50 Jahre Carrera-BahnDie Mini-Meister

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"Slotcars and more": Unternehmensgründer Olaf Ottersbach aus Troisdorf ist Carrera-Liebhaber.

"Slotcars and more": Unternehmensgründer Olaf Ottersbach aus Troisdorf ist Carrera-Liebhaber.

Köln/Troisdorf – Es summt und brummt auf der „Dicken Berta“. Montagabend ist es, große Männer stehen an den asphaltgrauen Bahnen und steuern kleine Flitzer über die Piste. Niemand spricht. Nur geflucht wird, wenn eine Karosse die Kurve nicht schafft. Im Troisdorfer „Raceway Park“ läuft ein Rennen. Richtig ernst aber wird es im November: Dann setzen Piloten aus aller Welt ihre elektrischen Modellautos auf die zweitgrößte Carrera-Bahn Deutschlands und rasen um den Weltmeistertitel. Und jeder Lauf wird im Internet live übertragen.

Vor bald einem Jahr hat der „Raceway Park“-Verein die Strecke in einer ehemaligen Badmintonhalle in Betrieb genommen. „Zurzeit ist nur die Bahn im Hamburger Racing-Center größer“, sagt Gerd Westerhausen, der Vereinsvorsitzende, mit Blick auf jenen Parcours, der als der größte in Europa gehandelt wird. Die „Dicke Berta“ in Troisdorf bringt es bei sechs Spuren auf eine Länge von etwas mehr als 52 Metern, in der Hansestadt bietet die Strecke „Silverstone“ bei ebenso vielen Spuren 55 Meter. „Wenn unsere neue Strecke fertig ist, haben wir die längste“, sagt Westerhausen. Noch ist der Nachbau des japanischen Suzuka-Kurses eine Baustelle.

Der „Raceway Park“, Zum Altenforst 9, Troisdorf, ist montags und mittwochs jeweils von 18.30 bis 23 Uhr geöffnet. Gäste zahlen fünf Euro. Gegen weitere Gebühren können Autos und Regler geliehen werden. Hier wird von Freitag, 22. November, bis Sonntag, 24. November, die Weltmeisterschaft ausgetragen.

www.slotcraft.de

Im Slot-Racing Club, Neusser Straße 629, Köln, sind Gäste immer freitags von 19 bis 22 Uhr sowie an jedem zweiten und vierten Dienstag im Monat willkommen (keine Kosten).

www.scr-koeln.com

Olaf Ottersbach und sein Shop sind im Internet zu finden unter

www.slotcars-more.de

Carrera statt Computer

Vor genau 50 Jahren wurden die ersten „Carrera“-Bahnen aufgebaut – „Carrera“, das ist spanisch und bedeutet „Rennen“. Die flexiblen Strecken kommen damals erst aus Nürnberg, später aus Fürth, immer von der Spielzeugfabrik Josef Neuhierls (1895 bis 1957). Zum ersten Mal surren 1963 unter der Bezeichnung „132 Universal“ (nach dem Maßstab 1:32) elektrische Autos an einer Führungsschiene aus Metall über Plastiktrassen. Vor allem in den 70er-Jahren blüht der Absatz der „Slotcars“ – „Schlitz-Fahrzeuge“, wie sie auf internationalem Parkett heißen. 1985 steuert das Unternehmen in den Konkurs, seit dem 2. Februar 1999 ist die Marke im Besitz des Österreichers Andreas Stadlbauer (46) und in Salzburg beheimatet. „Niemand wollte sie übernehmen, weil niemand glaubte, dass »Carrera« noch eine Zukunft hat und gegen Computerspiele bestehen kann“, erinnert sich Stadlbauer. Er aber vertraute der Kraft der Marke – und auf das Kind im Manne.

Stadlbauer brachte also die Technik auf Vordermann – so wurde „Carrera“ etwa digital. Natürlich hat er selbst als Kind mit einer „Carrera“-Bahn gespielt: „Ich war sechs und Niki Lauda hatte seine große Zeit.“ Ein Ferrari aus der damaligen Formel-1-Serie und ein Porsche 911 – „Silbern und mit echtem Licht!“ – waren seine Lieblinge. Heute parken sie in seinem Büro, in einer Glasvitrine. „Wichtig war uns immer, dass wir jene Rennwagen, die jeder im Fernsehen sieht, haargenau nachbauen“, sagt Stadlbauer. Wo früher Michael Schumacher am Lenkrad saß, sitzt heute Sebastian Vettel. Schrumpft ein Fahrzeug auf Spielzeuggröße, seien die Änderungen am Äußeren nur minimal, versichert der Firmenchef. „Und jede Abweichung wird mit den wirklichen Autobauern abgestimmt.“ Technik und Design der Modelle in den gängigen Maßstäben 1:32 und 1:24 entstehen in Salzburg, produziert wird die Ware in Hongkong.

Später steht sie dann zum Beispiel in den Verkaufsregalen von Olaf Ottersbach. Der Schlosser im öffentlichen Dienst hat seine Leidenschaft zum zweiten Beruf gemacht: In Troisdorf verkauft der 46-Jährige das Zubehör zum Rennsport, knapp bekleidete Boxenluder und jubelnde Zuschauer inklusive. Zudem repariert er defekte Fahrzeuge, selbst Raritäten setzt er instand. „Es gibt doch nichts Schöneres, als wenn Vater und Sohn an fiesen Winterabenden heiße Rennen fahren und die Faszination des Rennsports ins Wohnzimmer holen“, philosophiert Ottersbach, dessen Onlineshop in alle Welt liefert. So kommen ihm auch Kuriositäten in die Finger, wie etwa „Jet Apollo 11“: Ein Mondmodell mit Umlaufbahn und Raumfähre, das „Carrera“ 1969 – im Jahr der wirklichen Mondlandung – auf den Markt gebracht hat. „Man muss vier Metall-Astronauten auf den Mond schießen“, erklärt Ottersbach. „Der ist magnetisch, so dass die Figuren haften bleiben.“ Allerdings versagte die Technik, „Apollo 11“ hob nicht mehr ab. Ottersbach hat’s hingekriegt, neuen Mondlandungen stand nichts mehr im Weg. „Solches Spielzeug, vor allem aber die Rennbahn, liegt oft Jahre vergessen auf dem Dachboden“, sagt Ottersbach. „Und dann wird die Bahn von einem Mann jenseits der 30 plötzlich wiederentdeckt – und gleich aufgebaut.“

Profis fahren selbstgebaute Modelle

Seltener steigen Frauen ein. Christine Schmitz, 32 Jahre alte Angestellte aus Bonn, ist zurzeit die einzige Frau im Troisdorfer Pilotenpool. Vater Toni (53) hat die Tochter mit dem Slotcar-Virus infiziert. „Die Geschwindigkeit und die Hochleistungstechnik dahinter, die machen den Reiz aus“, erklärt Schmitz. Wie die Männer im Verein macht sie ihre Autos erst rennfertig – Originalwagen frisch aus der Fabrik fahren die Profis nicht, das Meiste wird selbstgebaut. Rund um die „Dicke Berta“ haben die Rennfahrer Werkstätten eingerichtet. Jeder schraubt an seinem Fahrzeug, das mit handelsüblicher Ware nichts mehr zu tun hat: Die Karosserien stammen aus Bausätzen, die Chassis und Fahrwerke sind Marke Eigenbau, meist aus Messing, manchmal aus Carbon. Die Reifen sind aus Moosgummi, mit Klebeband werden sie aufgeraut. Das sorgt für den richtigen Grip, die Haftung auf der Rennstrecke – die zählt, genau wie im wirklichen Rennsport. „Out oft the Box“-Rennen – Wettbewerbe, bei denen Autos frisch aus der Verkaufsschachtel auf die Strecke geschickt werden – sind dagegen selten.

Während im Troisdorfer „Raceway Park“ die Ausstattung eher zweckmäßig ist, hat der Slot-Racing Club Köln (SRC) im Stadtteil Weidenpesch die Strecken mit viel Liebe zum Detail gestaltet: Mit dabei sind sogar abseits badende FKKler und hart arbeitende Kameraleute. Seit 1995 residiert der Kölner Verein im Kellergeschoss einer Wohnanlage, der Eingang liegt gut versteckt. 25 Mitglieder halten die 32 und 50 Meter langen Bahnen in Schuss. Jeder Neuling behaupte erst mal, dass er das „Slot-Racing“ nur ausprobieren wolle, sagt Präsident Manfred Hühn, ein 47 Jahre alter Vermögensberater: „Ich gebe jedem zwei Wochen, dann setzt sich der Rennvirus durch.“ So ist es auch an diesem Abend: Peter Sinther (45) und sein Sohn Lucas (12) kommen an Renntagen immer spät nach Hause, meist erst nach Mitternacht. „Mein Sohn hat diesen Sport entdeckt, seit einem Schnupperfahren sind wir dabei“, sagt der Vater. Längst hat auch ihn das Fieber erwischt. Und wer weiß, vielleicht gehen hier schon neue Meister an den Start.

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