Professor für Arbeitsrecht„Impfpflicht im Büro ist kaum durchsetzbar“

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Jacob Joussen, Professor für Arbeitsrecht 

Herr Prof. Joussen, die Lufthansa möchte eine Impfpflicht für ihre Crew. Darf sie das tatsächlich von ihren Mitarbeitern verlangen, sich impfen zu lassen?

Gesetzlich: Nein. Wir haben keine Impfpflicht, also gibt es für eine einseitige Anordnung keinen Raum. Wenn ich das richtig gesehen habe, wird die Lufthansa versuchen, dies durch eine Betriebsvereinbarung durchzuführen oder tarifvertraglich. Da muss man abwarten, ob eine solche zusätzliche Regelung nicht zu stark in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer eingreift.

Die Lufthansa ist momentan in einer äußerst schwierigen Situation. Eine Corona-Impfung ist in vielen Ländern eine Einreisevoraussetzung. Laut Medienberichten läuft es jedoch momentan so ab: Schweigt ein Mitglied der Crew oder der Pilot bei der Frage, ob er geimpft ist, muss ein neuer Dienstplan her. Dasselbe gilt für die Testpflicht. Die Daten dürfen aber nicht gespeichert werden – das heißt, die Lufthansa muss jedes Mal wieder neu fragen und den Dienstplan umwerfen. Sie sagt, ein internationaler Flugbetrieb sei so künftig unmöglich zu planen. Kann das als Begründung gelten?

Als alleiniger Grund wird das nicht gelten können. Eine schwierige Planbarkeit wird die Persönlichkeitsrechte und die Datenschutzrechte nicht aushebeln. Da wird es sehr genau darauf ankommen: Was heißt schwierig zu planen? Müssen sie den Flugbetrieb deshalb einstellen? Wenn ja, dann wird das Argument sicher in die Waagschale geworden. Aber alleine zu sagen: Es wird komplexer und schwieriger, scheint mir nicht auszureichen.

Zur Person

Prof. Dr. Jacob Joussen (49) leitet den Lehrstuhl für bürgerliches Recht, Deutsches und Europäisches Arbeits- und Sozialrecht an der Ruhr-Universität Bochum. 

Sie sagten ja schon, man könne die Impfung in den Tarifvertrag schreiben. Könnte man also bei Neueinstellungen schreiben, dass die Mitarbeiter gegen Corona geimpft sein müssen?

Man kann es hineinschreiben. Aber eine vertragliche Pflicht, sich impfen zu lassen, halte ich für eine unwirksame Vereinbarung. Sie belastet den Arbeitnehmer ungebührend und greift zu stark in sein Privatleben hinein.

Also bringt es nichts?

Nein. Es bringt nichts. Dasselbe gilt, wenn bei einem Bewerbungsgespräch die Frage kommt: Sind Sie geimpft? Da darf ich lügen, weil dies eine Frage ist, die in meinen Privatbereich hineingreift und den Arbeitgeber nichts anzugehen hat.

Aber hat der Arbeitgeber nicht das Hausrecht? Können die Unternehmen nicht frei entscheiden, wer hineinkommt und ungeimpfte Personen nicht in das Unternehmensgebäude lassen?

Das kann er auch machen. Aber das entbindet ihn nicht von der Leistungspflicht – das Gehalt müsste er weiterhin zahlen, obwohl keine Leistung erbracht wird. Es gibt aber auch Alternativen zur Impfung. Wenn die Leute kommen, müssen sie halt mit Abstand und Maske arbeiten – auch das ist ja ein Weg.

Kann der Arbeitgeber Ungeimpften denn aus den Gründen kündigen?

Nein. Die Impfung ist eine höchstpersönliche Entscheidung und hat nichts mit dem Arbeitsrecht zu tun, solange wir nicht über gesonderte Bereiche wie das Gesundheitswesen sprechen. Da kann man über Ausnahmen nachdenken. Aber im Regelfall ist das Verweigern einer Impfung keine Pflichtverletzung. 

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Wäre eine Impfpflicht im Gesundheitswesen denn möglich? Ungeimpfte Ärzte und Krankenschwestern, die beispielsweise mit Krebserkrankten arbeiten, gefährden schließlich ihre Patienten.

Hier befinden wir uns zurzeit im rechtlichen Graubereich. Bisher gibt es keine Impfpflicht in Bezug auf Corona. Ausnahmen gibt es in wenigen Fällen, zum Beispiel die Masernimpfung für Erzieherinnen und Erzieher. Wenn der Gesetzgeber diese Leitlinie vorgibt, hat das auch für den vertraglichen Bereich Relevanz. Bei Corona wird sich die Situation aber dauerhaft ändern. Deswegen kann man keine Garantie dafür abgeben, dass Arbeitsgerichte in solchen sensiblen und unmittelbaren Körperkontakt-Berufen nicht doch zum Beispiel eine Weisung durchlassen, sich entweder zu impfen oder sich in bestimmter Weise zu verhalten. Aber vom Prinzip bleibt es bei dem Grundsatz: Es gibt keine Impfpflicht. Auch nicht durch die Hintertür.

Viele Unternehmen sagen, sie warten auf eine Entscheidung des Bundes. Was für eine Entscheidung kann das denn sein, wenn die Bundesregierung eigentlich eine Impfpflicht ausschließt?

Die Entscheidung wäre eine Leitentscheidung, wie sie es bei der Masernimpfung gemacht haben. Dann schreibt man ins Infektionsschutzgesetz hinein, dass Mitarbeiter in bestimmten Berufen gegen eine bestimmte Erkrankung geimpft sein müssen. Das gibt es ja schon bei anderen Krankheiten. Insofern wäre eine Leitlinie des Bundes ziemlich unproblematisch, wenn man sie politisch wollte. Ob sie dann auch bei Corona hält, ist dann eine Frage, die dann die Gerichte entscheiden.

Wie sieht es mit Kantinen aus? Kann ein Arbeitgeber diese auch nur für Geimpfte und PCR-Getestete öffnen?

Auch hier ist die Corona-Schutzverordnung vorrangig und hat eine eindeutige Regelung. Die Kantinen können geöffnet werden, aber nur für 3G im Innenbereich.

Und angenommen, jemand verweigert auch den Test?

Dann bringt er sich seinen Henkelmann mit.

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