Der Ausbau des S-Bahnnetzes rund um Köln wird nicht vor 2040 abgeschlossen sein, sagt Frederik Ley, Chef von DB Regio NRW.
50 Jahre S-Bahn in Köln„Wir werden mit Verspätungen noch eine Zeit lang leben müssen“

Vor 50 Jahren wurde die erste Linie zwischen Bergisch Gladbach und Köln-Chorweiler in Betrieb genommen.
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50 Jahre S-Bahn Köln. Der Start am 1. Juni 1975 war völlig unspektakulär. Keine Feierstunde, kein Band, das durchgeschnitten wurde. Nichts. Haben Sie etwas zum Start der S-Bahn in der Geschichte der Bundesbahn gefunden?
Es gibt einen historischen Abriss in einer Festschrift, die schon etwas älter ist. Mehr nicht. 1975 hat alles ganz einfach angefangen. Mit einer Linie von Bergisch Gladbach nach Chorweiler, die wenig später bis Chorweiler Nord verlängert wurde. Der neue Bahnsteig mit den Gleisen 10 und 11 im Hauptbahnhof war fertig und man hat mit dem Betrieb begonnen. Damit einher ging die Elektrifizierung. Das war ein Push für die gesamte Region. Die Verbreiterung der Hohenzollernbrücke auf sechs Gleise zwischen 1985 und 1988 war ein weiterer Meilenstein. Mittlerweile haben wir fünf S-Bahn-Linien in Betrieb und arbeiten auf das Zielnetz 2040 hin. Dann sollen es zehn Linien sein, die Köln mit dem Umland verbinden werden.
Bleiben wir noch einen Moment in der Gegenwart. NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer hat sich beim NRW-Mobilitätsforum äußerst unzufrieden vor allem wegen der Verspätungen gezeigt. Die Pünktlichkeit der Regionalzüge und S-Bahnen ist auf 74 Prozent abgesackt. Und 14 Prozent aller Fahrten sind ausgefallen. Was sind die dringendsten Probleme?
Natürlich haben wir als DB derzeit Schwierigkeiten mit der Qualität. Wir müssen aber unterscheiden, welchen Einfluss die einzelnen Eisenbahnverkehrsunternehmen darauf haben. Das gilt für uns als DB Regio NRW, aber auch für alle anderen Anbieter, die Regionalzüge und S-Bahnen im Land fahren.
Warum wird das nicht besser? Das Zugangebot im Regionalverkehr ist doch schon generell um vier Prozent gekürzt worden.
Unsere Infrastruktur ist zu alt, zu störanfällig und zu voll. Auf einem kaputten Schienennetz fahren heute viel mehr Züge als früher vorgesehen waren. Es wurde in den letzten 30 Jahren schlicht zu wenig investiert. Deshalb ist die Sanierung jetzt dringend notwendig.
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Frederik Ley, Chef von DB Regio NRW, auf der Fahrt in einer S-Bahn von Bergisch Gladbach nach Köln.
Copyright: Foto: Deutsche Bahn/Katharina Teudt
Das sagen alle, die mit der Bahn zu tun haben, seit Jahren. Was können Sie denn tun, um die Folgen, also Zugausfälle, Verspätungen und Umleitungen möglichst erträglich zu gestalten?
Wenn es schon so viele Baustellen gibt, müssen wir unsere Fahrgäste besser informieren. Das ist eine Herausforderung. Denn hinzu kommen ja noch Betriebsstörungen durch Polizeieinsätze und Personen oder Tiere im Gleis, Unwetter sowie technische Probleme an Weichen und Signalen. Der zweite Punkt sind moderne Fahrzeuge. Daran arbeiten wir im Großraum Köln gerade. Wir modernisieren momentan alle 99 S-Bahnzüge und bringen 24 generalüberholte Bahnen zusätzlich auf die Strecke, die wir von der S-Bahn Hannover übernommen haben. Beim Fahrpersonal haben wir die Trendwende geschafft. Bei DB Regio NRW haben wir in diesem Jahr praktisch keine Zugausfälle aus Personalmangel mehr. Die Personallücke ist geschlossen. Wir bilden natürlich weiter aus, weil in Kürze die Babyboomer-Generation in den Ruhestand geht.
Die müssen dann wenigstens nicht mehr mit der Bahn zur Arbeit fahren. Wann ist denn endlich Besserung in Sicht? Der Rhein-Ruhr-Express sollte mit mehreren Linien ab 2030 im Viertelstundentakt zwischen Köln, Düsseldorf und Dortmund fahren. Das wird nichts mehr. Oder doch?
Die DB hat beim Rhein-Ruhr-Express nie einen fixen Zeitpunkt genannt und immer von 2030 plus X gesprochen. Das Projekt zieht sich hin, weil umfangreiche Planfeststellungsverfahren erforderlich sind und daher viele Planungen immer noch zu lange dauern.
Jetzt spricht man vom Zielnetz 2040. Das sind zehn Jahre Verspätung. Wer garantiert uns, dass dieses Netz in zehn Jahren nicht auch wieder große Löcher hat?
Das Zielnetz sieht Etappen vor. Der ein oder andere Bahnhof ist schon fertig. Leverkusen zum Beispiel. Für den Bereich S-Bahn Köln ist der Rhythmus klar. Wir schließen die Modernisierung der Stellwerke „Linker Rhein“ und „Köln Hbf“ bis zur Jahreswende ab. Wenn die Sanierungen beispielsweise auch der Brücken beendet sind, können wir endlich an den Neubau gehen. Dazu zählt dann auch die S-Bahn-Westspange zwischen dem Kölner Hauptbahnhof und Hürth-Kalscheuren. Das bedeutet aber auch: Mit der Anzahl und dem Umfang der Baustellen werden wir uns in den nächsten Jahren abfinden müssen. Gleichzeitig können wir in der Planung und der Abwicklung der Baustellen besser werden.

So sieht die Planung für das S-Bahnnetz bis 2030 aus.
Copyright: Nahverkehr Rheinland/Böhne
Noch mehr Klebestreifen auf dem Straßenpflaster, die Pendler zu ihren Ersatzbussen bringen sollen, können damit aber nicht gemeint sein, oder?
Nein. Aber der Schienenersatzverkehr muss so gut organisiert sein, dass uns die Fahrgäste nicht in Scharen davonlaufen. Auf der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim ist das gelungen – daran knüpfen wir jetzt an.
Bei der aktuellen Sperrung in Köln eher nicht, oder?
Bei der Riedbahn waren die Bedingungen deutlich einfacher. In einem komplexen Bahnknoten wie Köln einen Großteil des Regionalverkehrs zwei Wochen lang mit Bussen abzuwickeln, ist wesentlich herausfordernder. Allerdings bekommen wir von unseren Kunden auch viel positives Feedback.
Die schwarz-grüne Landesregierung hat den Wählern in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, bis zum Ende der Wahlperiode 60 Prozent mehr Menschen in NRW auf die Schiene zu bringen. Davon ist sie trotz Deutschlandticket meilenweit entfernt. Warum haben Sie die Politik nicht gewarnt, dass das nicht zu schaffen ist?
Wir haben viele intensive Diskussionen zu der Frage geführt, welche Ziele wir uns als DB Regio NRW setzen und wie wir mit den vorgegebenen politischen Zielen umgehen. Denn der DB-Konzern ist zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes. Wenn unser Gesellschafter ein Ziel vorgibt, setzen wir alles daran, es auch zu erreichen.
Was dürfen Ihre Kunden in den kommenden Jahren denn erwarten?
Es ist wichtig, dass wir keine unrealistischen Erwartungen haben. Wenn wir so viel bauen müssen, kann die Pünktlichkeit nicht ganz schnell besser werden. Wir haben bei der S-Bahn Köln kaum Puffer auf unseren Linien. Deshalb müssen wir ehrlich sein und klar kommunizieren, dass wir mit Verspätungen noch eine Zeit lang leben müssen.
Nehmen wir das also hin. Aber warum fallen Züge immer wieder kurzfristig aus oder fahren nicht bis zu ihrer Endstation, enden statt in Bonn plötzlich in Köln?
Ich mache das mal an einem Beispiel deutlich. Die S 11 fährt zwischen Köln-Dellbrück und Bergisch Gladbach auf einem Gleis. Wenn ein Zug Richtung Bergisch Gladbach sehr viel Verspätung mitbringt, müssen wir ihn in Dellbrück enden lassen, damit er auf dem Rückweg wieder einigermaßen in den Takt kommt. Lassen wir ihn weiterfahren, kann der Zug, der in Bergisch Gladbach steht, nicht losfahren, weil es bis Dellbrück ja nur ein Gleis gibt. Solche Entscheidungen werden von den Disponenten immer kurzfristig getroffen. Das ist sehr ärgerlich für die Kunden, aber lässt sich kaum verhindern. Solche Vorfälle haben wir hundertfach an jedem Tag, die müssen unsere Teams in den Leitstellen managen. Wir setzen seit kurzem auch Künstliche Intelligenz ein, um solche komplexen Entscheidungen schneller verarbeiten zu können. Das kann die KI vielleicht schneller als fünf Mitarbeitende in der Leitstelle, die 20 solcher Fälle gleichzeitig bearbeiten müssen. Wir wollen erreichen, dass unsere Störungsmeldungen schneller an die Fahrgäste kommen.
Erster Zug fuhr am 1. Juni 1975
Die Geschichte der S-Bahn Köln begann am 1. Juni 1975 mit der ersten Fahrt der S-Bahn-Linie 11 zwischen Bergisch Gladbach und Köln-Chorweiler, die im Mai 1977 bis nach Chorweiler Nord und im Sommer 1985 bis nach Worringen verlängert wurde. Heute fährt die Linie bis zum Flughafen Düsseldorf. Am kommenden Montag wird das Jubiläum mit einer Feierstunde im S-Bahn-Werk Nippes unter Beteiligung der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker und des NRW-Verkehrsministers Oliver Krischer gefeiert.