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„Hilft nicht bei Pandemiebekämpfung“Handel in NRW fordert Öffnung unter Auflagen

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Passanten Mitte März in der Schildergasse

Köln – Der Handelsverband in Nordrhein-Westfalen zeigt sich angesichts der Beschlüsse der Bund-Länder-Konferenz fassungslos. „Hier wird eine verschlimmerte Situation nur mit einem Mehr vom falschen Rezept bekämpft“, sagte Hauptgeschäftsführer Peter Achten dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Dienstag. Studien des RKI hätten bereits hinreichend belegt, dass der Handel kein Infektionsherd sei. „Die Beschränkungen hier helfen also auch nicht bei der Bekämpfung der Pandemie – sie kosten nur mehr und mehr Existenzen.“

In einer HDE-Umfrage gaben zuletzt 54 Prozent der befragten Bekleidungs- und 58 Prozent der befragten Schuh- und Lederhändler an, dass sie insolvenzgefährdet seien. Der HDE fordert schon länger eine Abkehr von der Fixierung auf Inzidenzwerte bei der Pandemiebekämpfung und eine Öffnung unter Auflagen für alle Händler.

Kritik an Ruhetagen

Achten kritisierte außerdem die Einführung der sogenannten Ruhetage über Ostern: Mit der geplanten Schließung des Lebensmitteleinzelhandels an Gründonnerstag werde eine „künstliche Verknappung der Shopping-Zeiten“ herbeigeführt, die einen stark erhöhten Kundenandrang provozieren könnte.

Die Kölner Rewe Group, zu der neben den gleichnamigen Supermärkten auch der Discounter Penny zählt, forderte ihre Kunden in Folge der Beschlüsse dazu auf, für Ostereinkäufe „bereits die Tage vor Gründonnerstag“ zu nutzen, um das Geschehen zu entzerren. Außerdem verwies Rewe auf seinen Abhol- und Lieferservice.

Andere Handelsketten wählten einen deutlich härteren Ton: Rossmann-Geschäftsführer Raoul Roßmann sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Politik habe sich mit dem Beschluss „leider von der Lebensrealität der Menschen entfernt“. Man erwarte für die kommende Woche einen „Kundenansturm, der sowohl für unsere Kundinnen und Kunden als auch unsere Mitarbeitenden zu einer enormen Herausforderung werden dürfte“.

Ohmacht und Existenzängste

Auch aus dem Gastgewerbe in der Region kam scharfe Kritik an der Verlängerung des Lockdowns: Der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in Nordrhein-Westfalen sprach von „Ohnmachtsgefühlen, Existenzangst, Resignation, Wut und Ärger“. Der Verband forderte nachdrücklich die Öffnung des Gastgewerbes für Geimpfte, Genesene und Getestete. Die dazu erforderliche Infrastruktur sei vom Staat schnellstmöglich zu organisieren. „Das ist unsere Überlebensstrategie“, sagte Dehoga-Nordrhein-Präsident Bernd Niemeier. „Wir haben die Nase gestrichen voll, vor allen Dingen weil wir unsere Hausaufgaben gemacht haben und der Staat nicht.“ Er betonte, dass die Branche mehr finanzielle Hilfe benötige: etwa einen angemessenen Unternehmerlohn und die Erhöhung der Fixkostenerstattung bis 100 Prozent.

IHK-NRW-Präsident Ralf Stoffels fand ebenfalls deutliche Worte für die Beschlüsse: „Diese Entscheidung wird den Unternehmen und Selbstständigen im Einzelhandel, der Gastronomie und dem Tourismus den Boden unter den Füßen wegziehen.“ Die ohnehin schon hohe Insolvenzgefahr werde „mit den aktuellen Beschlüssen weiter befeuert“. Die Kölner IHK-Präsidentin Nicole Grünewald beklagte, die neuen Beschlüsse würden zudem „viele Fragen“ aufwerfen. „So weiß zum jetzigen Zeitpunkt niemand, was zum Beispiel die neuen „Ruhetage“ bedeuten sollen.“ Sie plädierte außerdem für zusätzliche Unternehmenshilfen, beispielsweise in Form einer Überbrückungshilfe 4.

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Hans Peter Wollseifer, Präsident der Kölner Handwerkskammer und des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, forderte derweil „endlich eine auf allen Ebenen durchdachte, abgestimmte und verlässliche Politik sowie eine sofortige Entbürokratisierung der Impfstrategie“. Handwerker müssten wieder vollumfänglich ihrer Arbeit nachgehen können, ohne sich darum zu sorgen, neue Verordnungen zu verpassen. „Die Zeit des Drumherum-Redens ist vorbei: Was unsere Betriebe in der Region mittlerweile aushalten müssen, ist nicht mehr vermittelbar“.