Kölner EventGemischte Reaktionen auf digitale Gamescom – Neuer Termin steht schon

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Geoff Keighley moderierte die Opening Night aus Los Angeles

Geoff Keighley moderierte die Opening Night aus Los Angeles

  • Die erste digitale Gamescom ist zu Ende.
  • Die Reaktionen fielen gemischt aus: Während teilnehmende Entwickler sich zufrieden zeigen, kritisieren Zuschauer vor allem die Eröffnungsshow.
  • Die Kölner Messe will von der Veranstaltung für künftige Messen lernen.

Köln – Wer sich auf der diesjährigen Gamescom nach zwischenmenschlichem Kontakt sehnte, fand ihn am Wochenende vor allem in Form ulkig gestalteter Avatare. Solche, die anstelle eines menschlichen Kopfes niedliche Aliens auf den Schultern herumtrugen, oder geflügeltes Toastbrot. In der „Indie Booth Arena“, wo kleine, unabhängige Entwickler ihre Spiele auf einem virtuellen Messegelände präsentierten, schlenderten die Avatare der Besucher gemeinsam auf den Gängen herum. Manch ein Entwickler-Teams feierten gar „Kloparties“ in den virtuellen Toilettenräumen. So sahen sie im Corona-Jahr 2020 aus – die Treffen auf der Gamescom.

Kölns besucherstärkste Messe hat in diesem Jahr pandemiebedingt vollständig digital stattgefunden. Anstatt in den Kölner Messehallen präsentierten Entwickler und Publisher ihre Spiele von Donnerstag- bis Sonntagabend digital. Rund 370 Partner hatten die Veranstalter, die Kölner Messe und der Verband der Deutschen Game-Branche (Game), im Vorfeld gewinnen können. Am Wochenende verfolgten Nutzer aus 180 Ländern das Programm. Die Shows auf „Gamescom Now“ wurden weltweit von rund zehn Millionen Zuschauern geschaut. Vergangenes Jahr erreichte die Eröffnungsshow in den Wochen nach der Messe rund 50 Millionen Menschen – vor der Gamescom hatte Messechef Böse das Ziel ausgegeben, den Wert verdoppeln zu wollen.

„Völlig neues Format“

„Wir haben in nur vier Monaten ein völlig neues Format auf die Beine gestellt. Insgesamt sind wir sehr zufrieden mit dem Ergebnis“, sagte Gerald Böse, Vorsitzender der Geschäftsführung der Kölner Messe dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Montag. Man habe es in einem schwierigen Jahr geschafft, eine globale Veranstaltung anzubieten und die Reichweite der Gamescom zu steigern. Klar sei aber auch, „dass bei so einem Projekt nicht alles auf Anhieb sitzt. Da nehmen wir für zukünftige Veranstaltungen eine Reihe von Hausaufgaben mit.“ Auf „Gamescom Now“ gab es bis Sonntagabend zahlreiche Livestreams und spezielle Angebote für Nutzer, die sich zum Beispiel besonders für Retro-Spiele oder Bildungsthemen interessierten. Beim „Gamescom Kongress“ standen dagegen gesellschaftliche Potenziale von Computerspielen im Fokus. Politiker wie Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), Bundesdigitalbeauftragte Dorothee Bär (CSU) und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) kamen per Video zu Wort.

Gerade von der „Opening Night“ zum Gamescom-Auftakt, bei der Moderator Geoff Keighley Trailer neuer Spiele präsentierte, zeigten sich im Netz aber nicht wenige Gamer enttäuscht. Große Überraschungen blieben in der zweistündigen Show weitgehend aus, Anbieter wie Nintendo oder Capcom verzichteten auf einen Auftritt. Auch in den sozialen Netzwerken blieb es vergleichsweise ruhig um die Messe – der Hashtag #Gamescom 2020 schaffte es trotz der Größe der Veranstaltung nur vereinzelt in die Twitter-Trends.

Signal gesetzt

Die diesjährige Gamescom sei bedingt durch die Corona-Pandemie „ausgesprochen herausfordernd, aber gleichzeitig auch besonders spannend“ gewesen, sagte Game-Geschäftsführer Felix Falk am Montag. „Physische Events wurden abgesagt und auch die Entwicklung von vielen Spielen hat sich verschoben, was wir natürlich auch bei der Gamescom gemerkt haben.“ Man habe die Veranstaltung aber nicht einfach absagen, sondern ein Signal setzen wollen, „dass man das weltweit größte Games-Event auch in so einer schwierigen Zeit zumindest online stattfinden lassen kann, wenn man mutig und innovativ ist“.

Blick in die Indie Booth Arena auf der Gamescom

Blick in die Indie Booth Arena auf der Gamescom

Die teilnehmenden Games-Unternehmen würdigten diese Entscheidung. „Wir sind Koelnmesse und Game dankbar, dass sie sich für ein digitales Format entschieden haben“, sagte Jens Kosche, Geschäftsführer Electronic Arts Deutschland, Österreich, Schweiz. Das Konzept habe grundsätzlich sehr gut funktioniert. Dennoch habe der direkte Austausch mit Spielern und Geschäftspartnern vor Ort gefehlt. „Vieles lässt sich virtuell umsetzen, aber hundertprozentig ersetzen kann man das Angebot vor Ort nicht.“

Mehr potenzielle Kunden

Auch Egosoft-Sprecher Gregory Wintgens sprach am Montag von „erfolgreichen Messetagen“. Der Würselener Spieleentwickler veröffentlicht Weltraum-Simulationsspiele, auf der Gamescom hatte er unter anderem einen Auftritt in der Indie Booth Arena. „Wir hatten durchaus erhöhte Zugriffszahlen und stärkere Verkäufe“, sagte Wintgens. Er sieht im digitalen Format gerade für kleine, unabhängige Entwickler eine Chance. Egosoft, beispielsweise, ist bislang ein Nischenentwickler. „Es war für uns sehr wichtig, mehr potenzielle Kunden erreichen zu können.“ In den vergangenen Jahren habe sich die Gamescom mit digitalen Formaten noch etwas schwergetan – das sei nun anders.

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Kosche wünscht sich derweil, die Internationalisierung der Gamescom – erklärtes Ziel der Veranstalter – auch künftig stärker in den Blick zu nehmen. „Es gibt viele Fans aus Übersee, die nicht so einfach nach Köln kommen.“ Am Wochenende wurden die Inhalte der Streams wurden über Kooperationen mit Streamern in verschiedenen Sprachen übernommen, darunter Chinesisch, Englisch, Französisch und Russisch.

Auch beim Düsseldorfer Spiele-Publisher Astragon hofft man, über das neue Format Besucher aus dem In- und Ausland erreicht zu haben, die sonst nicht zur Gamescom kommen können. „Auch wenn es hier und da einige, vor allem technische, Startschwierigkeiten gab, wollen wir den Messeverantwortlichen an dieser Stelle ein großes Lob aussprechen: Sie haben innerhalb kürzester Zeit ein völlig neues Format von nicht unerheblicher Größenordnung auf die Beine gestellt", sagt Sprecherin Daniella Wallau. Man habe sich gefreut, dass die Messe nicht wie viele andere abgesagt worden sei. „Wir hoffen zwar im nächsten Jahr zur gamescom 2021 auf ein persönliches Wiedersehen mit Spielern, Geschäftspartnern und Kollegen, doch sehen wir die gamescom digital als wunderbares Zusatzangebot, das auf jeden Fall nicht wieder in der Schublade verschwinden sollte."

Nächste Gamescom wird hybrid

Im kommenden Jahr soll die Messe vom 25. bis zum 29, August in Köln und als hybride Veranstaltung im Netz stattfinden. „Das Zusammentreffen vor Ort, gemeinsam spielen feiern, erleben – das ist digital einfach nicht zu ersetzen“, sagte Böse. „Da wollen wir wieder hin, wenn die Entwicklung der Pandemie es erlaubt.“ Unternehmen wie Besucher schätzten es aber, wenn digitale Angebote die Veranstaltungen flankierten.

Man werde sich nun Zeit nehmen, die Komponenten der diesjährigen Gamescom auszuwerten. „Dann sehen wir, was Bestand haben wird und was vielleicht – insbesondere für zukünftige Hybridmodelle aus der Durchführung am Standort mit zusätzlicher digitaler Reichweite – keine Fortsetzung finden muss.“

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