einen Sockelbetrag von 200.000 Euro bekommen. Pro Beschäftigungsjahr solle ein Drittel-Jahresgehalt hinzukommen und pro Kind 10.000 Euro, außerdem soll es noch finanzielle Aufschläge für Menschen mit Behinderung geben. Beschäftigte, deren Tätigkeitsbereich ausgelagert wird, etwa durch einen Verkauf von Unternehmensteilen, sollen ebenfalls Abfindungen bekommen.

Das lehnt die Geschäftsführung unter Leitung von Marcus Wassenberg bislang aber ab. Mehrere Gesprächsrunden in den vergangenen Wochen blieben in den zentralen Punkten ohne Ergebnis. Die Verhandlungen laufen derweil weiter.

Wie die gesamte Branche hat Ford massiv unter der Absatzflaute bei E-Autos zu leiden. Zwei Milliarden hatte Ford in die Umrüstung des Kölner Werks auf Elektromobilität investiert. Die beiden Kölner E-Modelle für ganz Europa, der Explorer und der Capri, verkaufen sich nicht annähernd so gut wie erhofft. Nach jüngeren Angaben aus dem Unternehmen werden im Niehler Werk pro Tag 480 Explorer und Capris gemeinsam in zwei Schichten gebaut. Wie viel den Konzern ein Streiktag kostet, ist im Detail schwer zu beziffern, „weil man nicht genau sagen kann, wie viele Autos bereits verkauft sind oder auf Halde produziert wurden“, so Betriebsratschef Benjamin Gruschka vor einigen Wochen im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.