Baupläne des 1. FC KölnWas würde die Stadt mit der Gleueler Wiese verlieren?

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Auf der Gleueler Wiese will der 1. FC Köln bauen.

  • Seit der 1. FC Köln dort Trainingsplätze bauen will, ist die Gleueler Wiese zu einem Symbol geworden: Es geht um weit mehr als Landschafts- und Denkmalschutz.
  • Wir haben uns einen Nachmittag lang auf der Wiese aufgehalten – und sind auf viele unterschiedliche Menschen und ebenso viele Meinungen zum Thema getroffen.
  • Was würde Köln verloren gehen, wenn das Stück Grün zum Trainingsplatz werden sollte? Was könnte die Stadt dazu gewinnen?

Köln – Für naive Betrachter ist es eine große Wiese. 600 Meter lang, im Durchschnitt 80 Meter breit. Gelegen zwischen Gleueler Straße und Franz-Kremer-Stadion, gleich neben dem Militärring. Eingefasst von alten Bäumen ist die Wiese. Sie ist nicht mit Apfelbäumen bepflanzt, nicht von Mohnblumen oder Margeriten umweht. Für Menschen, die sich mit Wiesen nicht auskennen, hat sie keinen hohen Wiedererkennungswert. Es sei denn, die Maserung mit Schafskothäufchen. Oder die Wellen der Maulwurfshügel.

Oder die Brennnesselinseln, die den Schafen getrotzt haben. Die Wiese hätte wohl nichts dagegen, als schlicht bezeichnet zu werden. Für Fußballspieler ist sie zu holprig. Für Romantiker ob der nahen Verkehrsader zu laut. Für Schafe genau richtig. Für 58 Vogelarten, die einem Gutachten zufolge rund um die Wiese zu Hause sind, auch. Vier Fledermausarten, Igel, Rotfuchs, Eichhörnchen, Kaninchen und Feldhase mögen sie gern.

Geld und Macht

Und, an einem lauen Nachmittag dieser Woche: Hunde und Halter, Instagram-Model und Fotograf, Eltern und Kind, Unternehmer und Auto, Müßiggänger und Buch, Teenager und Smartphone. Nicht jeder von ihnen weiß, dass der 1. FC Köln hier drei neue Trainingsplätze und ein Leistungszentrum bauen will – und der Stadtrat am 18. Juni entscheiden soll, ob der Verein darf oder nicht. Der Fotograf des Instagram-Models, der sich als Felice vorstellt, sagt: „Wusste ich nicht. Die Wiese finde ich nice, Sport finde ich auch nice. Sollen die Fußballer doch einfach hier sprinten üben.“

Alles zum Thema Henriette Reker

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„Hier will der FC bauen?“ Stefanie Heyartz und Barbara Büchel wussten nicht, dass es die Gleueler Wiese schon bald nicht mehr geben könnte.

Kolja, der mit Frau und Kleinkind unter einem Baum picknickt, sagt: „Ist das die Gleueler Wiese? Sie ist schön, aber die Kinder brauchen auch Platz, um Fußball zu spielen. In der Abwägung sage ich: Sollte man erlauben.“ Stefanie Heyartz und Barbara Büchel laufen mit ihren Hunden über die Wiese. „Hier will der FC bauen?“, fragt Heyartz. „Natur wird für Städte immer wichtiger. Es ist ein absoluter Irrsinn, dass das verbaut werden soll. Ich habe im Internet dagegen gestimmt.“ Büchel sagt: „Am Ende geht es um Geld und Macht. Wenn der FC und der Karneval was wollen, kriegen sie es in Köln.“ Sie schickt noch eine Schimpftirade hinterher.

„Solche Orte werden immer wichtiger“

Ein paar Meter weiter schaut Markus Wilzcek aus seinem Wagen auf die Wiese. Er ist FC-Fan, seine Söhne spielen Fußball. Er sagt: „Wenn man will, dass der FC sich weiterentwickelt und auf Dauer eine gute Rolle in der Bundesliga spielt, muss man den Verein die Plätze machen lassen. Dafür muss Ausgleich geschaffen werden, am besten, man verbreitert den Grüngürtel nach außen.“ Die Kabarettistin Sylvia Brecko, die mit ihrer Hündin Audrey über die Wiese schlendert, sagt: „Ich habe nichts gegen den FC, aber das ist eine grüne Lunge. Solche Orte werden in Zeiten einer Pandemie immer wichtiger.“

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In Zeiten der Pandemie ist die Gleueler Wiese ein beliebter Ausflugsort.

Die Wiese, zu der gerade fast jeder eine Meinung hat, gehört zum Äußeren Grüngürtel, den der damalige Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer vor 100 Jahren plante. Der Äußere Grüngürtel steht seit 1980 unter Denkmalschutz. Die alten Festungsringe der Stadt durften seinerzeit auch deswegen in Parkanlagen umgewandelt werden, um Bodenspekulationen zu verhindern. Bei den Grünflächen handele es sich laut Stadtführer von 1927 um „Sport- und Spielwiesen, Schulgärten, Waldschulen, Luftbäder und Blumengärten“. Es ging also gewissermaßen auch um Sportplätze.

1. FC Köln: Es geht nicht nur um die Wiese

„Große Wiesen wie diese gibt es in Großstädten nicht viele“, sagt Dennis, der vor seinem VW-Bus auf der Wiese sitzt und liest. „Ich fände es traurig, wenn sie verschwinden würde. Klar, ein Sportplatz ist besser als ein Hochhaus, aber es geht auch ums Prinzip. Die Wiese steht für den Grüngürtel. Da sollte man nicht einfach bauen dürfen. Vielleicht heißt es dann in ein paar Jahren: Wir brauchen die nächste Wiese. So geht es ja oft.“

Längst geht es nicht mehr nur um die Wiese. Seit bekannt wurde, dass der 1. Fußballclub Köln hier bauen will, heißt sie Gleueler Wiese. Eine Bürgerinitiative hat den Namen geprägt. Viele Bürger – darunter auch Prominente wie Konrad Adenauer junior, der Schriftsteller Frank Schätzing und der Schauspieler Christoph Maria Herbst – wollen sie erhalten. Es geht um Natur-, Arten- und Denkmalschutz. Der Stadtkonservator findet das Bauvorhaben „denkmalverträglich“, Kritiker wundert das. Ums Klima geht es auch: Einem Gutachten zufolge würde die Temperatur auf den Trainingsplätzen um drei Grad steigen.

Und natürlich geht es ums Prinzip. Von 7145 Menschen, die sich gegenüber der Stadt Köln zum Ausbau des Trainingsgeländes äußerten, war dem Vernehmen nach eine knappe Mehrheit gegen das Projekt. Selten hat es mehr Eingaben zu einem Kölner Bauvorhaben gegeben. Die Gleueler Wiese ist im Kleinen zu einem Symbol geworden wie der Hambacher Forst im Großen: Im Braunkohlerevier ging es irgendwann nicht mehr um ein mit 200 Hektar verhältnismäßig kleines Stück Wald – es ging um den Kampf gegen die Kohle, die mitverantwortlich ist für die beschleunigte Erderwärmung. Die Menschen demonstrierten für einen nachhaltigeren Umgang mit Ressourcen. Dabei setzten sie auf Beharrlichkeit, Widerstand und Eskalation: Es entstanden Bilder, die die Sache zum Symbol machten.

Friedliche Proteste gegen den Ausbau

Die Gleueler Wiese ist nicht der Hambacher Forst. Die Proteste vieler Vereine und Initiativen werden emotional ausgetragen – sind aber bislang friedlich geblieben. Trotzdem geht es um etwas Grundsätzliches: Ob ein für die Stadt wichtiges Unternehmen seine Interessen durchsetzt – oder die Bürger, die sich in der Mehrheit fühlen. Die meisten gewählten Ratspolitiker von CDU, SPD und FDP unterstützen das Projekt bislang. Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat sich nach den vielen Einwänden für die Suche nach einem alternativen Platz ausgesprochen. Am 13. September sollen Kommunalwahlen stattfinden. Wie sich wer zur Gleueler Wiese positioniert, ist für manche Wähler nicht unwichtig. Es ist nicht auszuschließen, dass einige Politiker ihre Meinung noch ändern, die Entscheidung womöglich verschoben wird.

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