Aussagen verbotenErzbistum erwirkt Einstweilige Verfügung gegen Stadtdechant Hennes

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Der Kölner Erzbischof Rainer Woelki

Köln – Wo verschiedene Ebenen sich überlagern, wird das Terrain schnell unübersichtlich. Am Streit zwischen dem Erzbistum Köln und dem inzwischen entpflichteten Düsseldorfer Stadtdechanten Ulrich Hennes ist das exemplarisch zu besichtigen. Die Auseinandersetzung über angebliche sexuelle Vergehen des 57-Jährigen ist innerhalb nur weniger Tage in einer Weise eskaliert, die selbst in der an Konflikten gegenwärtig nicht armen katholischen Kirche Seltenheitswert hat.

Der „Knackpunkt“ in der Frage, ob oder was Hennes sich in seiner – betont neutral formuliert - etwaigen sexuellen Praxis hat zuschulden kommen lassen, ist die Überschneidung verschiedener Rechtskreise: des staatlichen und kirchlichen Strafrechts sowie des kirchlichen Disziplinar- und Standesrechts.

Vorwurf stand zu keiner Zeit im Raum

Sowohl die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft als auch ein kirchlicher Sonderermittler kamen bei ihrer Untersuchung von Hinweisen auf sexuellen Missbrauch zu dem Ergebnis, dass Hennes keine strafbare Handlung begangen habe. Insbesondere stand zu keiner Zeit ein Vorwurf im Raum, der sich auf Minderjährige oder schutzbefohlene Erwachsene bezogen hätte.

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Für sexuelle Vergehen von Geistlichen oder anderen kirchlichen Mitarbeitern an diesen Personengruppen haben die deutschen Bischöfe im Zuge des Missbrauchsskandals detaillierte Leitlinien erlassen. Das Erzbistum erklärte wiederholt, sich beim Vorgehen gegen Hennes an diesen Leitlinien orientiert zu haben. So wurde der Geistliche nach Bekanntwerden eines Missbrauchsverdachts unmittelbar von allen Ämtern beurlaubt und mit einem Zelebrationsverbot belegt. Die Staatsanwaltschaft wurde eingeschaltet, die Öffentlichkeit informiert. Allerdings ging es bereits in einem ersten Verdachtsfall um einen erwachsenen Praktikanten in Hennes‘ Gemeinde. Der ständige Verweis auf die bischöflichen Leitlinien, die Missbrauch an Minderjährigen im Blick haben, löste deshalb unter Kennern der Materie zunehmend Stirnrunzeln und Kopfschütteln aus. 

Jenseits des Strafrechts sind katholische Priester allerdings auch einem innerkirchlichen Rechtsregime unterworfen. Dieses betrifft zum Beispiel Verstöße gegen die Verpflichtung zum Zölibat, also zur sexuellen Enthaltsamkeit. Auf einen Bericht über das Verhältnis eines katholischen Priesters mit einer Frau oder einem Mann hin würde kein Staatsanwalt den Kugelschreiber auch nur in die Hand nehmen. Der Bischof aber sehr wohl. Das Kirchenrecht sieht die Maßregelung von Priestern vor, die gegen den Zölibat oder andere Vorgaben der katholischen Sittenlehre verstoßen.

Was bedeutet das für den Fall Hennes? 

Was bedeutet das für den Fall Hennes? Nach Erledigung sämtlicher strafrechtlich relevanter Verdachtsfälle blieb der Vorwurf übrig, es sei 2001 zu einem sexuellen Kontakt zwischen Hennes und einem damals 20-Jährigen gekommen. Hennes bestreitet dies. Das Erzbistum folgt aber einer Version des Betroffenen, auf die sich dieser letztlich in einer eidesstattlichen Versicherung festgelegt habe: Er habe sich mit einem seelsorgerischen Anliegen an Hennes gewandt, und dieser habe eine „seelische Notlage“ für seine sexuellen Absichten ausgenutzt. Fünf Zeugen versicherten dem Erzbistum ebenfalls an Eides statt, dass der junge Mann ihnen die Situation seinerzeit so geschildert habe.

Das Erzbistum geht deshalb von einem schweren Vergehen aus, das zu einem nachhaltigen Vertrauensverlust des Erzbischofs in Hennes geführt habe. Sollte sich der Vorgang so zugetragen haben, wäre es in der Tat ein gravierender Verstoß und nach kirchlichem Recht auch eine Straftat. Diese müsste dann aber nach Ansicht von Fachleuten auch einen ordentlichen kirchlichen Strafprozess zur Folge haben – und nicht nur die Entpflichtung vom Amt des Stadtdechanten und ein Verfahren zur Amtsenthebung als Pfarrer als Disziplinarmaßnahme. Insofern passt der vom Erzbistum eingeschlagene Weg über das Disziplinarrecht allem Anschein nach nicht zum Tatvorwurf.

Mehrere Aussagen per einstweiliger Verfügung verboten

Zur weiteren Komplizierung der ohnehin verworrenen Lage trägt bei, dass das Erzbistum Hennes inzwischen per einstweiliger Verfügung mehrere Aussagen verbieten ließ. Er darf nicht mehr die Erklärung seines Anwalts Peter Schnatenberg in einer Pressemitteilung wiederholen, Grund für die fortdauernde Beurlaubung sei „eine völlig an den Haaren herbeigezogene Mitteilung eines Mannes bezüglich eines angeblichen einmaligen und einvernehmlichen sexuellen Kontakts unter Erwachsenen im Jahr 2001“ gewesen. Außerdem darf Hennes nicht mehr sagen, das Erzbistum habe ihm eine Zukunft als Priester angeboten, falls er freiwillig unter Anerkennung seiner Schuld auf seine Ämter verzichte.

Anwalt Schnatenberg nannte dies auf Anfrage die „Zündung einer weiteren Eskalationsstufe durch den mächtigen Erzbischof“. Es sei bemerkenswert, dass der Kardinal „nun ein weltliches Gericht benutzt, um einen Pfarrer mundtot zu machen“. Schnatenberg bekräftigte, dass er die Schilderungen des angeblichen Opfers für nicht belastbar halte. „Insbesondere gab es keine seelische Notlage. Die beiden haben zusammen gekocht – sonst nichts.“

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Auch bleibe wahr, dass „Hennes bei freiwilligem Verzicht auf seine Ämter eine wohlwollende Behandlung durch das Erzbistum zugesagt wurde. Dazu gehörten zwei unterschiedliche Pressemitteilungen, die Hennes als Alternative vorgestellt wurden – je nachdem, ob er dem Vorschlag eines freiwilligen Amtsverzichts zustimmen würde oder nicht.

Schnatenberg kündigte Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung an. Damit scheint eines klar zu sein: Was mit einer Einschaltung der staatlichen Behörden begann und sich dann im kirchlichen Rechtskreis fortsetzte, wird jetzt wieder die weltliche Justiz beschäftigen.  

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