Bildband „Köln nach dem Krieg“Neue Blicke auf Köln nach dem Zweiten Weltkrieg

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1955: Auf dem Barbarossaplatz treffen sich Fußgänger und Fahrradfahrer, öffentlicher und privater Nahverkehr in der Platzmitte.

1955: Auf dem Barbarossaplatz treffen sich Fußgänger und Fahrradfahrer, öffentlicher und privater Nahverkehr in der Platzmitte.

Köln – Wenn Heinrich Böll an Köln dachte, hatte er vier Städte im Sinn. Das war das Köln seiner Kindheit und Jugend, dann das Köln der Nazizeit zwischen 1933 und 1939, darauf das von Krieg und Zerstörung und schließlich die wiederaufgebaute Metropole.

Keine Frage ist, dass ihm das alte Köln die liebste Etappe war. Was mit diesem an Gebäuden, Plätzen und Atmosphäre untergegangen ist, hat vor zwei Jahren der prachtvolle und sehr erfolgreiche Bildband „Köln vor dem Krieg“ zur Ansicht gebracht.

Überraschend neue Blicke auf die Stadt

Nun legen Reinhard Matz und Wolfgang Vollmer, die beiden vor 40 Jahren nach Köln umgezogenen Herausgeber, im vertrauten Stil mit einem neuen Band nach: „Köln nach dem Krieg“. Diesmal geht es um die Jahre 1950 bis 1990 – und die Vielzahl an neuen Blicken auf die Stadt ist wieder groß, überraschend und erhellend. Dass dies noch nicht das Ende aller Fotosammelei ist, wird beim Blick auf die Zeitspannen klar. Widmete sich der erste Band den Jahren 1880 bis 1940 und der aktuelle den Jahren 1950 bis 1990, so steht uns noch ein dritter Band für die düstere Zwischenzeit ins Haus.

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Viele große Namen sind unter den Fotografen der Neuerscheinung – darunter Henri Cartier-Bresson, Chargesheimer, Walter Dick, Peter Fischer, Heinz Held, Candida Höfer, Robert Lebeck oder Karl Hugo Schmölz. Über die Hälfte der meist schwarz-weißen Aufnahmen, so heißt es im Vorwort, war „zuvor nicht bekannt“.

Reinhard Matz und Wolfgang Vollmer (Hrsg.): „Köln nach dem Krieg: Leben Kultur Stadt. 1950-1990“, Greven Verlag , 392 Seiten, 49,90 Euro.

Der Band versammelt neben den Fotos auch Köln-Texte von Becker, Böll, Brinkmann, Celan, Domin, Kopelew, Wallraff, Wellershoff u.a.

Alles in allem verströmen die Aufnahmen eine solche Vitalität, dass es überhaupt keine Frage ist, ob es sich in dieser Ansiedlung gut leben lasse oder nicht. Der Schwung ist ursächlich verbunden mit einer Stadt, die wieder auf die Füße kommen will. Was da allein innerhalb von wenigen Monaten an Neuem möglich war! Man nehme nur das Jahr 1957: Die Bundesgartenschau findet in den Rheinauen neben der Messe statt, die Gondelbahn über den Rhein wird eröffnet, ebenso die neue Oper am Offenbachplatz und das Wallraf-Richartz-Museum an der Rechtschule, und für den stetig zunehmenden Autoverkehr stehen ab sofort zwei neue, jeweils sechsstöckige Parkhäuser zur Verfügung. Aufschwung West!

Gen Himmel gewachsen

Natürlich sind die Fotos umso verlockender, je ferner und fremder die Zeiten sind, die sie dokumentieren. Wo in den 50er Jahren sonntäglich anmutender Friede herrschte, braust oder stockt heute der Verkehr; wo einst Brachflächen den weiten Blick stadtauswärts erlaubten, sind längst die Häuser gen Himmel gewachsen. So illustriert der Band eine Stadt in Bewegung – und zwar auf allen Lebens-Feldern, nicht zuletzt auf dem der Kultur.

Dieter Wellershoff, einer der großen Autoren unserer Zeit, hat sich in „Pan und die Engel“ (1990) ausführlich mit der Stadt befasst. Ein Auszug daraus wird in dem Band abgedruckt: „Die Stadt veränderte sich zwar“, schreibt er, „aber sie wurde auch wieder sie selbst, wofür als das größte Beispiel der Wiederaufbau der romanischen Kirchen steht. In gleichem Maße, wie man wieder an die Zukunft der Stadt glaubte, rettete man auch ihre vielgestaltige Vergangenheit.“

Die Herausgeber selbst versuchen, die Zeit in Überblicksartikeln zu erfassen. Dabei verblüffen sie, die keine Historiker sind, mit mancher Wertung. Dass Hans Martin Schleyer vor seiner Ermordung zum „Feindbild aller auf gesellschaftlichen Ausgleich drängenden Kräfte geworden“ sei, ist ebenso abwegig wie die Einschätzung, dass der Selbstmord von drei RAF-Terroristen „bis heute vielfach“ bezweifelt werde.

Aber – zu diesem Band, dessen Aufnahmen hervorragend reproduziert werden, greift man ja nicht wegen der rahmenden Texte. Hier will man schauen, suchen, staunen. Und dafür gibt es in dem Prachtband „Köln nach dem Krieg“ Angebote in einer berauschend großen Zahl.

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