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50 Jahre Bläck FöössMit King Size Dick fing alles an

Lesezeit 8 Minuten
Fööss-Serie Oldtimer

King Size Dick (Heinz Ganss ) mit dem Ford-Transit der Band Mitte der 70er Jahre

  • 50 Jahre Bläck Fööss – mit einer Serie feiert der „Kölner Stadt-Anzeiger“ den Geburtstag der „Mutter aller kölschen Bands“.
  • Wir liefern Geschichten, Hintergründe und Auswirkungen einer einmaligen Erfolgsgeschichte.
  • In diesem Teil geht es um die zahlreichen Gast-Stars, die die Fööss auf die Bühne geholt haben.

Köln – Über all die Jahre hinweg hatten die Bläck Fööss – vor allem bei ihren Konzertreihen im Millowitsch-Theater oder bei den großen Shows am Tanzbrunnen und in der Lanxess-Arena – musikalische Gäste mit auf der Bühne. Das waren mal Künstler aus Köln und der Region, aber auch durchaus einige mit internationalem Bekanntheitsgrad. Doch der erste, den die Fööss je bei sich ans Mikrofon ließen, war King Size Dick.

Seine Interpretation der 1973 veröffentlichten Single „Leev Linda Lou“ – auch ein Titel des ein Jahr später erschienenen Debütalbums „Op bläcke Fööss noh Kölle“ – wurde zu seinem Markenzeichen. Den Hit hat der inzwischen 77 Jahre alte Sänger immer noch bei all seinen Auftritten im Repertoire.

King Size Dick, der eigentlich Heinz Ganss heißt, war von Beruf Kfz-Mechaniker und Fernfahrer. Seine Musikerkarriere begann Anfang der 60er Jahre. „Ich war einer der ersten in Köln, der eine Band hatte und regelmäßig in Läden wie Kaskade, Storyville, Starclub oder Flamingo Bar auftrat.“

Alles zum Thema Bläck Fööss

Ganz am Anfang waren die Slobbers. Dann folgten Dick & the Shades und die Black Beats, bei denen schon Tommy Engel hinter dem Schlagzeug saß, oder auch Traumfalter, bei denen der spätere Höhner-Sänger Peter Horn Gitarre spielte. Und während seine Bundeswehrzeit – Ganss hatte sich für drei Jahre verpflichtet und war bei einer schweren Instandsetzungskompanie in Wales stationiert – war er in den Clubs der Umgebung an Wochenenden schon mal Gastsänger bei „Brian Poole & The Tremeloes“. Die machten allerdings erst nach der Trennung von ihrem Frontmann so richtig Karriere: mit Titeln wie „Here comes my Baby“ und „Silence is golden“. „Wäre ich dort geblieben“, erinnert sich Ganss und lacht, „hätte ich vielleicht einen Welthit singen können“.

Die Engländer tauften ihn King Size Dick — wegen seiner Körperfülle

Doch zu der Zeit war „dä Dick“, wie er seiner Körperfülle wegen von klein an gerufen wurde, längst wieder in Köln. Zuvor hatten ihm die Engländer noch das zugehörige „King Size“ verpasst. Über ein zufälliges Treffen mit Tommy Engel („Der ist für für mich als Sänger und Entertainer auch heute immer noch der beste, den es gibt. Der konnte immer schon jede Nummer verkaufen“) auf der Hohe Straße kam er in den Begleit-Tross der Bläck Fööss. „Ich war arbeitslos und die suchten einen Fahrer.“ Und so steuerte er den Bandbus – zunächst ein roter, dann ein weißer Ford-Transit – von Saal zu Saal.

„Zuvor hatte ich mit Karneval nichts am Hut. Ich war Rock’n’Roller und dachte immer, das wäre nur von Weiberfastnacht bis Aschermittwoch. Und dann ging es wochenlang. Einmal hatten wir 17 Auftritte an einem Sonntag. Die Fööss haben sich immer wohl gefühlt bei mir, die haben im Auto geschlafen, und ich habe sie überall pünktlich hingebracht.“ 

Mit Jeans, Parka und Perücke

Hinter der Bühne musste er sich die Kommentare der Fastelovendsfunktionäre anhören. „Wie sehen die denn aus? Können die sich nicht mal die Haare waschen?“, hieß es ganz oft. „Günter Eilemann meinte, dass die Fööss Samtanzüge tragen sollten, am besten och en Fleech.“ Nicht nur über Jeans und Parkas wurde gelästert, auch über Keyboarder Willy Schnitzler, weil der ein „Ääpchen“ trug, also eine Perücke. „Der hat sich erst viel später getraut, seine Glatze zu zeigen.“

Wann er als Fahrer das erste mal mit auf die Bühne geholt wurde, weiß er nicht mehr so genau. Aber es ging um „Linda Lou“ irgendwo, irgendwann Mitte der 70er Jahre. „Das Lied konnte der Tommy nicht 15-mal hintereinander singen. Das machte dessen Stimme nicht mit. Ich konnte das und kann es heute noch – immer volles Rohr.“

Live zu erleben bei einem Auftritt King Size Dicks Ende des Monats am Geißbockheim. Als Zweittitel bei den Fööss kam die „Weetschaff op d’r Eck“ hinzu und später noch ein paar Ostermann-Nummern. Auch an der Verfilmung der Ostermann-LP „Em richtije Veedel“ 1985 für den WDR wirkte er mit. „Mit den Bläck Fööss war es eigentlich wie mit einer Familie. Mit Ehekrach, Grüppchenbildung und allem, was man so kennt. Manchmal fühlte ich mich wie der moralische Mülleimer der Band.“

Nach rund 15 Jahren begann King Size Dick auf Rat von Ehefrau Inge eine Solokarriere, nachdem auch ein Intermezzo als Duo mit Hardrock-Gitarrist Alex Parche („Da wurden wir bei einem Schützenfest in Bayenthal aufgefordert, doch endlich mal einen Walzer zu spielen“) nicht den erhofften Erfolg brachte. „Durch die lange Zusammenarbeit mit den Fööss hatte ich Vorschusslorbeeren. Jeder Literat kannte mich.“ Neben „Linda Lou“ zählte der Ostermann-Evergreen von der „Mösch“ fest zum Repertoire. 1987 kam die kölsche Version von Sinatras „New York, New York“ hinzu: „Kölle am Rhing“.

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King Size Dick sieht sich als einen der Urväter der kölschen Weihnacht. Mitte der 1980er Jahre hatte er im Subway ein entsprechendes Album aufgenommen, dessen Lieder in der Winterlandschaft Kärntens für den WDR verfilmt wurden. Heute lässt er seine Musiker-Karriere langsam ausklingen. „Ich mache doch fast nur noch Benefiz-Auftritte.“ Auch privat hat er alles geregelt. Von der Wohnung auf Mallorca hat man sich längst getrennt, inzwischen lebt er in einem Haus mit Garten in Erftstadt. „Vererbt wird alles an die Reha-Kids. Ich bin ja Botschafter dieses Hilfsprojekts für Kinder mit unterschiedlichen Einschränkungen, das der Uniklinik angegliedert ist.“

Legendäre Auftritte mit Niedecken im Millowitsch

Bei den Fööss folgten auf dä Dick noch zahlreiche Gastsänger und -musiker – aber keiner war so oft dabei wie er. Immer wieder mal an der Seite der Bläck Fööss stand Bap-Frontmann Wolfgang Niedecken. Schließlich engagierten sich beide Bands für soziale Initiativen in der Stadt, zählten zur „Arsch huh“-Bewegung und unterstützten sich gegenseitig bei diversen Jubiläumskonzerten.

So wäre Niedecken auch beim eigentlich in dieser Woche anstehenden Jubiläumsreigen auf dem Roncalliplatz dabei gewesen. Seinen Beitrag für die kommende Jubiläums-CD hat er schon geleistet und „Drink doch eine met“ neu aufgenommen.

Legendär sind die Gastauftritte von Niedecken und seinem damaligen Gitarristen Klaus „Major“ Heuser bei den Fööss-Konzerten 1989 im Millowitsch. Daraus entstand das Live-Album „Bläck Fööss & Fründe“, das vom Cover an die LP „Deja Vu“ von Crosby, Stills, Nash and Young angelehnt war. Mit Liedern wie „Ruut-wiess-blau querjestriefte Frau“, „Do kanns zaubere“ und „Time is cash, Time is money“, aber auch der Beatles-Nummer „Penny Lane“ oder John Lennons „Imagine“ in einer kölschen Version: „Stellt üch vüür“.

Müllers Aap kam im seidenen Bademantel

Ein Jahr später mischte Niedecken beim Album „20 Johr“ mit, für dessen aufwendig gestaltetes Cover „Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band“ von den Beatles als Vorlage diente. Den ähnlich klingenden Titelsong hatte Heuser komponiert, den Gesang der einzelnen Strophen steuerten Niedecken, Willy Millowitsch und Jürgen Zeltinger bei. Der kölsche Willy („Hück Ovend weed die Stimmung jroß“) war bei den Konzerten in seinem Theater genauso mit dabei wie Boxer Peter Müller (Müllers Aap), der im seidenen Bademantel aus der Kulisse trat und seine eher mittelmäßigen Schallplattenerfolge anstimmte: „Ring frei zur nächsten Runde“ und „Rädewumm, dä Jung, dä fällt nit um“. Andere Gäste kamen nur einmal. Zunächst holte man sich die Altmeister der Karnevalsbühnen, Jupp Schmitz und Ludwig Sebus, die „Doof Noss“ Hans Hachenberg oder das Colonia Duett. „Für 1991 hatte Trude Herr fest zugesagt, doch dann ist sie im März verstorben“, erinnert sich Erry Stoklosa.

Zu lokal und national bekannten Größen wie Jürgen Becker und Biggi Wanninger, Stefan Raab, Marc Metzger und Linus gesellten sich internationale Formationen wie Ladysmith Black Mambazo aus Südafrika, Ariel aus Russland oder der Engländer Spencer Davis. Der machte in der Silvesternacht 2005 in der Arena mit, nachdem man sich zwei Jahre zuvor zufällig in einem Koblenzer Hotel kennengelernt hatte. Nun sang man gemeinsam einige Titel, die Mitte der 60er Jahre die Hitparaden angeführt hatten: „Gimme Some Lovin’“ und vor allem „Keep On Running“. Diesen Song spiele er schon seit Jahrzehnten mit seiner Oldie-Band, den Rolling Beats , verriet Bömmel Lückerath. „Und mindestens genauso gut wie das Original.“

Junge Talente am Mikrofon

Mit an die Mikrofone holten die Fööss immer wieder auch junge Bands, denen sie, so Stoklosa, „ein kleines Podium bieten wollten“ – von Brings und dem Jugendchor St. Stephan bis zu Cat Ballou und Miljö. 1993 waren das im Millowitsch die Four Reeves: die rappenden Geschwister hatten beim Arsch-huh-Konzert auf dem Chlodwigplatz auf sich aufmerksam gemacht. „Das war für uns der Durchbruch. Eine ganz große Nummer“, erinnerten sich Shary und Andrew Reeves jüngst bei der Premiere der TV-Dokumentation zum Fööss-Jubiläum.

„Den ganzen April 1993 sind wir jeden Abend mit im Millowitsch aufgetreten.“ Gesungen wurden der eigene Hip-Hop-Titel „Keine Macht den Doofen“, die „Kaffebud“, der „Kaczmarek“ und „Melting Pot“. Der Hit der britischen Popgruppe Blue Mink, in dem empfohlen wird, doch einfach die ganze Menschheit unabhängig von ethnischer Herkunft oder religiösen Glaubens in einen riesigen Topf zu werfen und so lange umzurühren, bis alle gleich wären, sei damals schon ein Song gegen Rassismus gewesen, so Shary Reeves. „Ähnlich wie heute der »Stammbaum« und »Do bes die Stadt«. Das sind Lieder, die mich immer wieder berühren und die gerade in diesen Zeiten so viel ausmachen.“

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