60 Jahre Rolling StonesKölner Autor über die Rockstars jenseits der Klischees

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Die Rolling Stones in München  

Köln – Der Kölner Autor und Verleger Frank Steffan schreibt in seinem gerade veröffentlichten Buch „60 Jahre Rolling Stones - Betrachtungen einer unglaublichen Karriere“  (Edition Steffan, 19,90 Euro) über die erfolgreichste Rockband der Geschichte. Die Rolling Stones jenseits der Klischees, auf die sie in Steffans Augen viel zu oft reduziert werden. Wir haben Steffan, der bekannt wurde mit seinen preisgekrönten  Filmdokumentationen „Heinz Flohe - Der mit dem Ball tanzte“ oder „Das Double - Eine Zeitreise mit dem 1. FC Köln", in Lindenthal zum Gespräch getroffen.

Woher kommt die Motivation, ein Buch aus dem kleinen Köln über die Weltband Rolling Stones zu machen? Ich wollte nicht den hundertneunundneunzigsten Bildband machen, und klar, es gibt bereits unzählige Bücher, aber bei den meisten dreht es sich nur um die immer gleichen Klischees – Sex, Drogen, Skandale, Gigantomanie, Rekordzahlen. Dabei geht es doch erstmal um Musik und eine Band, die in 60 Jahren jenseits der Klischees Songs geschrieben hat, die weit mehr sind als Gitarrenriffs und Mitgrölsongs, mehr als „Satisfaction“ oder „Jumpin’ Jack Flash“. Der Song „Can’t you hear me knocking“ von 1971 ist so ein Beispiel. Der eigentliche Track dauert 2.43 Minuten, aber die Band hat bei der Aufnahme  danach einfach weiter gejamt, Saxophonsolo von Bobby Keys, unglaubliche Gitarre von Mick Taylor, das ist extrem jazzig. Über sieben Minuten lang.

„Die Rolling Stones sahen für damalige Verhältnisse verboten aus“

Also geht es um die Bandbreite der Stones-Musik? Genau. Des Weiteren hat sich bisher niemand wirklich damit auseinander gesetzt, warum die Stones so langlebig und so lange erfolgreich sind. Sie hatten die denkbar schlechtesten Voraussetzungen. Sie sahen für damalige Verhältnisse verboten aus. Sie spielten eine völlig unbekannte, nicht schöne Musik, die die damals erforderlichen Klischees wie schnulzige Lovesongs nicht bediente. Das war nix fürs Fernsehen, das war nicht nett. Ihr Glück war, dass Anfang der 60er eine Zeitenwende anstand und sie die Ersten waren, die dieses Lebensgefühl der Jugendlichen, nicht angepasst und bürgerlich leben zu wollen, musikalisch transportierten.

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Der Kölner Auto Frank Steffan

Machten die Who oder die Kinks das nicht auch? Doch, die kamen aber später. Und die Beatles bedienten alles, was das Showgeschäft verlangte. Die Stones wurden weltbekannt und hatten erste Nummer-Eins-Hits, weil sie gegen den Strich gebürstet waren. Aber dieses Aufbegehren stieß natürlich auch auf Gegenwehr. Für Kirche, Politik oder Gewerkschaften war das eine Bedrohung, da ging es ans Eingemachte. Soll es möglich sein, dass jeder Jugendliche hier rumlaufen kann, wie er lustig ist? Lange Haare, Drogen, Sex? Das stellte das konservative bürgerliche Leben der gesamten westlichen Welt in Frage. Die Stones als Personifizierung dessen wurden verhaftet, es gab Prozesse, Jagger und Richards landeten kurzzeitig im Knast, sie flohen vor der Steuerfahndung. In den 60ern wurden Langhaarige nur wegen ihrer Frisur in der Kneipe zusammengeschlagen. Auf ein Bier in den Pub war für die Stones nicht drin.

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Mick Jagger und Keith Richards

War das unbewusst politisch? Mit Politik hatte das nichts zu tun. Denen ging es nur um eins: tun und lassen können, was sie wollten. Abhängen, rumlaufen wie man will, Musik machen, möglichst viel Geld damit verdienen. Sie waren sich ihrer Außenwirkung bewusst. Und der Druck von außen hat sie so zusammen geschweißt, sodass sie auch später, als der Druck wich, zusammen blieben.  

Anfang der 70er gab es eine neue Bedrohung... Ja, Allen Klein, zeitweise Manager der Band, hatte die Rolling Stones ausgeraubt. Sie verloren die Urheberrechte an allen Songs, die sie in den 60er Jahren eingespielt hatten, und waren im Grunde Pleite. Das war der Anfang des heutigen Imperiums mit eigener Plattenfirma, auch dank des genialen Geschäftsmanns Mick Jagger. Die Marke Rolling Stones, optisch getragen durch das Zungenlogo, ist heute milliardenschwer. Auch deswegen gibt es die Band heute noch, darüber schreibe ich.

„Das Kölner Konzert 1995 im Müngersdorfer Stadion war sehr ungewöhnlich“

Hatten Sie Begegnungen mit den Musikern? Getroffen habe ich die Stones nur einmal, ganz banal. Beim Konzert in der Festhalle Frankfurt 1982 stand ich mit einem EMI-Manager im Aufzug, als plötzlich Mick Jagger und Charlie Watts zustiegen. Zwei Minuten mit offenem Mund im Aufzug, das war's. 1978 habe ich mal ein Telefoninterview mit Keith Richards gemacht. Als die Band am Album „Some Girls“ arbeitete, habe ich für das Magazin „Pop Rocky“ in Paris im Studio angerufen, nach Keith gefragt und habe ihn tatsächlich an die Strippe gekriegt. Das Album war der Restart nach Richards Heroin-Exzessen, für die er in Kanada fast in den Knast gegangen wäre, und nicht mehr oder weniger als eine treffende Antwort auf die Punk-Bewegung. Eine Herausforderung, der sich von den großen Bands nur die Stones gestellt haben.

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Was war ihr Lieblingskonzert? Ich habe rund 30 Konzerte der Stones gesehen. Köln 1995 im alten Stadion war schon sehr außergewöhnlich. Da war die Band schon fast 40 Jahre zusammen, und die Leute waren gefühlt hypnotisiert davon, dass es die Stones wirklich gibt. Das war sehr speziell. Das beste Konzert für mich war Düsseldorf 2014, das war gigantisch, und Jagger war schon über 70. Dass der das hinbekommt, ohne das es nach Altersheim aussieht, ist schon unglaublich. Auch wenn er bekanntlich extrem diszipliniert ist, keine Drogen, kein Alkohol, tägliches Training seit 40 Jahren.

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Mick Jagger lebt enthaltsam und trainiert seit 40 Jahren täglich.

Das ist acht Jahre her, Jagger wird nächstes Jahr 80. Und ist wieder auf Tour. Für den 27. Juli Auf Schalke gibt es noch Karten. Gehen Sie hin? Mal gucken. Eigentlich finde ich die Tickets zu teuer. Zwei-, dreihundert Euro sind total übertrieben. Kommt es echt drauf an, ob du 400 oder 800 Millionen auf dem Konto hast? Ausgeben kannst du das eh nicht mehr. 60 Jahre Rolling Stones von Frank Steffan ist im Buchhandel erhältlich, hat 160 Seiten und kostet 19,90 Euro.

Lesung am Freitag, 19. August 2022, ab 19 Uhr im „Maarwegstudio 2“, Maarweg 149-161, gegenüber dem Karnevalsmuseum. Eintritt frei. Moderation: Ralf Friedrichs. Lesung und Talk mit Frank Steffan und Dirk Schlömer.

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