Unternehmen oder Privathaushalte?Wem zuerst das Gas abgedreht wird

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Druckanzeige an Gasspeicher

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Köln – Um die Frage, ob privaten Haushalten oder der Industrie bei einem Lieferstopp zuerst der Gashahn zugedreht wird, ist eine hitzige Debatte entbrannt. Ein Überblick über Akteure und ihre Positionen.

Worum dreht sich die Debatte? Losgetreten wurde sie von dem Kölner Spitzenmanager und Eon-Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley. Bisher gilt, dass bei einem Gasmangel erst nach und nach verschiedene Branchen der Industrie abgeklemmt werden, bevor den Privatleuten die Heizung abgedreht wird. „Die Politik sollte aber sehr ernsthaft darüber nachdenken, ob sie die Reihenfolge nicht umdreht und erst bei Privaten abschaltet und dann bei der Industrie. Denn unsere gesamte Volkswirtschaft und damit auch die Einkommen der Menschen hängen daran, dass die Industrie arbeitsfähig bleibt“, sagte Kley dem Manager-Magazin. Lebensnotwendige Infrastruktur wie Krankenhäuser sollten aber weiterhin davon ausgenommen werden.

Wer ist Karl-Ludwig Kley? Der promovierte Jurist arbeitete fast zwei Jahrzehnte bei Bayer, bevor er als Finanzvorstand zur Lufthansa ging. Von dort wechselte er zum Darmstädter Pharma- und Chemiekonzern Merck und baute als Chef vor allem mit Übernahmen die heute wichtigste Sparte auf: Life-Science. Heute führt er die Kontrollgremien von Lufthansa und Eon. Kley wohnt in Köln. Von 2007 bis 2013 war er Aufsichtsratchef des 1. FC Köln.

Was sagt die Wirtschaft? Unternehmerverbände finden eine klare Sprache: „Die Industrie muss natürlich bevorzugt beliefert werden. Wenn die Bänder stillstehen, werden kalte Wohnungen unser geringstes Problem werden“, sagt David Zülow, Vorsitzender des Verbandes „Die Familienunternehmer“ in NRW und selbst Inhaber eines Handwerksbetriebes mit 400 Mitarbeitern. „Keine Grundstoffe aus der Industrie bedeutet keine Weiterverarbeitung und keine Dienstleistungen“. Das betreffe bis zu 90 Prozent aller Arbeitsplätze. „Wenn Bayer keine Pillen mehr drehen kann, kann die Krankenschwester auch keine Medikamente mehr verabreichen“, so Zülow.

„Vertretbare Absenkung des privaten Gasverbrauchs“

Der Chef des NRW-Arbeitgeberverbandes, Arndt Kirchhoff sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Wir müssen im Fall eines Engpasses genau überlegen, wie wir die Lasten verteilen können. Ich meine, dass Wirtschaft und private Haushalte hier gleichermaßen einen Beitrag leisten sollten“. Darüber nicht zu sprechen, wäre in dieser Situation falsch. „Es geht nicht darum, Haushalte von Gasversorgung komplett abzuschneiden. Aber eine Debatte um eine vertretbare Absenkung des privaten Gasverbrauchs muss in dieser besonderen Lage auch ohne Polemik möglich sein“, sagte Kirchhoff. „Für den Fall einer Gasmangellage machen wir uns große Sorgen um die Existenz von tausenden Unternehmen und den Verlust von hunderttausenden Arbeitsplätzen“, so der Arbeitgeberpräsident.

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Wie ist die offizielle Regelung? Wer im Zweifel wie viel Gas bekommt, regelt der „Notfallplan Gas“, den die Bundesnetzagentur überwacht. Es gibt drei Krisenstufen. Aktuell gilt die Frühwarnstufe. Die zweite Phase heißt Alarmstufe mit „Störung der Gasversorgung. Auch dann wird die Versorgung noch über Angebot und Nachfrage geregelt. In der Notfallphase herrscht laut Bundesnetzagentur ein akuter Mangel, auf dem Markt wäre kein Gas für den freien Verkauf verfügbar. Dann ist die Abschaltung nicht mehr freiwillig, sondern erfolgt durch den Staat in einer „hoheitlichen Zuteilung“. „Haushaltskunden unterliegen dann einem besonderen gesetzlichen Schutz und werden vorrangig versorgt“, heißt es von der Bundesnetzagentur.

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