Bluttests, DNA-Abgleiche und ObduktionenKölner Rechtsmedizin wird 50 Jahre alt

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Ungewöhnlich: Obduktion des Tigers, der im August 2012 im Kölner Zoo eine Pflegerin getötet hat und anschließend vom Zoodirektor erschossen wurde. 

Ungewöhnlich: Obduktion des Tigers, der im August 2012 im Kölner Zoo eine Pflegerin getötet hat und anschließend vom Zoodirektor erschossen wurde. 

Köln – Das Erscheinungsbild des Gebäudes am Melatengürtel steht im krassen Gegensatz zur Bedeutung des Hauses. Außen eine Waschbetonfassade, in den 1970er beliebt, mittlerweile im Rang einer Bausünde. Innen ein modern ausgestattetes Universitätsinstitut. Stünde nicht der Betonblock mit dem eingemeißelten Schriftzug „Rechtsmedizin“ nahe des Treppenaufgangs, ahnte man kaum etwas von der Existenz des Instituts an diesem Platz. Seit 50 Jahren befindet sich das Institut für Rechtsmedizin der Uni Köln am Melatengürtel 60/62. Das Gebäude-Ensemble wurde am 9. Juni 1971 eingeweiht. Es grenzt an den Melaten-Friedhof, eine halbe Stunde Fußweg oder fünf Straßenbahnhaltestellen entfernt vom Campus der Uniklinik in Lindenthal.

Exklusive Einblicke in das Institut bietet das im Bachem Verlag erschienene Buch „Vom Tatort ins Labor“. Hauptautor ist Professor Dr. Markus Rothschild, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin. Er stellt einen Ort vor, „wo die Wahrheit erforscht“ wird. Die vielfältige Arbeitswelt des etwa 60-köpfigen Wissenschaftsteams, bestehend aus Ärzten, Biologen, Chemikern und einer Pharmazeutin, umfasst Bluttests, DNA-Abgleiche, Obduktionen und Tatortuntersuchungen. Beschrieben und bebildert werden echte Fälle der Kölner Rechtsmedizin. Keine Sorge: Die Fotos sind so sorgsam ausgesucht worden, dass sie teils zwar an die Grenze des Zumutbaren, aber nicht darüber hinaus gehen. So wird der hochkomplexe Weg von der Spur zur Täterin oder zum Täter realistisch und lebensnah dargestellt.

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Auch für den Tatort aus Münster diente die Kölner Pathologie schon als Drehort: Liefers, Prahl und Urspruch (v.l.)

In den Fallbeispielen geht es unter anderem um die Analyse von Blutspurenmustern, die Entdeckung eines Armbrustbolzens im Kleinhirn des Opfers, das Aufspüren von „K.-O.-Mitteln“, die Wiedervereinigung eines Schädels mit den restlichen Knochen eines unbekannten Toten und die Obduktion eines Tigers.

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Rechtsmedizin in Köln

Das aktuelle Gebäude des Instituts für Rechtsmedizin besteht seit 50 Jahren. Die Geschichte der Rechtsmedizin in Köln begann früher. An der Universität zu Köln wurde der Lehrstuhl für Gerichtliche Medizin 1934/35 auf Betreiben der Nationalsozialisten eingerichtet. Das Gerichtsärztliche Institut zog 1937 ins Augusta-Hospital an der Zülpicher Straße, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Lange Jahre war die Gerichtsmedizin auf dem Unigelände in „barackenähnlichen Gebäuden“ untergebracht. Der Neubau am Melatengürtel wurde im Juni 1971 als „größtes und modernstes rechtsmedizinische Institut mindestens im deutschen Sprachraum“ gefeiert. (mos)

Zudem erfährt man Details zur Geschichte, zur Entwicklung und zum Aufgabenspektrum des Instituts. „Das Institut für Rechtsmedizin erfüllt als interdisziplinär ausgerichtetes Universitätsinstitut seine Aufgaben in Forschung, Lehre und forensischen Dienstleistungen“, sagt Professor Rothschild. Das Haus verfügt über drei große Abteilungen: die forensische Morphologie und Traumatologie, in der sowohl Lebende als auch Tote vor dem Hintergrund rechtlicher Fragestellungen untersucht werden; die forensische Molekulargenetik, die sich vor allem mit der Abstammungsbegutachtung beschäftigt; die forensische Toxikologie zum Giftnachweis sowie zu Analysen von Betäubungsmitteln und Alkohol. Es gibt unter anderem Forschungslabore, Seminarräume, einen Hörsaal, Untersuchungsräume, Sektionsbereiche sowie ein Leichenschauhaus.

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In der rechtsmedizinischen Ambulanz untersuchen die Ärzte Personen auf etwaige Verletzungen, zum Beispiel bei Verdacht auf Körperverletzung, häusliche Gewalt oder Kindesmisshandlung. Seit 2019 ist das Institut Hauptstandort des Kompetenzzentrums Kinderschutz im Gesundheitswesen. Es berät landesweit Ärztinnen und Ärzte, die einen Verdacht auf Kindesmissbrauch, -misshandlung oder Vernachlässigung haben. Dem Institut für Rechtsmedizin steht eine Raumschießanlage mit ballistischer Laboreinrichtung zur Verfügung. Wundballistik ist die Lehre vom Verhalten der Geschosse beim Eindringen in den Körper eines Menschen oder Tieres. Die Anlage dient der wundballistischen Forschung und macht Schussrekonstruktionen möglich.

Markus Rothschild: „Vom Tatort ins Labor“, 128 Seiten, Bachem Verlag, 24,95 Euro

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